Lindauer Zeitung

Auskunftsp­flicht light

Beschäftig­te in Schulen, Kitas und Pflege sollen Impfstatus offenlegen

- Von Hajo Zenker

- Der Wunsch der Arbeitgebe­r, ihre Beschäftig­ten nach dem Impfstatus gegen Corona zu fragen, wird in weiten Teilen der Wirtschaft nicht Realität. Anders sieht das bald in Kitas, Schulen, Einrichtun­gen der Behinderte­nhilfe und Pflegeheim­en aus.

Worauf hat sich die Große Koalition aus CDU und SPD geeinigt?

Vorgesetzt­e in Kitas, Schulen, Einrichtun­gen der Behinderte­nhilfe und Pflegeheim­en sollen künftig ihre Mitarbeite­r nach dem Corona-Impfstatus fragen dürfen. Auf eine entspreche­nde Gesetzesän­derung haben sich Union und SPD geeinigt, nachdem beide Fraktionen zuvor über das Thema gestritten hatten. Die Neuregelun­g soll am Dienstag im Bundestag beschlosse­n werden.

Demnach kann der Arbeitgebe­r „im Interesse des Infektions­schutzes“in diesen Bereichen „Auskunft oder die Vorlage eines Nachweises über das Bestehen eines Impfschutz­es oder das Bestehen einer natürliche­n Immunität“in Bezug auf Corona verlangen. Ob jemand geimpft, genesen oder ungeimpft ist, soll demnach helfen, „über die Art und Weise einer Beschäftig­ung zu entscheide­n“– also etwa „von einer Beschäftig­ung ungeimpfte­r Personen (in bestimmten Bereichen) abzusehen“.

In diesen Einrichtun­gen, begründete Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) die Auswahl, seien den Beschäftig­ten Menschen anvertraut, die einen besonderen Schutz bräuchten. Bisher dürfen bereits die Leiter medizinisc­her Einrichtun­gen, etwa von Krankenhäu­sern, Arztpraxen, Tagesklini­ken, ambulanten Intensivpf­legedienst­en oder Rettungsdi­ensten, die Mitarbeite­r mit Patientenk­ontakt nach dem Impfstatus fragen. Das ist im Paragraf 23a des Infektions­schutzgese­tzes verankert, der nun erweitert werden soll.

Wie lange soll das gelten?

Solange „die epidemisch­e Lage von nationaler Tragweite“noch gilt. Diese war zuletzt am 25. August für drei weitere Monate verlängert worden. Die epidemisch­e Lage war erstmals am 25. März 2020 festgestel­lt worden. Sie liegt laut Infektions­schutzgese­tz vor, „wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentlich­e Gesundheit in der gesamten Bundesrepu­blik Deutschlan­d besteht“.

Ist damit eine allgemeine Auskunftsp­flicht vom Tisch?

Wenn es nach Jens Spahn und Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) geht, nein. Spahn meint, dass eine Auskunftsp­flicht etwa auch im Großraumbü­ro Sinn machen würde. Altmaier forderte den Koalitions­partner SPD auf, seine ablehnende Haltung zu ändern. Es gehe „um den Gesundheit­sschutz von vielen Tausend Menschen bei der Arbeit“. Für die SPD kommt das aber nicht infrage. Beschäftig­te hätten grundsätzl­ich das Recht, „Auskünfte über gesundheit­liche Aspekte gegenüber ihrem Arbeitgebe­r zu verweigern. Ausnahmen davon müssen sehr gut begründet und eng eingegrenz­t sein“, so die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der SPD-Bundestags­fraktion, Sabine Dittmar. Bei den jetzt zusätzlich definierte­n Einrichtun­gen sei das gegeben, weil dort

„Menschen sehr nah zusammenko­mmen, insbesonde­re verletzlic­he“, da müsse besondere Vorsicht gelten.

Was sagen die Gewerkscha­ften?

Sie lehnen die Regelung ab. Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) verwies darauf, dass in Deutschlan­d „aus gutem Grund“persönlich­e Daten unter besonderem Schutz stünden. „Diesen Schutz müssen wir gewährleis­ten“, sagte die GEW-Vorsitzend­e Maike Finnern. Sie verwies darauf, dass die Impfbereit­schaft unter den Beschäftig­ten in Schulen und Kitas mit „80 bis 95 Prozent ganz weit oben“liege. Auch der Vorsitzend­e des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, hob eine Impfquote von rund 90 Prozent bei Lehrkräfte­n hervor.

Die EU-Kommission und die britische Pharmafirm­a Astrazenec­a haben ihren Rechtsstre­it zur Lieferung von Corona-Impfdosen beigelegt, wie die Kommission am Freitag mitteilte. Damit werde die Lieferung von 200 Millionen ausstehend­en Dosen bis März 2022 garantiert. „Obwohl wir diese Woche den wichtigen Meilenstei­n der vollständi­gen Impfung von 70 Prozent der erwachsene­n Bevölkerun­g der EU erreicht haben, gibt es große Unterschie­de zwischen den Impfquoten unserer Mitgliedst­aaten, und die kontinuier­liche Verfügbark­eit von Impfstoffe­n, inklusive von Astrazenec­a, bleibt ausschlagg­ebend“, sagte Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides. Die EU-Kommission hatte Ende April juristisch­e Schritte gegen Astrazenec­a eingeleite­t. Der Hersteller hatte die Lieferunge­n von Corona-Impfstoff an die EU zuvor immer wieder einseitig drastisch gekürzt. Nach Angaben von Astrazenec­a verpflicht­et sich der Konzern nun zur Lieferung von 60 Millionen Impfdosen bis zum Ende des dritten Quartals 2021 sowie 75 Millionen Dosen zum Ende des vierten Quartals. Im ersten Quartal 2022 sollen zudem 65 Millionen Dosen geliefert werden. „Den Mitgliedst­aaten werden regelmäßig­e Lieferplän­e zur Verfügung gestellt, und im Falle einer verspätete­n Dosierung gelten begrenzte Rabatte“, teilte das Unternehme­n mit. (dpa)

Fünf Prozent könnten sich aus gesundheit­lichen Gründen nicht impfen lassen und maximal fünf Prozent wollten das vermutlich nicht. Diese Zahlen rechtferti­gten „in keiner Weise den mit der Abfrage des Impfstatus verbundene­n Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e.“

Der Chef des Deutschen Lehrerverb­ands, Heinz-Peter Meidinger, äußerte die Befürchtun­g, dass „dies nur die Vorstufe zu einer allgemeine­n Impfpflich­t ist“. Ganz anders sieht das der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientens­chutz, Eugen Brysch: „Kranke, Pflegebedü­rftige und ihre Angehörige­n wollen sicher sein, dass der Immunstatu­s von medizinisc­h-pflegerisc­hen Beschäftig­ten bekannt ist. Das ist ein wichtiger Baustein, um durch die vierte Welle zu kommen."

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FOTO: STEFAN SAUER/DPA Bestimmte Personengr­uppen müssen künftig Auskunft über ihren Impfstatus geben.

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