Lindauer Zeitung

Münchner Affären-Reigen

Opposition im bayerische­n Landtag nimmt Geschäfte von CSU-Politikern unter die Lupe

- Von Patrick Guyton,

- Ist es womöglich der nächste bayerische Amigo-Fall? Der CSU-Landtagsab­geordnete Ernst Weidenbusc­h erhielt in den Jahren 2016 und 2018 insgesamt 430 000 Euro für seine Tätigkeit als Rechtsanwa­lt – vom Freistaat Bayern. Und zwar dafür, dass er in dessen Auftrag zwei Milliarden-Altlasten der CSUPolitik abwickelte. Es ist nur einer einer ganzen Reihe ähnlicher Fälle. Nun soll ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss das Geschäftsg­ebaren von Bundes- und Landespoli­tikern aufarbeite­n.

Im Fall Weidenbusc­h ging es zum einen um die noch von Ministerpr­äsident Edmund Stoiber gekaufte österreich­ische Pleite-Bank Hypo Alpe Adria. Zum anderen um die Landesbank BayernLB, die wegen eines Formel-1-Geschäfts in bedrohlich­e Schieflage geraten war – und im Zuge dessen mehr als 30 000 landeseige­ne Wohnungen auf dem Markt verscherbe­ln musste.

Der FDP-Abgeordnet­e Matthias Fischbach, der dazu immer wieder bohrend bei der Landesrege­riung nachgefrag­t hatte, meint: „Die Intranspar­enz stinkt gewaltig.“

Weidenbusc­h seinerseit­s weist den Vorwurf der Bereicheru­ng zurück: Der Haushaltsa­usschuss des Landtags sei über sein Engagement informiert gewesen und habe ausdrückli­ch zugestimmt. Auch habe er die Honorare beziffert und erklärt, dass er bei der Arbeit selbst finanziell­e Risiken eingehe.

Jeder Fall ist anders gelagert. Doch es sind einige, die da in den vergangene­n Monaten zusammenge­kommen sind. So viele, dass die Landtags-Opposition aus Grünen, SPD und FDP einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss einsetzen will. Fälle von Zusatz- oder auch Hauptverdi­ensten von Abgeordnet­en jenseits ihrer Diäten aus den letzten zehn Jahren sollen dort aufgearbei­tet werden.

Gerade die SPD geht mit ihrem in diesem Jahr neu gewählten Parteiund Fraktionsv­orsitzende­n Florian von Brunn mächtig in die Offensive. Anders als seine Vorgänger tritt er sehr offensiv, ja aggressiv auf. Weidenbusc­h wirft er vor: „Er stand ja in Lohn und Brot der BayernLB.“Die „Spezl-Koalition“aus CSU und Freien Wählern (FW) habe offenbar „kein Interesse an Aufklärung“. Im März dieses Jahres machte der Affären-Reigen

seinen Anfang. Da nahm die Münchner Generalsta­atsanwalts­chaft ihre Ermittlung­en auf gegen zwei Abgeordnet­e wegen Korruption­sverdacht bei millionens­chweren Maskendeal­s zwischen Firmen und verschiede­nen Ministerie­n von Bund und Freistaat. Ermittelt wird seitdem gegen die jeweils aus dem bayerisch-schwäbisch­en Günzburg kommenden CSU-Abgeordnet­en Alfred Sauter – er sitzt im Landtag – und Georg Nüßlein, der ein Bundestags­mandat hat. Beide bestreiten die Vorwürfe.

Die beiden sind auch geschäftli­ch miteinande­r verbandelt. Sauter ist Rechtsanwa­lt, er betreibt eine einträglic­he Kanzlei gemeinsam mit dem bekannten Ex-CSU-Politiker Peter Gauweiler. Durch massiven Druck aus der Partei gab Sauter verschiede­ne Ämter auf und lässt sein Mandat ruhen. Nüßlein wiederum bietet Beratungsd­ienste an. Er hat die CSU verlassen, behält aber sein

Mandat in Berlin bis zur Bundestags­wahl.

Sauter und Nüßlein sollen Dienste für den hessischen Maskenverk­äufer Lomotex geleistet haben. Vermittelt wurden Aufträge für drei Bundesund Landesmini­sterien. Beide sollen dafür je 1,2 Millionen Euro von der Firma erhalten haben – bei Nüßlein waren demzufolge bis zum Auffliegen nur 660 000 Eruo angekommen.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) äußerte im Juni schwere Vorwürfe gegen Nüßlein: Er sei davon ausgegange­n, so soll Spahn den Ermittlern gesagt haben, dass sich Nüßlein als Abgeordnet­er engagiere und dafür kein zusätzlich­es Geld erhalte.

Auch gelangten Informatio­nen über andere Maskenverk­äufe an die Öffentlich­keit. So hat sich die CSUEuropaa­bgeordnete Monika Hohlmeier für ihre Freundin Andrea Tandler bei einem Maskengesc­häfte eingesetzt. Hohlmeier ist Tochter des CSU-Ahnenvater­s Franz Josef Strauß, Tandler von Ex-CSU-Politiker Gerold Tandler.

Hohlmeier hat kein Geld erhalten, Andrea Tandler laut Berichten eine zweistelli­ge Euro-Millionens­umme. Verkäufer der Masken waren zwei Schweizer Junguntern­ehmer. Ermittlung­en wurden aber jüngst eingestell­t. Als Folge der Affären hat sich die CSU-Landtagsfr­aktion für wesentlich schärfere Regeln bei Nebeneinkü­nften ausgesproc­hen.

Der Untersuchu­ngsausschu­ss soll Anfang kommenden Jahres seine Arbeit aufnehmen. Auf 16 Seiten hat die Opposition schon einen Fragenkata­log vorgelegt – über vielerlei Verträge, Provisione­n, Vermittlun­gen.

Das von dem CSU-Politiker Klaus Holetschek geführte Gesundheit­sministeri­um will sich, so ein Sprecher, allen Fragen stellen. Allerdings halte es den Ausschuss „nicht für geboten“.

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FOTO: ROLF POSS/IMAGO IMAGES CSU-Poltiker unter Verdacht: Alfred Sauter, Ex-Justizmini­ster im Freistaat.

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