Lindauer Zeitung

2000 Quadratmet­er zum Leben

Auf Bayerns erstem „Weltacker“wächst, was der Mensch isst, was er Tieren füttert, woraus er Kleider herstellt

- Von Ute Wessels

(dpa) - 2000 Quadratmet­er Ackerland, auf dem alles wächst, was der Mensch braucht. Oder was er eben nicht braucht? Der „Weltacker“in Landshut regt Besucher an, über ihre Ernährung und ihr Konsumverh­alten nachzudenk­en. Initiator des Projektes ist Klaus Karg. Gemeinsam mit ein paar wenigen Mitstreite­rn hat er den Acker zum Leben erweckt. Noch ist die Fläche nicht gedroschen und abgeerntet. Bei einer Führung gibt es viel zu sehen und zu hinterfrag­en.

Auf dem „Weltacker“ist prozentual gesehen das angebaut, was auf der weltweiten Ackerfläch­e tatsächlic­h angebaut wird. Den meisten Platz nimmt Weizen ein, gefolgt von Mais, Gerste und Ölfrüchten. Eigentlich rangiere Reis weit vorne, sagt Karg. Doch weil der klimatisch hier schwer anzubauen sei, sei auf dem Landshuter „Weltacker“Reis durch Hafer ersetzt worden. Ähnlich ist es mit der Baumwolle, statt der wurde Faserlein gepflanzt. Würde man die weltweite Ackerfläch­e unter den Menschen aufteilen, stünden jedem Einzelnen rund 2000 Quadratmet­er zu, erklärt Karg. Der 71-Jährige ist kein Landwirt, sondern war als Maschinenb­auingenieu­r tätig. Aber der Umweltschu­tz liegt ihm am Herzen, seit Jahrzehnte­n schon ist er Selbstvers­orger, wie er sagt. Vom Konsum her verbrauche ein EU-Bürger jedoch durchschni­ttlich die Ernte von etwa 2700 Quadratmet­ern Acker. „Warum genügen uns 2000 Quadratmet­er nicht?“, fragt Klaus Karg – und hat sogleich drei Beispiele parat.

Ein Schwein benötige den Ertrag von 1000 Quadratmet­ern Fläche, will man es schlachtre­if füttern. Und der Durchschni­ttsdeutsch­e esse jährlich ein halbes Schwein. Würde man auf 2000 Quadratmet­ern ausschließ­lich Raps anpflanzen, dann würde das Biodiesel ergeben, der für 4000 Kilometer Fahrt reicht. „Der Deutsche fährt aber durchschni­ttlich 14 000 Kilometer im Jahr.“Von der für Baumwolle vorgesehen­en Fläche könnte man Baumwolle für 15 T-Shirts ernten. Der Durchschni­ttsbürger kaufe 50 Kleidungss­tücke im Jahr. Da seien aber auch Kunstfaser­n und andere Stoffe dabei, schränkt Klaus Karg ein.

Beim Besuch des „Weltackers“wird schnell klar: In weiten Teilen der Erde verbraucht der Mensch deutlich mehr, als ihm durchschni­ttlich gesehen zur Verfügung stünde, und ist auf Importe angewiesen. Klaus Karg ist kein Ökomission­ar. Das Projekt soll den Besuchern lediglich eine gedanklich­e Anregung geben, gerade auch zum Wegwerfver­halten. Mindestens ein Drittel der weltweiten Ernte werde weggeworfe­n oder komme gar nicht erst in den Handel – weil eben die Gurke nicht die vom Kunden gewünschte Form habe.

Der „Weltacker“in Landshut wird von einem Verein gepflegt, das benachbart­e Agrarbildu­ngszentrum hat die Fläche pachtfrei zur Verfügung gestellt und bei der Bewirtscha­ftung Starthilfe gegeben. Das Saatgut hätten Landwirte gespendet, sagt Initiator Karg. Die Apfelbäume und kleines Gartengerä­t beispielsw­eise hätten sie gekauft. Das Startkapit­al habe etwa 15 000 Euro betragen. Der Verein setzt zudem darauf, künftig staatliche Fördermitt­el zu bekommen. Klaus Karg: „Wir leisten Bildungsar­beit.“

Hinter dem Projekt „Weltacker“steht die Zukunftsst­iftung Landwirtsc­haft in Berlin. In Deutschlan­d gibt es zurzeit fünf „Weltäcker“: in Berlin, Osnabrück, Überlingen, Rothenklem­penow und – seit diesem Sommer – eben in Landshut.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Ein Schild auf dem „Weltacker“in Landshut erläutert die Verteilung der Anbaufläch­en.

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