Erst Ladestraße, jetzt Insel
In kürzester Zeit ist in der Fischergasse der Einrichtungsladen „Schoscha“entstanden
- Flamingo-Tapete, Champagnerschalen aus Genua und Eisbechern anno 1920. Dieses außergewöhnliche Sortiment finden Lindauerinnen und Lindauer nun bei „Schoscha“in der Fischergasse. Sonja Messings neuer Laden ist aber kein lang gehegter Traum, dieser kam eher per Zufall zustande – und wegen der Pandemie.
„Ich will nicht nur Schuhe oder nicht nur Möbel verkaufen“, erklärt Sonja „Schoscha“Messing, während sie in ihren neuen Laden in der Fischergasse 8 tritt. Concept Store nennt sich das Prinzip, wenn Einzelhändler unterschiedlichste Waren auf einer Fläche anbieten. Ihr Sortiment reicht von Postkarten für 1,50 Euro über auffällige Weinregale für rund 250 Euro bis hin zu einem antiken Schrank für 2000 Euro. „Ich kombiniere dabei auch Altes und Neues“, erklärt sie und streicht über eine alte Holzbank, die sie im Auktionshaus ersteigert und nun mit neuen Sitzkissen ausgestattet hat.
Das Prinzip des Concept Stores betreibt die gebürtige Allgäuerin in der ein oder anderen Form schon seit Längerem – darüber hinaus richtet Messing Privatwohnungen oder Restaurants ein. Sie habe früher auch mal als Angestellte gearbeitet, aber das mit den Chefs hat nicht so gut geklappt, verrät Messing und grinst: „Weil ich immer das Gefühl hatte, dass ich es besser kann.“
1996 begann Messing als selbstständige Einrichtungsberaterin, ab 2010 leitete sie das 37 Grad am Hafen. Dann spezialisierte sie sich auf den Verkauf von Designartikeln und Einrichtung und eröffnete 2014 einen Laden in der Villa Mauthe in Bregenz. Sie sei glücklich mit dem Laden gewesen, hatte eigentlich nicht vor, wieder in Deutschland zu arbeiten – bis zur Pandemie.
Messing wohnt in Wasserburg, pendelte nach Bregenz und zurück – zweimal über die Grenze, jeden Tag. Dann kam die erste Corona-Welle und „Schoscha“, wie sie ihr Großvater nannte, war eine Zeit lang von ihrem gleichnamigen Laden abgeschnitten. Auch in den kommenden Monaten habe sie sich bei fast jedem Grenzüberschritt erklären müssen, immer wieder die Tests – hin und wieder wurde ihr der Grenzüberschritt
untersagt. „Das hat sich schon so angefühlt, als ob ich mein Kind da drüben im Stich lasse“, sagt Messing. Anfang des Jahres fasste sie den Entschluss – zurück nach Lindau, etwas Neues aufbauen. Ihre Schäfchen ins Trockene holen, wie Messing es selbst beschreibt.
Im März bezog sie eine alte Lagerhalle in der Ladestraße. Ein zehn Meter hoher Raum mit Glasdecke und dem Charme alter Industrie. „Eine 1A Lage, jeder zweite Fahrradfahrer hat angehalten und bei mir reingeschaut.“Dieses Interesse wurde jedoch schnell zum Problem. Zeitweise hätten sich richtige Trauben von Drahteseln vor dem Eingang gebildet, was die vielen LKW in der Ladestraße behinderte, sagt Messing. Der Ärger des Vermieters wuchs und „Schoscha“habe langsam bemerkt, dass sie von der Ladestraße aus zwar ihren Einrichtungsservice für Wohnungen und Restaurants abwickeln könne, ein echter Concept Store – der ist in der Ladestraße aber nicht möglich.
Ein Geschäft auf der Insel hatte sie jedoch noch nicht im Kopf, versichert Messing, als sie Mitte August nichts ahnend über die Insel lief. Zufällig sei ihr aufgefallen, dass die Ladenfläche der Fischergasse 8 renoviert wird. Zuvor war dort 23 Jahre lang ein Biokosmetikladen untergebracht. „Ich habe einfach mal im Haus nebenan geklingelt, weil ich wissen wollte, ob die Fläche zu haben ist“, erzählt Messing. Ihre heutige Vermieterin habe ihr die Tür geöffnet, sei direkt begeistert gewesen und habe sie hereingebeten. „Zwei Tage später hatte ich den Mietvertrag unterschrieben und drei Tage später habe ich angefangen zu tapezieren und einzurichten“, sagt Messing.
Zur Eröffnung vor eineinhalb Wochen wollte Messing eigentlich keine große Feier haben, trotzdem seien viele Nachbarn und andere Ladenbesitzer vorbeigekommen. „Meine Vermieter haben mir den größten Blumenstrauß meines Lebens geschenkt – das hat mich umgehauen“, sagt Messing. Die Nachbarschaft ist ihr wichtig, denn obwohl das außergewöhnliche Sortiment den ein oder anderen schaulustigen Touristen anzieht, soll das Lindauer „Schoscha“für Einheimische da sein.
Nach den ersten paar Tagen auf der neuen Ladenfläche sei sie total zufrieden, „obwohl ich am Anfang gedacht habe, mir ist die Fläche zu klein. Ich bin größeres gewohnt“, sagt sie. Nun könne sie jedoch jeden Kunden begrüßen und verabschieden. „Und die Kasse hat auch direkt geklingelt.“
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