Lindauer Zeitung

Der Weg zum CO2-Tresor ist mühsam

Die Südländer sehen Moore als Wunderwaff­en im Kampf gegen den Klimawande­l – Der Kauf des Landes sorgt oft für Probleme

- Von Frederick Mersi

- Wenn Armin Woll auf den Fichtenwal­d vor sich blickt, sieht er viel Potenzial – aber auch viel Arbeit. „Das wird schon so etwas wie mein Baby“, sagt der 61-Jährige über das rund 1000 Hektar große Degermoos, das sich vor ihm erstreckt. Das Moor im Allgäu an der Grenze von Baden-Württember­g und Bayern wurde über Jahrzehnte immer weiter ausgetrock­net. Woll soll das wieder rückgängig machen, damit das Moor zu einer Waffe im Kampf gegen den Klimawande­l wird.

Das Degermoos soll dabei nur ein Schritt auf dem Weg zu großen Zielen sein. Bayern und Baden-Württember­g haben vor gut zwei Jahren per Kabinettsb­eschluss vereinbart, beim Moorschutz stärker zusammenar­beiten zu wollen. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) will bis 2040 insgesamt rund 55 000 Hektar Moorlandsc­haft renaturier­en, etwa ein Viertel der Moorfläche in Bayern. Bis zu 20 Millionen Euro jährlich will der Freistaat in den kommenden zehn Jahren allein für das größte Projekt im Donaumoos ausgeben.

In Baden-Württember­g sollen nach Angaben des Umweltmini­steriums alle Hochmoore renaturier­t werden, die noch zur Regenerati­on fähig sind – zum Beispiel auf dem Kaltenbron­n, mit rund 300 Hektar eines der größten Moorgebiet­e im Schwarzwal­d.

Trocknen die Sumpflands­chaften aus, werden große Mengen CO2 freigesetz­t. Nach Angaben des bayerische­n Umweltmini­steriums tragen Moore im Freistaat rund fünf Prozent zu den Treibhausg­asemission­en in Bayern bei. Werden sie aber wiedervern­ässt, binden und speichern

ANZEIGEN sie CO2 – und tragen zum Klimaschut­z bei. Allein im Degermoos könnten so zehn bis 15 Tonnen Treibhausg­as pro Hektar und Jahr eingespart werden, schätzt Moorschutz­Fachkraft Woll.

Doch um die Moore im Süden wieder in CO2-Tresore zu verwandeln, brauchen die Länder grünes Licht durch die Eigentümer – und das sind viele: Allein im Degermoos müssen die Behörden laut Woll bis zu 300 Menschen kontaktier­en, die im und am Moor zum Teil schon seit vielen Generation­en Land besitzen. Und einige unter ihnen sehen ihr Land bei den Verhandlun­gen nicht ausreichen­d wertgeschä­tzt.

In Baden-Württember­g scheitern Moorschutz-Projekte deshalb nach Angaben des Umweltmini­steriums oft am Kauf oder der Nutzung von privaten Grundstück­en. „Eine Wiedervern­ässung kann dazu führen, dass die Nutzung und Bewirtscha­ftungsmögl­ichkeiten erheblich eingeschrä­nkt sind“, sagt ein Ministeriu­mssprecher in Stuttgart. „Daher müssen möglichst zusammenhä­ngende Grundstück­e erworben werden und Projekte werden oftmals verzögert oder scheitern daran, dass einzelne Eigentümer nicht bereit sind, zu verkaufen oder die Renaturier­ung gegen Wertersatz oder Entschädig­ung dauerhaft zu dulden.“

„Wir empfehlen unseren Mitglieder­n solche Verkäufe zwar“, sagt der Geschäftsf­ührer der Waldbesitz­ervereinig­ung (WBV) Westallgäu, Andreas Täger. „Aber das ist ein mühsames Geschäft.“Oft sei der Preis für Moorfläche­n gering, weil diese aus forstwirts­chaftliche­r Sicht wenig zu bieten haben: Der Ertrag ist niedrig, die Erreichbar­keit schlecht.

„Für einen Hektar Moorwald kriegt man vielleicht 0,2 Hektar Normalwald“, schätzt Täger. „Aber diese Flächen sind ökologisch wertvoll und das sollte beim Kauf auch eine Rolle spielen.“Dafür hätten die Behörden aber oft nicht genügend Geld.

Auch bei Landwirten gibt es Vorbehalte. Moorschutz­projekte „führten häufig zum vollständi­gen Verlust landwirtsc­haftlicher Produktion­sfläche“, sagt der Umweltrefe­rent des Bayerische­n Bauernverb­ands, Andreas Puchner. Für die Bauern sei es aber wichtig, dass die vernässten Flächen weiter genutzt werden könnten, zum Beispiel durch den Anbau von Schilfpfla­nzen zur Dachdeckun­g. Dieser Wirtschaft­sbereich müsse aber erst aufgebaut werden, sagt Puchner. „An dieser Stelle steht uns noch viel Arbeit bevor.“

Doch selbst wenn die Verhandlun­gen mit Eigentümer­n und Landwirten gut laufen, wird die Renaturier­ung der Moorfläche­n einige Zeit dauern. Das Projekt im Degermoors ist laut Woll auf zehn Jahre angelegt, der Aufbau der Torfschich­ten dürfte noch deutlich länger dauern. Trocknet ein Moor aus, verschwind­et etwa ein Zentimeter Torf pro Jahr. Ein intaktes Moor wächst dagegen nur um rund ein Millimeter jährlich.

Die Zeit drängt also. Doch bevor ein Moor wieder vernässt werden kann, muss vieles untersucht und begutachte­t werden. „Der erste Schritt ist ein hydrologis­ches Gutachten zu den Fragen: Wo kommt das Wasser her, wo fließt es hin?“, sagt Armin Woll. „Ich muss aber auch Flora und Fauna untersuche­n – nicht dass ich mit der Wiedervern­ässung zum Beispiel den Lebensraum von gefährdete­n Kreuzotter­n zerstöre.“

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? Pflanzen wachsen im Degermoos aus dem Moorwasser. Das Moor im Allgäu wurde über Jahrzehnte immer weiter ausgetrock­net. Dieser Trend soll wieder rückgängig gemacht werden, damit das Moor zu einer Waffe im Kampf gegen den Klimawande­l wird.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Pflanzen wachsen im Degermoos aus dem Moorwasser. Das Moor im Allgäu wurde über Jahrzehnte immer weiter ausgetrock­net. Dieser Trend soll wieder rückgängig gemacht werden, damit das Moor zu einer Waffe im Kampf gegen den Klimawande­l wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany