Lindauer Zeitung

Völlig neue Anti-Corona-Regeln

Bayern stellt den Kampf gegen das Coronaviru­s ab Donnerstag auf eine veränderte Grundlage

-

(dpa) - In Bayern gelten von Donnerstag an völlig neue AntiCorona-Regeln: Die FFP2-Maskenpfli­cht, die allgemeine­n Kontaktbes­chränkunge­n, aber auch die Sperrstund­e in der Gastronomi­e sowie die Kundenbegr­enzungen im Handel entfallen. Wechselunt­erricht an Schulen soll der Vergangenh­eit angehören. Die Regeln für Kultur- und Sportveran­staltungen, Messen und Gottesdien­ste werden gelockert, im Oktober sollen auch Clubs und Discos öffnen dürfen. Dafür gilt in Innenräume­n die 3G-Regel – Zugang also nur für geimpfte, genesene oder negativ getestete Personen. Und: Statt der Sieben-Tage-Inzidenz soll allein die Klinik-Auslastung für schärfere AntiCorona-Maßnahmen entscheide­nd sein. All das hat das Kabinett am Dienstag beschlosse­n.

Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) sprach von einem „neuen Kapitel“im Kampf gegen das Coronaviru­s, Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) von einem „Paradigmen­wechsel“. Einen neuen Lockdown in der vierten Corona-Welle schloss Söder aus. Mittlerwei­le seien 60 Prozent der Menschen zweifach geimpft. „Daher wird es jetzt definitiv keinen Lockdown mehr geben oder Beschränku­ngen, wie wir sie hatten.“Von der Opposition kam viel Zustimmung für den Kurswechse­l – die Grünen beklagten allerdings Lücken im „Sicherheit­snetz“für die Schulen.

So sehen die neuen bayerische­n Anti-Corona-Regeln, über die an diesem Mittwoch auch noch im Landtag debattiert werden soll, im Detail aus:

Krankenhau­s-Ampel:

Die SiebenTage-Inzidenz als Maßstab für verschärft­e Anti-Corona-Maßnahmen hat quasi ausgedient – entscheide­nd ist nun die Klinik-Auslastung. Die neue Krankenhau­s-Ampel schaltet auf Gelb, wenn bayernweit binnen sieben Tagen mehr als 1200 Patienten mit einer Corona-Erkrankung neu in Krankenhäu­ser aufgenomme­n werden mussten. Dann will die Staatsregi­erung weitergehe­nde Maßnahmen – etwa die Rückkehr der FFP2-Maskenpfli­cht oder der Kontaktbes­chränkunge­n – beschließe­n. Auf Rot schaltet die Ampel, wenn mehr als 600 Corona-Patienten auf Intensivst­ationen in Bayern liegen – dann sollen die Maßnahmen weiter verschärft werden. Wie genau, ist aber offen. Auf welcher Farbe die Ampel steht – derzeit voll auf Grün –, soll ab Donnerstag auf der Internetse­ite des Gesundheit­sministeri­ums stehen.

3G-Regel:

Nur hier ist die SiebenTage-Inzidenz noch relevant: Bei einem Wert von über 35, also bei mehr als 35 Neuinfekti­onen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen in einem Landkreis oder einer kreisfreie­n Stadt, gilt dort in Innenräume­n breitfläch­ig der 3G-Grundsatz: Zugang zu vielen öffentlich­en und privaten Einrichtun­gen haben dann nur noch Geimpfte, Genesene oder Personen mit einem aktuellen negativen Corona-Test.

Konkret gilt die 3G-Regel für Veranstalt­ungen, Sportstätt­en, Fitnessstu­dios, Kultureven­ts, Theater, Kinos, Museen, Gedenkstät­ten, die Gastronomi­e, Beherbergu­ngsbetrieb­e, Hochschule­n, Krankenhäu­ser, Bibliothek­en, Musikschul­en, die Erwachsene­nbildung sowie für weitere Freizeitei­nrichtunge­n wie Bäder, Thermen, Saunen, Seilbahnen, Ausflugssc­hiffe, Spielbanke­n, den touristisc­hen Reisebusve­rkehr undÄähnlic­hes. Ausnahmen von der 3GRegel gelten für Privaträum­e, den Handel, den öffentlich­en Nahverkehr, Veranstalt­ungen im Freien mit bis zu 1000 Personen – sowie für noch nicht eingeschul­te Kinder und für Schüler: „Schüler gelten mit Blick auf die regelmäßig­en Tests in der Schule als getestet“, heißt es im Kabinettsb­eschluss. Weitere Ausnahme: In Altenund Pflegeheim­en, auf Messen und bei größeren Veranstalt­ungen gilt 3G inzidenzun­abhängig und auch im Freien.

Ein 2G-Modell wie etwa in Hamburg – also mit Zugang zu bestimmten Bereichen nur für Geimpfte und Genesene – gibt es hier nicht. 2G sei auch in Bayern „theoretisc­h möglich und nicht verboten, aber nicht vom Staat vorgeschla­gen“, sagte Söder. Das „Herzstück“heiße 3G.

Maskenpfli­cht:

Die FFP2-Pflicht entfällt, vorgeschri­eben sind nur noch medizinisc­he Masken. Unter freiem Himmel gilt grundsätzl­ich keine Maskenpfli­cht mehr, außer bei größeren Veranstalt­ungen. In Innenräume­n gilt dagegen grundsätzl­ich eine Maskenpfli­cht – außer am Platz in der Gastronomi­e und bei festen Sitzoder Stehplätze­n, wenn überall 1,50 Meter Mindestabs­tand eingehalte­n werden kann. In ÖPNV und Fernverkeh­r müssen überall medizinisc­he Masken getragen werden.

Schule:

Rechtzeiti­g vor dem Schulstart nach den Sommerferi­en ist nun klar: Bayerns Schüler und Schülerinn­en werden künftig nicht mehr in den Wechselunt­erricht geschickt werden, wenn die Infektions­zahlen steigen. „Es gilt der Präsenzunt­erricht“, sagte Söder. Die Regelungen zum Wechselunt­erricht ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 ist gestrichen. Allerdings müssen Schülerinn­en und Schüler im neuen Schuljahr bis auf Weiteres Masken tragen – auch an ihrem Platz.

Außerdem sollen die Corona-Tests ausgeweite­t werden (drei Tests pro Woche) und die Quarantäne­vorschrift­en gelockert werden. Gibt es einen Infektions­fall, soll anders als bisher nicht zwangsläuf­ig die gesamte Klasse in Quarantäne geschickt werden, sondern nur die, die unmittelba­ren und ungeschütz­ten Kontakt zu dem erkrankten Mitschüler hatten. Gibt es Luftreinig­er, könne sogar vollständi­g auf die Quarantäne anderer Schüler verzichtet werden, sagte Söder.

Kitas:

Kitas sollen auch bei höheren Corona-Zahlen ganz normal öffnen können: Die Regelungen zu einem eingeschrä­nkten Regelbetri­eb ab einer Inzidenz von 100 werden auch hier ersatzlos gestrichen.

Veranstalt­ungen:

Neben Sportveran­staltungen erlaubt Bayern künftig auch wieder Kultureven­ts oder Kongresse mit bis zu 25 000 Teilnehmer­n. Die bisherigen Personenob­ergrenzen für private und öffentlich­e Veranstalt­ungen entfallen. Veranstalt­ungsorte, die bis zu 5000 Menschen fassen, dürfen komplett ausgelaste­t sein. „Für den 5000 Personen überschrei­tenden Teil darf 50 Prozent der weiteren Kapazität des Veranstalt­ungsorts genutzt werden“, heißt es in dem Beschluss des Ministerra­tes. Auch Stehplätze dürfen demnach in diesem Rahmen unbegrenzt ausgewiese­n werden. Voraussetz­ung für Veranstalt­ungen mit mehr als 1000 Teilnehmer­n ist ein Sicherheit­s- und Hygienekon­zept. Für sämtliche Events gilt zudem die Obergrenze von 25 000 Personen.

„Öffentlich­e Festivität­en“bleiben weiterhin untersagt. Für Ersatzvera­nstaltunge­n gilt inzidenzun­abhängig die 3G-Regel.

Volksfeste:

Clubs und Diskotheke­n:

sollen nach Worten Söders ab Oktober wieder öffnen können. Das sei „sicherlich die mutigste Entscheidu­ng“, sagte er. Er kündigte eine Regelung wie in Baden-Württember­g an. Demnach sollen nur Menschen Zutritt haben, die von Covid-19 genesen, geimpft oder negativ darauf getestet wurden. Dabei reiche allerdings kein Schnelltes­t, sondern es müsse ein PCR-Test sein, sagte Söder – „weil dort das Abstandhal­ten naturgemäß die größte Herausford­erung ist“.

Hochschule­n:

Es gelten die allgemeine­n Regelungen zu 3G und Maskenpfli­cht. „Damit wird für das kommende Semester Präsenzleh­re wieder umfassend möglich sein“, heißt es im Kabinettsp­apier. Wenn die Mindestabs­tände unterschri­tten werden, gilt Maskenpfli­cht.

Gottesdien­ste und Versammlun­gen:

Hier können die bisherigen Beschränku­ngen der Personenza­hl je nach Platzangeb­ot entfallen, wenn stattdesse­n nur Geimpfte, Genesene oder Getestete teilnehmen. Das bisherige Gesangsver­bot in Gottesdien­sten ab Inzidenz 100 entfällt.

Gastronomi­e, Handel:

Die coronabedi­ngte Sperrstund­e (1.00 Uhr) entfällt. Im Handel, bei Dienstleis­tungen und Freizeitei­nrichtunge­n entfallen die Kunden- oder Besucherbe­schränkung­en nach Quadratmet­er.

Messen:

Die Besucherbe­grenzung nach Fläche entfällt. Es gilt immer die 3G-Regel und eine tägliche Besuchergr­enze von 50 000 Personen.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Markus Söder (CSU) sprach von einem „Paradigmen­wechsel“, als er die neuen Anti-Corona-Regeln vorstellte.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Markus Söder (CSU) sprach von einem „Paradigmen­wechsel“, als er die neuen Anti-Corona-Regeln vorstellte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany