„Wir merken, dass die positiven Testergebnisse ansteigen“
Wangener Apothekerin Dr. Jenny Hsieh-Ehrhardt sorgt sich wegen des Impftempos – und hat eine Idee
- Impfstoff ist genügend vorhanden, Impftermine gibt es von mobilen Teams bis zum Hausarzt, und trotzdem beobachtet Apothekerin Dr. Jenny Hsieh-Ehrhardt von der Rochus-Apotheke in Wangen: Viele junge Menschen, die dieser Tage für einen Corona-Schnelltest in die Apotheke kommen, sind noch nicht geimpft – und das aus unterschiedlichen Gründen. Von welchen sie erfährt, aber auch darüber, wie Apotheken niederschwellig Impftermine vermitteln könnten, hat Paulina Stumm mit der Inhaberin der Rochus-Apotheke in Wangen gesprochen.
Frau Ehrhardt, wie wird das Testangebot in Ihrer Apotheke nach der letzten Änderung der Corona-Verordnung und mit Blick auf steigende Infektionszahlen angenommen?
Es wird stärker in Anspruch genommen als jemals zuvor. Und wir merken, dass die Zahlen an positiven Testergebnissen steigen. Wir beobachten schon seit Wochen, dass hauptsächlich Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren zum Testen kommen.
Also die Altersgruppe, die gerade vermehrt erkrankt, und innerhalb der noch viele ungeimpft sind. Aber es kommen auch ältere Leute, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen konnten, und nun einen negativen Schnelltest als Nachweis benötigen. Und dann gibt es die, die sich nicht impfen lassen wollen, die gibt es natürlich auch.
oder bei mobilen Angeboten wie kommenden Mittwochvormittag wieder an der Eselmühle?
Interessanterweise kristallisiert sich in den Gesprächen oft heraus, dass sie sich schon gerne impfen lassen würden, aber noch nicht konnten. Einige sagen, sie haben keinen Hausarzt, weil sie gesund sind oder erst hergezogen sind. Die Hemmschwelle, dann einen fremden Arzt aufzusuchen, ist groß.
Und als Impfstoff noch knapp war, wurden andere von Praxen abgewiesen, denen fehlt jetzt der Mut. Anderen ist es auch zu umständlich, ins Kreisimpfzentrum nach Ravensburg zu fahren.
Und das Angebot des mobilen Impfteams an der Eselmühle vormittags können einige nicht wahrnehmen, weil sie da arbeiten. Auch falsche Fürsorge – sie wollen erst mal die Alten lassen – kommt noch vor. Und dann gibt es Sorglose, die denken, sie werden nicht krank, und wenn, dann nicht schlimm.
Sie haben sich Gedanken gemacht, wie Apotheken da abhelfen könnten. Welche?
Wir haben den Kontakt zu Leuten, die noch nicht geimpft sind und sich testen lassen. Die könnten wir ansprechen, ob sie Interesse haben, sich impfen zu lassen. Dann bräuchten wir Ärzte, die bereit wären, diese zu impfen. Bei dieser Terminkoordizu nation könnten wir mit der Plattform Terminland unterstützen, die wir Wangener Apotheken zu Beginn der Schnelltests genutzt haben und daher sehr gut kennen. Ärzte oder die Impfzentren melden uns ihre Impftermine, wir pflegen sie ein und vergeben sie bei Interesse an unsere Kunden. Jede Apotheke hätte so einen Überblick über die möglichen Termine. Mit etwas Vorlauf wüssten die Ärzte dann auch, wie viele Impfdosen sie bestellen müssten. Wir würden damit den Ärzten nicht das Impfrecht aus der Hand nehmen, sondern die Vorteile beider Berufsgruppen miteinander vereinen: den niederschwelligen Zugang in den Apotheken und die Impfkompetenz der Ärzte.
Gab es schon Reaktionen von Kollegen oder Ärzten?
Noch nicht viele. Ich habe die Idee mal bei der Kreisärzteschaft vorgetragen, die will jetzt ihre Ärzte darüber informieren. Als nächstes will ich noch weitere Apotheken ansprechen.
Warum ist Ihnen das Thema so wichtig?
Ich kann als Heilberuflerin nicht einfach zusehen, wie die Infektionszahlen unaufhörlich steigen. Ich bin der Meinung, dass die Impfung der einzige Weg ist, einen erneuten Lockdown und eine massive Überbelegung der hiesigen Intensivstationen
verhindern. Mitte Oktober sollen die Antigen-Schnelltests kostenpflichtig werden, und ich habe zunehmend das Gefühl, dass uns die Zeit davonrennt. Wir könnten beim Impffortschritt schon viel weiter sein.
Noch eine Frage zu den Geimpften: Bekommen die bei Ihnen ein Covid-19-Impfzertifikat ausgestellt, das sie etwa auch in der CovPassApp auf dem Handy speichern können?
Ja.
Und wie sieht es mit der Immunkarte aus, dem wasserfesten, nicht knick- oder zerreißbaren Kärtchen als Impfnachweis im Scheckkartenformat, das man mittlerweile in vielen Apotheken bestellen kann?
Ja, die auch. Das läuft dann so: Wir erstellen nach Vorlage des Impfpasses das Impfzertifikat, und mit diesem bestellen wir dann die Immunkarten bei einem Anbieter.
Der schickt die Karte dann direkt an den Geimpften. Das kann bis zu zehn Tagen dauern. Das wird tatsächlich gut angenommen. Seit Anfang Juli haben wir bereits 161 bestellt.
Viele wollen sich nicht nur auf ihr Handy verlassen oder können keine App auf ihr Handy laden, für die ist die Scheckkarte dann viel praktischer.