Der Weg zum CO2-Tresor ist mühsam
Die Südländer sehen Moore als Wunderwaffen im Kampf gegen den Klimawandel – Der Kauf des Landes sorgt oft für Probleme
- Wenn Armin Woll auf den Fichtenwald vor sich blickt, sieht er viel Potenzial – aber auch viel Arbeit. „Das wird schon so etwas wie mein Baby“, sagt der 61-Jährige über das rund 1000 Hektar große Degermoos, das sich vor ihm erstreckt. Das Moor im Allgäu an der Grenze von Baden-Württemberg und Bayern wurde über Jahrzehnte immer weiter ausgetrocknet. Woll soll das wieder rückgängig machen, damit das Moor zu einer Waffe im Kampf gegen den Klimawandel wird.
Das Degermoos soll dabei nur ein Schritt auf dem Weg zu großen Zielen sein. Bayern und Baden-Württemberg haben vor gut zwei Jahren per Kabinettsbeschluss vereinbart, beim Moorschutz stärker zusammenarbeiten zu wollen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will bis 2040 insgesamt rund 55 000 Hektar Moorlandschaft renaturieren, etwa ein Viertel der Moorfläche in Bayern. Bis zu 20 Millionen Euro jährlich will der Freistaat in den kommenden zehn Jahren allein für das größte Projekt im Donaumoos ausgeben.
In Baden-Württemberg sollen nach Angaben des Umweltministeriums alle Hochmoore renaturiert werden, die noch zur Regeneration fähig sind – zum Beispiel auf dem Kaltenbronn, mit rund 300 Hektar eines der größten Moorgebiete im Schwarzwald.
Trocknen die Sumpflandschaften aus, werden große Mengen CO2 freigesetzt. Nach Angaben des bayerischen Umweltministeriums tragen Moore im Freistaat rund fünf Prozent zu den Treibhausgasemissionen in Bayern bei. Werden sie aber wiedervernässt, binden und speichern
ANZEIGEN sie CO2 – und tragen zum Klimaschutz bei. Allein im Degermoos könnten so zehn bis 15 Tonnen Treibhausgas pro Hektar und Jahr eingespart werden, schätzt MoorschutzFachkraft Woll.
Doch um die Moore im Süden wieder in CO2-Tresore zu verwandeln, brauchen die Länder grünes Licht durch die Eigentümer – und das sind viele: Allein im Degermoos müssen die Behörden laut Woll bis zu 300 Menschen kontaktieren, die im und am Moor zum Teil schon seit vielen Generationen Land besitzen. Und einige unter ihnen sehen ihr Land bei den Verhandlungen nicht ausreichend wertgeschätzt.
In Baden-Württemberg scheitern Moorschutz-Projekte deshalb nach Angaben des Umweltministeriums oft am Kauf oder der Nutzung von privaten Grundstücken. „Eine Wiedervernässung kann dazu führen, dass die Nutzung und Bewirtschaftungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt sind“, sagt ein Ministeriumssprecher in Stuttgart. „Daher müssen möglichst zusammenhängende Grundstücke erworben werden und Projekte werden oftmals verzögert oder scheitern daran, dass einzelne Eigentümer nicht bereit sind, zu verkaufen oder die Renaturierung gegen Wertersatz oder Entschädigung dauerhaft zu dulden.“
„Wir empfehlen unseren Mitgliedern solche Verkäufe zwar“, sagt der Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung (WBV) Westallgäu, Andreas Täger. „Aber das ist ein mühsames Geschäft.“Oft sei der Preis für Moorflächen gering, weil diese aus forstwirtschaftlicher Sicht wenig zu bieten haben: Der Ertrag ist niedrig, die Erreichbarkeit schlecht.
„Für einen Hektar Moorwald kriegt man vielleicht 0,2 Hektar Normalwald“, schätzt Täger. „Aber diese Flächen sind ökologisch wertvoll und das sollte beim Kauf auch eine Rolle spielen.“Dafür hätten die Behörden aber oft nicht genügend Geld.
Auch bei Landwirten gibt es Vorbehalte. Moorschutzprojekte „führten häufig zum vollständigen Verlust landwirtschaftlicher Produktionsfläche“, sagt der Umweltreferent des Bayerischen Bauernverbands, Andreas Puchner. Für die Bauern sei es aber wichtig, dass die vernässten Flächen weiter genutzt werden könnten, zum Beispiel durch den Anbau von Schilfpflanzen zur Dachdeckung. Dieser Wirtschaftsbereich müsse aber erst aufgebaut werden, sagt Puchner. „An dieser Stelle steht uns noch viel Arbeit bevor.“
Doch selbst wenn die Verhandlungen mit Eigentümern und Landwirten gut laufen, wird die Renaturierung der Moorflächen einige Zeit dauern. Das Projekt im Degermoors ist laut Woll auf zehn Jahre angelegt, der Aufbau der Torfschichten dürfte noch deutlich länger dauern. Trocknet ein Moor aus, verschwindet etwa ein Zentimeter Torf pro Jahr. Ein intaktes Moor wächst dagegen nur um rund ein Millimeter jährlich.
Die Zeit drängt also. Doch bevor ein Moor wieder vernässt werden kann, muss vieles untersucht und begutachtet werden. „Der erste Schritt ist ein hydrologisches Gutachten zu den Fragen: Wo kommt das Wasser her, wo fließt es hin?“, sagt Armin Woll. „Ich muss aber auch Flora und Fauna untersuchen – nicht dass ich mit der Wiedervernässung zum Beispiel den Lebensraum von gefährdeten Kreuzottern zerstöre.“