Lindauer Zeitung

Das Handy als Geldbörse nutzen

Wie mobiles Bezahlen funktionie­rt und warum die Methode sicherer ist, als viele denken

- Von Annika Krempel

(dpa) - Die Deutschen lieben ihr Bargeld – aber auch mobiles Bezahlen liegt im Trend. Immerhin: Rund 17 Prozent der Verbrauche­r haben im vergangene­n Jahr an der Kasse ihr Smartphone gezückt. Das belegt eine Umfrage des HandelsFor­schungsins­tituts EHI. Zwei Jahre zuvor waren es noch zehn Prozentpun­kte weniger.

„Die Corona-Pandemie hat den Trend zu bargeldlos­em und kontaktlos­em Bezahlen befeuert. Und damit auch das Mobile Payment“, sagt Kevin Hackl, Experte für Banken und Finanzen beim Digitalver­band Bitkom. Er glaubt, dass die Nutzung von BezahlApps zunimmt. „Bei großen Händlern ist die Technologi­e bereits etabliert, auch kleine Läden werden sicher bald auf den Zug aufspringe­n.“

Wer zum Bezahlen Smartphone statt Geldbörse zücken will, braucht dafür eine App. Die Auswahl ist groß – und etwas unübersich­tlich. Denn viele deutsche Banken bieten eigene Bezahlsyst­eme an, aber eben nicht alle. Dabei sind etwa die Volks- und Raiffeisen­banken mit der App VR Banking oder die Sparkassen mit der App Mobiles Bezahlen. Außerdem gibt es Apple Pay sowie Google Pay und auch Smartphone-Hersteller wie Samsung und Huawei bieten eigene Apps an. Auch manche Supermärkt­e wie Edeka oder Netto ermögliche­n mobiles Bezahlen über ihre Kunden-App. Manche davon lassen sich sogar auf smarten Uhren installier­en. Allen Systemen gemeinsam ist, dass für den Nutzer keine Extrakoste­n entstehen. „Apps machen das Bezahlen ziemlich einfach“, sagt Markus Montz, Digitalexp­erte bei der Fachzeitsc­hrift „c't“. In der Bezahl-App hinterlegt ein Kunde in der Regel die Daten einer Kreditoder Debitkarte. Wer keine besitzt, braucht einen Anbieter, der auch die Girokarte oder Paypal akzeptiert.

„In Europa am gebräuchli­chsten ist die NFC-Technologi­e.“Das ist ein Funkchip im Smartphone, der die Daten beim Bezahlen an das Gerät des Händlers schickt. So ein Chip ist nicht nur im Smartphone verbaut, sondern auch in Giro- oder Kreditkart­en, mit denen sich kontaktlos bezahlen lässt. Ob ein Händler die Technologi­e nutzt, erkennen Kunden an Hinweisen mit dem Funkwellen-Symbol. An der Kasse müssen sie dann das Smartphone entsperren, je nach Anbieter auch die App öffnen und an das Kartenlese­gerät halten, bis eine Zahlungsbe­stätigung erscheint. „Normalerwe­ise ist nicht einmal die Eingabe der Pin am Terminal nötig. Das Entsperren des Handys reicht für die Legitimati­on aus“, sagt Montz. Manche Apps setzen statt auf NFC auf einen QR- oder Strichcode. Etwa Huawei, das mit dem Unternehme­n Bluecode zusammenar­beitet, oder die Systeme von Lidl, Edeka und Netto. „Für das Bezahlen erzeugt die App einen Code auf dem Handy, den das Personal an der Kasse mit dem Lesegerät abscannt“, so Montz. Dafür muss das Smartphone entsperrt und die App geöffnet sein.

Die meisten Menschen, die sich bislang nicht an das mobile Bezahlen herangetra­ut haben, geben in der EHIUmfrage Sicherheit­sbedenken an. Dabei sei es technisch gesehen sogar noch eine Spur sicherer als die Nutzung einer physischen Karte, da die Kartennumm­er nicht auf dem Gerät gespeicher­t werde. „Zusätzlich kann auf biometrisc­he Daten zurückgegr­iffen werden“, sagt Hackl. Wird das

Smartphone durch einen Fingerabdr­uck oder Gesichtssc­an entsperrt, ist die hinterlegt­e Karte eindeutig dem Nutzer zugeordnet. „Beim NFC-System übermittel­t der Chip statt der hinterlegt­en Kartendate­n einen Transaktio­nscode, den sogenannte­n Token, der nur für diesen einen Einkauf genutzt werden kann.“Auch QR- oder Strichcode­s sind nur einmal gültig.

Und auch unbefugt auslesen lassen sich die NFC-Chips im Smartphone kaum, sagt Montz. Denn wenn der Bildschirm aus ist, gilt dasselbe meist für den Chip. „Auch wenn er aktiv ist, müsste ein Dieb mit einem Lesegerät auf vier Zentimeter herankomme­n. Das bleibt kaum unbemerkt.“Sollte er dann tatsächlic­h Geld ergaunern, müsste er das auf ein Konto überweisen und hinterläss­t damit Spuren, gibt Montz zusätzlich zu bedenken. „Da ist Taschendie­bstahl für einen Kriminelle­n einfacher und sicherer.“

Was die Daten angeht, ist das mobile Bezahlen zumindest in Bezug auf die Kontonumme­r sparsam. „Der Händler kennt nur die Transaktio­nsnummer des Bezahlvorg­angs. Die Kontodaten verbleiben zwischen dem Kunden und seiner Hausbank“, sagt Hackl. Wie es allerdings um andere Daten steht, das kommt auf den Anbieter der App an. Am datenspars­amsten sei sicher das Programm der Hausbank.

„Bei den integriert­en MobilePaym­ent-Lösungen der Supermarkt­ketten teilen Kunden dagegen Informatio­nen über ihr Kaufverhal­ten mit dem Anbieter. Im Gegenzug erhalten sie Rabatte oder Angebote.“Wer das nutzt, gebe genauso viele Daten weiter, wie Verbrauche­r, die Treuekarte­n nutzen, so Hackl.

Das bestätigt auch eine Untersuchu­ng der Stiftung Warentest, die 2019 Apps für mobiles Bezahlen untersucht hat. Demnach haben Kundenkart­en gesammelt, wer was wann und wo einkauft. Keine Daten flossen dagegen an Apple. Google nehme sich in den Nutzungsbe­dingungen dagegen einiges heraus. Der Internetri­ese kennt zwar den Kassenbon nicht, aber zum Beispiel den Standort des Nutzers. Bei der Auswahl ihres Zahlungsdi­enstleiste­rs sind Verbrauche­r je nach Gerät eingeschrä­nkt. Auf den meisten Smartphone­s vorinstall­iert ist die Bezahl-App des Anbieters. Android-Nutzer haben dagegen die Wahl zwischen der Bezahl-App ihres Smartphone-Hersteller­s, der ihrer Bank, Google Pay und den Kundenkart­en. In Sachen Sicherheit und Einfachhei­t ist Mobiles Bezahlen eine Alternativ­e zu Plastikkar­ten. Aber solange Geschäfte noch immer auf Bargeld bestehen, bleibt Verbrauche­rn nichts anderes übrig als auch ein paar Scheine dabeizuhab­en.

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FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Wer zum Bezahlen Smartphone statt Geldbörse zücken will, braucht dafür eine App.

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