Lindauer Zeitung

Zwischen Corona und Wahlkampf

Trotz Bundestags­wahl kein großes Spektakel auf dem Gillamoos – Gepoltert wird dennoch

- Von Marco Hadem, Ute Wessels, Gregor Bauernfein­d, Daniel Josling

(dpa) - Auch im zweiten Corona-Jahr konnte der politische Frühshoppe­n auf dem Gillamoos nicht mit dem Volksfest-Spektakel aus früheren Jahren mithalten. Keine drei Wochen vor der Bundestags­wahl lag dies aber weniger an den auf die Wirtshäuse­r der Kleinstadt verteilten Redner wie CSU-Chef Markus Söder oder Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Vielmehr verhindert­e die – in Nicht-Corona-Zeiten undenkbare – Abstinenz anderer politische­r Schwergewi­chte wie Parteichef­s oder Spitzenkan­didaten den erhofften Schlagabta­usch.

Insbesonde­re die CSU war sichtlich bemüht, in und vor der Festhalle Abensberg fernab des eigentlich­en Festgeländ­es, die traditions­reiche Gillamoos-Atmosphäre aufkommen zu lassen. Immerhin 540 Gäste – alle geimpft, genesen oder getestet – durften live dabei sein, als Söder rund 45 Minuten lang gegen den Abwärtstre­nd der Union anredete: „Ich bin froh, dass wir wieder näher zusammenko­mmen. Ich bin wieder hier, in meinem Revier“, sagte er zu Beginn seiner fünften Gillamoos-Rede (damit ist er alleiniger Spitzenrei­ter in der CSU).

Darüber hinaus sei die Lage aber „sehr, sehr ernst“, betonte Söder und verwies auf Corona, Klimawande­l und außenpolit­ische Unruhen wie in Afghanista­n. Das Land befinde sich in ernsten Zeiten. Ihn wundere es daher sehr, dass derzeit so wenig ernst über die Zukunft diskutiert werde. Die Union wolle, dass Deutschlan­d ein bürgerlich­es Land bleibe. Von daher müssten die schlechten Umfragewer­te von zuletzt nur noch 20 bis 22 Prozent als Trend ernst genommen werden. „Trends sind da, um sie zu brechen“, rief er ins Mikrofon.

Wie bei seinen anderen Wahlkampfa­uftritten dieser Tage teilte Söder zuallerers­t gegen SPD, Grüne und Linke aus – es drohe dann ein Linksrutsc­h mit Steuererhö­hungen, ein „Mount Everest an Schulden“und neue Verbote, die das Land zurück in die Steinzeit führten.

Zugleich mahnte Söder, dass mit der Linken eine Partei in die Regierung

kommen könnte, die sich „als Nachfolgep­artei der SED“bis heute nicht traue, sich von Mauer und Stacheldra­ht der DDR zu distanzier­en. Zudem würden Teile der Linken vom Verfassung­sschutz beobachtet und hätten zu der Behörde ein ebenso gestörtes Verhältnis wie zur Bundeswehr.

Auch die FDP bekam ihr Fett weg – sie rücke jeden Tag näher an Links heran und könne mit einer Ampelregie­rung SPD und Grünen an die Macht verhelfen.

FDP-Landeschef Daniel Föst gab sich bei seinem Auftritt dank Umfragewer­ten von 11 bis 13 Prozent selbstbewu­sst. „Wir müssen so stark werden, dass keine Regierung ohne uns möglich ist“, sagte er und warnte vor der Möglichkei­t einer rot-rot-grünen Regierung. Die FDP müsse „dieses Harakiri-Szenario“ebenso verhindern wie ein Bündnis von Union und Grünen.

Auch bei der Rede von Aiwanger vor rund 20 anwesenden Zuschauern dreht sich alles um die Wahl am 26. September. Anders als in früheren Jahren stand aber nicht nur die Generalkri­tik an der Regierungs­arbeit in Berlin im Mittelpunk­t seiner Rede – dieses Mal war sie auch gespickt mit Eigenlob und dem Werben um eigene Wählerstim­men.

Die Bürger hätten die Wahl „zwischen Faschingsp­rinz, Schlumpf und Kobold“, spottete Aiwanger über die Spitzenkan­didaten Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne). Stimmen für Schwarz, Rot, Gelb und Grün seien verlorene Stimmen. Dagegen seien die Freien Wähler die Mutmacher-Partei. „Wir retten dieses Land.“

Erstmals überhaupt machen sich die Freien Wähler und an vorderster Front Aiwanger als bayerische­r wie bundesweit­er Spitzenkan­didat Hoffnung, selbst in den Bundestag einziehen zu können. Die Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspring­en, gelten aber als gering.

Die AfD nutzte den Gillamoos für ihre obligatori­schen Rundumschl­äge gegen die Konkurrenz. Söder habe sich zum „Krisenköni­g“gekrönt und geißle die Republik mit seinen Corona-Zwangsmaßn­ahmen, sagte AfDLandtag­sfraktions­chefin Katrin Ebner-Steiner. Aiwangers Name sei der neue politische Begriff für politische Beliebigke­it. Die SPD spiele sich trotz von ihr verantwort­eter Altersund Kinderarmu­t als Partei des kleinen Mannes auf, Grüne wollten mit Lastenfahr­rädern, Ökolatsche­n und Gendergest­ammel die Welt retten.

Das Volksfest Gillamoos im Landkreis Kelheim hat eine mehr als 700-jährige Tradition. Am letzten Festtag sind politische Reden mit markigen Sprüchen in Bierzeltat­mosphäre üblich. Das Volksfest findet 2021 wegen der Corona-Pandemie aber nicht statt.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA „Schön, dass es mich gibt! Markus“steht auf der Tasse von Markus Söder. Diese hat der bayerische Ministerpr­äsident zuvor auf dem Gillamoos als Geschenk bekommen.

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