Sportdiagnostik wird zur Grenzerfahrung
Leistungsanalyse zeigt wie man Training für den Wettlauf gestaltet – und wo die Grenze ist
- An einem lauen Freitagabend quält sich mein Auto die Serpentinen nach Scheidegg hoch. Meine Sportdiagnostik ist das Ziel. Dort soll getestet werden, wie fit ich bin und wie ich optimal trainieren kann – und ob ich überhaupt physisch zur Laufteilnahme in der Lage bin. Alles Informationen, die ich haben sollte. Doch einfach wird das nicht, da haben mich meine Kollegen schon vorgewarnt. Diese Diagnostik funktioniert wohl nur, wenn man auch bis an die Leistungsgrenze gebracht wird.
Da ich keine 20 mehr bin und auch das eine oder andere dauerhafte Wehwehchen habe, muss ich zunächst von einem Arzt untersucht werden. Die Untersuchung deckt dabei alle Funktionen meines Körpers ab und sucht nach Auffälligkeiten. Die Blutabnahme gestaltet sich etwas schwierig, meine Venen verstecken sich lieber. Am Ende braucht es drei Anläufe. Auffälligkeiten finden sich zum Glück aber keine. Was ich aber bekomme, sind zahlreiche Tipps zur Ernährung und worauf ich sonst achten sollte.
In einem Vorgespräch lerne ich dann Benjamin Gstöhl, den – schon wieder viel zu fröhlichen – sportlichen Leiter des Diagnostikzentrums, kennen. Meine Untersuchung startet mit dem Testen des Grundumsatzes, also wie viele Kalorien mein Körper in Ruhelage verbrennt. Das sieht so aus, dass ich fünf Minuten lang still sitze und in eine Gummiatemmaske atmen darf. Dummerweise darf ich auch nicht reden, Gstöhl nutzt die Zeit, um Akten zu verräumen. Schon nach einer Minute ist mir langweilig.
Als das Ding piepst, bin ich erlöst. Besonders anstrengend war das nun noch nicht.
Wenn es weiter so bleibt, habe ich wenig zu befürchten.
Doch schon die nächste Station belehrt mich da eines
Besseren: Meine seitliche Muskulatur sowie Rückenund Bauchmuskulatur sollen getestet werden. Dafür muss ich in einer Apparatur fixiert werden, die dafür sorgt, dass ich auch nur diese Muskelpartien bewegen kann. Wer schon immer mal wissen wollte, wie es sich in einer Schraubzwinge anfühlt, der wird hier seine Erfüllung finden. Aber ich lasse mich brav einschrauben und drücke dann so fest ich kann gegen die Polster. Benjamin Gstöhl feuert mich dabei an – ich soll ja demonstrieren, wie weit ich komme. Und irgendwie funktioniert es auch. „Du hast einen roten Kopf, das heißt, Du hast ordentlich Kraft reingesteckt“, sagt Gstöhl und grinst zufrieden. Nun folgt der Härtetest, vor dem mich alle gewarnt haben: die Leistungsanalyse. Ich habe die Wahl zwischen Fahrrad und Laufband. Gstöhl sagt, das Fahrrad sei gelenkschonender, also wähle ich das Fahrrad. Ich werde es später bereuen. Wieder bekomme ich eine Atemmaske auf, kriege einen Blutdruckmesser an den Arm. Rücken und Brust werden mit Sensoren an Saugnäpfen verkabelt, die bis zum nächsten Morgen den Eindruck erwecken werden, ich sei nur knapp einem Riesenoktopus entkommen. Dann radele ich los. Immerhin bekomme ich eine steife Brise von einem großen Ventilator verpasst, zur Sicherheit macht Gstöhl noch ein Fenster auf. Alle drei Minuten
wird die Intensität erhöht, und ich darf auf einer Skala ansagen, wie anstrengend ich es finde. Dazu wird in Intervallen mein Blutdruck getestet, und ich erhalte regelmäßig einen Piks ins Ohrläppchen – für die Laktatwertmessung. Damit wird gemessen, in welchem Stoffwechselzustand sich mein Körper befindet und wann meine Leistungsfähigkeit überschritten ist.
Die ersten Minuten sind entspannt, dann zieht es aber spürbar an. Viermal erhöht sich die Intensität, immer um 40 Watt. Nach einer Viertelstunde strampeln ist mir echt warm, und ich merke, dass meine Muskeln sich langsam beschweren. „Wenn Du magst, können wir gleich noch eine Etappe hoch- schalten“, sagt Gstöhl, „aber das musst Du dann auch über die Zeit durchhalten.“Ich gehe in mich, während ich in die Gummimaske hechele. Mein Sturkopf besteht darauf weiterzumachen. Meine Unterschenkel sehen das entschieden anders. Am Ende siegt der Körper – auch weil Gstöhl mir sagt, dass er alle Daten hat, die er braucht. Also radele ich gemütlich noch zwei Runden aus.
Schmerzen habe ich vor allem am Hintern, denn der brutal harte Sattel des Radtrainers stammt vermutlich aus dem Foltermuseum und wird mir noch zwei Tage lang wehtun. Danach kann ich endlich kalt duschen, mein
Coach wertet solange die Daten aus. Mit gemischten Gefühlen, aber immerhin erfrischt nehme ich am Tisch Platz. Die Ergebnisse sind aber gar nicht so übel, manches überrascht mich. So sind ausgerechnet die Bauchmuskeln, die ich am meisten trainiere, im Vergleich zu den anderen Partien – bei denen ich auf dem Schaubild überall ein sattes Grün ernte – am schwächsten ausgeprägt.
Also jeden Morgen brav weiter Übungen machen. Die Stoffwechselwerte sind gut, was fehlt ist eben Ausdauer. Wie ich die aufbaue, erfahre ich auch: Zweimal die Woche eine halbe Stunde joggen und viel zu Fuß laufen und spazieren gehen. Praktisch, das mache ich bereits. Der Teilnahme am Lauf steht theoretisch also nichts mehr entgegen.
Unser Lindauer Redaktionsnordlicht Grischa Beißner will es wissen: Nachdem er im Lockdown gezwungenermaßen ewig ohne Sport herumdümpelte, hat er beschlossen, den HomeofficeSessel gegen Laufschuhe zu tauschen und will nun beim DreiLänder-Marathon auf einer Teilstrecke mitlaufen. Seinen Weg zur Ziellinie (oder zum vorherigen Umfallen) können sie unter: www.schwaebische.de/laufen verfolgen.