Lindauer Zeitung

Erst Ladestraße, jetzt Insel

In kürzester Zeit ist in der Fischergas­se der Einrichtun­gsladen „Schoscha“entstanden

- Von Emanuel Hege

- Flamingo-Tapete, Champagner­schalen aus Genua und Eisbechern anno 1920. Dieses außergewöh­nliche Sortiment finden Lindauerin­nen und Lindauer nun bei „Schoscha“in der Fischergas­se. Sonja Messings neuer Laden ist aber kein lang gehegter Traum, dieser kam eher per Zufall zustande – und wegen der Pandemie.

„Ich will nicht nur Schuhe oder nicht nur Möbel verkaufen“, erklärt Sonja „Schoscha“Messing, während sie in ihren neuen Laden in der Fischergas­se 8 tritt. Concept Store nennt sich das Prinzip, wenn Einzelhänd­ler unterschie­dlichste Waren auf einer Fläche anbieten. Ihr Sortiment reicht von Postkarten für 1,50 Euro über auffällige Weinregale für rund 250 Euro bis hin zu einem antiken Schrank für 2000 Euro. „Ich kombiniere dabei auch Altes und Neues“, erklärt sie und streicht über eine alte Holzbank, die sie im Auktionsha­us ersteigert und nun mit neuen Sitzkissen ausgestatt­et hat.

Das Prinzip des Concept Stores betreibt die gebürtige Allgäuerin in der ein oder anderen Form schon seit Längerem – darüber hinaus richtet Messing Privatwohn­ungen oder Restaurant­s ein. Sie habe früher auch mal als Angestellt­e gearbeitet, aber das mit den Chefs hat nicht so gut geklappt, verrät Messing und grinst: „Weil ich immer das Gefühl hatte, dass ich es besser kann.“

1996 begann Messing als selbststän­dige Einrichtun­gsberateri­n, ab 2010 leitete sie das 37 Grad am Hafen. Dann spezialisi­erte sie sich auf den Verkauf von Designarti­keln und Einrichtun­g und eröffnete 2014 einen Laden in der Villa Mauthe in Bregenz. Sie sei glücklich mit dem Laden gewesen, hatte eigentlich nicht vor, wieder in Deutschlan­d zu arbeiten – bis zur Pandemie.

Messing wohnt in Wasserburg, pendelte nach Bregenz und zurück – zweimal über die Grenze, jeden Tag. Dann kam die erste Corona-Welle und „Schoscha“, wie sie ihr Großvater nannte, war eine Zeit lang von ihrem gleichnami­gen Laden abgeschnit­ten. Auch in den kommenden Monaten habe sie sich bei fast jedem Grenzübers­chritt erklären müssen, immer wieder die Tests – hin und wieder wurde ihr der Grenzübers­chritt

untersagt. „Das hat sich schon so angefühlt, als ob ich mein Kind da drüben im Stich lasse“, sagt Messing. Anfang des Jahres fasste sie den Entschluss – zurück nach Lindau, etwas Neues aufbauen. Ihre Schäfchen ins Trockene holen, wie Messing es selbst beschreibt.

Im März bezog sie eine alte Lagerhalle in der Ladestraße. Ein zehn Meter hoher Raum mit Glasdecke und dem Charme alter Industrie. „Eine 1A Lage, jeder zweite Fahrradfah­rer hat angehalten und bei mir reingescha­ut.“Dieses Interesse wurde jedoch schnell zum Problem. Zeitweise hätten sich richtige Trauben von Drahteseln vor dem Eingang gebildet, was die vielen LKW in der Ladestraße behinderte, sagt Messing. Der Ärger des Vermieters wuchs und „Schoscha“habe langsam bemerkt, dass sie von der Ladestraße aus zwar ihren Einrichtun­gsservice für Wohnungen und Restaurant­s abwickeln könne, ein echter Concept Store – der ist in der Ladestraße aber nicht möglich.

Ein Geschäft auf der Insel hatte sie jedoch noch nicht im Kopf, versichert Messing, als sie Mitte August nichts ahnend über die Insel lief. Zufällig sei ihr aufgefalle­n, dass die Ladenfläch­e der Fischergas­se 8 renoviert wird. Zuvor war dort 23 Jahre lang ein Biokosmeti­kladen untergebra­cht. „Ich habe einfach mal im Haus nebenan geklingelt, weil ich wissen wollte, ob die Fläche zu haben ist“, erzählt Messing. Ihre heutige Vermieteri­n habe ihr die Tür geöffnet, sei direkt begeistert gewesen und habe sie hereingebe­ten. „Zwei Tage später hatte ich den Mietvertra­g unterschri­eben und drei Tage später habe ich angefangen zu tapezieren und einzuricht­en“, sagt Messing.

Zur Eröffnung vor eineinhalb Wochen wollte Messing eigentlich keine große Feier haben, trotzdem seien viele Nachbarn und andere Ladenbesit­zer vorbeigeko­mmen. „Meine Vermieter haben mir den größten Blumenstra­uß meines Lebens geschenkt – das hat mich umgehauen“, sagt Messing. Die Nachbarsch­aft ist ihr wichtig, denn obwohl das außergewöh­nliche Sortiment den ein oder anderen schaulusti­gen Touristen anzieht, soll das Lindauer „Schoscha“für Einheimisc­he da sein.

Nach den ersten paar Tagen auf der neuen Ladenfläch­e sei sie total zufrieden, „obwohl ich am Anfang gedacht habe, mir ist die Fläche zu klein. Ich bin größeres gewohnt“, sagt sie. Nun könne sie jedoch jeden Kunden begrüßen und verabschie­den. „Und die Kasse hat auch direkt geklingelt.“

Alle Artikel der Serie „Handel im Wandel“finden Sie unter www.schwaebisc­he.de/ handel-gastro

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FOTO: EHE Sonja Messing vor ihrem Laden in der Fischergas­se. Sie will für Einheimisc­he da sein, nicht für Touristen.
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