Handball verbindet über Ländergrenzen
Der nach Chelles ausgewanderte Helmar Brandl erzählt seine Geschichte
- Die Freundschaft zwischen Lindau und der französischen Partnerstadt Chelles hält seit fast 60 Jahren. Gepflegt wird sie von Anfang an vor allem von – inzwischen ehemaligen – Handballern. Aktuell ist wieder eine siebenköpfige Gruppe aus Frankreich zu Besuch in Lindau.
Veteranen hatten die Verbindung in der Nachkriegszeit geknüpft. Die Freundschaft der Handballer aus Lindau und der französischen Partnerstadt Chelles ist so alt wie die Städtepartnerschaft selbst. Die Sportler treffen sich seit 1964. Ob in Deutschland oder Frankreich, spielt eigentlich keine Rolle.
Wenn sie zusammenkommen, wird viel geredet, viel gelacht und gemeinsam die Umgebung erkundet. In früheren Jahren war ein Handballspiel fester Bestandteil des Programms, erzählt die Lindauerin und Mitorganisatorin Hilde Schweizer. Inzwischen spielen sie zusammen Boule. In guter Erinnerung sind ihr auch die Ausflüge geblieben. „Die Cheller haben uns den Eiffelturm und das Moulin Rouge gezeigt“, nennt sie zwei Beispiele. Die Lindauer besichtigten mit den Chellern dafür etwa Neuschwanstein und besuchten mit ihnen die Bregenzer Festspiele. „Man muss ihnen ja auch etwas bieten“, sagt Helmut Eibler, der mit seiner Frau ebenfalls die Jumelage pflegt.
Eine kurze Unterbrechung habe die deutsch-französische Freundschaft aber dennoch verkraften müssen, weiß er zu berichten. Als die Jumelage einschlief, hätten sich junge Lindauer Handballer mit Jugendmannschaften aus Coudreaux getroffen. In dieser Zeit sei als Zeichen der Freundschaft ein Lindenbaum gesetzt worden – in Coudreaux. Doch diese Verbindung brach wenige Jahre später ab und als die alte Freundschaft mit Chelles wiederbelebt wurde, sei das mit der Linde kurzerhand korrigiert worden. Sie wurde versetzt und wächst seither im Cheller Stadtpark weiter. „Unser Lindauer Wahrzeichen gibt es in Chelles“, sagt Eibler und freut sich. „Inzwischen ist sie ein stattlicher Baum.“
In der Städtepartnerschaft liegt auch die Ursache für eine wichtige Wendung im Leben von Helmar Brandl. Der gebürtige Lindauer lernte 1967 seine spätere Frau Martine kennen, die aus Chelles stammte. Ein
Jahr später heirateten sie in Lindau standesamtlich und in Chelles kirchlich. Anfangs lebte das Ehepaar in Lindau. „Aber meine Frau hat Heimweh gekriegt“, sagt Brandl. Also zogen sie ins 660 Kilometer entfernte Chelles.
Auswandern nach Frankreich hieß für den damals 24-Jährigen nicht nur, dass er Französisch lernen musste. „Ich habe schon in unserem gemeinsamen Jahr in Lindau Französisch gelernt und verstand schon einiges“, sagt er. Angekommen in Chelles habe er seinen Beruf wechseln müssen. „Mein Schwiegervater hatte ein Baugeschäft, da habe ich als Hilfsarbeiter angefangen“, sagt er. Nach dem Tod seines Schwiegervaters übernahm er die Firma. Für ihn war es übrigens der dritte Beruf: In Lindau hatte er zuerst bei der Inselbrauerei Brauer gelernt, später machte er noch eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann.
Das Ehepaar bekam zwei Kinder. Der Kontakt nach Lindau brach nie ab. „Zwei oder drei Mal im Jahr sind wir hier“, sagt der 76-Jährige. Ein fester Termin im Jahreskalender seiner Familie sei immer das Kinderfest gewesen. Vor eineinhalb Jahren musste er einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen. Seine Frau verunglückte bei einen Verkehrsunfall tödlich. Ihr Tod ist auch ein Verlust für die Städtepartnerschaft, denn sie hatte sich stark für den Austausch eingesetzt.
Die Jumelage zwischen Lindau und Chelles ist zwar lebendig, doch die Abordnungen, die sich gegenseitig besuchen, sind mit den Jahren immer kleiner geworden. Zu Beginn der Städtepartnerschaft waren auf deutscher und französischer Seite immer jeweils um die 20 Menschen dabei. Dieses Jahr sind es sieben Chellerinnen und Cheller, und acht Lindauerinnen und Lindauer. „Viele sind gestorben“, sagt Hilde Schweizer. Doch solange es möglich ist, wollen sie und die anderen Handballer die Freundschaft weiter pflegen.
Die offizielle Begrüßung seitens der Stadt Lindau im großen Saal des Alten Rathauses übernahm am Montag Stadtrat Uli Gebhard. Er wünschte den Gästen, auf deren Programm unter anderem Besuche auf der Insel Mainau und der Lindauer Gartenschau stehen, besseres Wetter und schöne Ausflüge. Als kleines Geschenk gab es für das eingeschworene Grüppchen mit Schokolade überzogene Apfelringe.