Anzeige gegen Aldi, Lidl, Hugo Boss und C&A
Deutsche Textilhändler sollen durch ihre Geschäfte in China zur Versklavung von Uiguren beigetragen haben
- Die Auseinandersetzung um Wirtschaftspolitik verläuft zunehmend auf der juristischen Ebene. Kürzlich schalteten Umweltverbände das Bundesverfassungsgericht ein, um Autoherstellern die Produktion klimaschädlicher Fahrzeuge verbieten zu lassen. Nun stehen fünf große Textilhändler im Fokus: Bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ist eine Strafanzeige gegen Aldi Nord und Süd, C&A, Hugo Boss und Lidl wegen Zwangsarbeit in China eingegangen. Die Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück.
Betrieben wird die Anzeige vom in Berlin ansässigen Zentrum für Verfassungsund Bürgerrechte (ECCHR). Sie richtet sich gegen Leitungspersonal
der Firmen, das unter anderem für den Einkauf von Textilien in China verantwortlich war. ECCHR-Juristin Miriam Saage-Maaß formuliert den Verdacht, die Manager und Managerinnen hätten Beihilfe zur „Versklavung“und „Zwangsarbeit“von Beschäftigten geleistet, „indem sie teils direkte Lieferbeziehungen zu in der autonomen Region Xinjiang ansässigen Textilunternehmen“organisierten. Die Anzeige basiert auf dem hiesigen, seit 2002 gültigen Völkerstrafgesetzbuch, das Menschenrechtsverletzungen im Ausland unter Strafe stellt.
Xinjiang ist eine Provinz im Nordwesten Chinas, die unter anderem an Kasachstan grenzt. Aus der Ethnie der dort lebenden muslimischen Uiguren gibt es seit Langem Widerstand
gegen die chinesische Herrschaft, 2014 wurden tödliche Attentate verübt. Seitdem reagiert die Zentralregierung in Peking mit harter Repression. Nach Angaben westlicher Kritiker gehören dazu Internierungsund Umerziehungslager, sowie Zwangsarbeit auf Baumwollfeldern und in Textilfabriken. China stellt seine Politik als wirtschaftliche Modernisierung, Ausbildung der ländlichen Bevölkerung und Armutsbekämpfung dar.
Etwa ein Fünftel der weltweit verwendeten Baumwolle stammt mittlerweile aus Xinjiang. Deshalb waren oder sind viele europäische Bekleidungshersteller dort engagiert. In der Anzeige heißt es nun, auch Aldi, C&A, Hugo Boss und Lidl hätten auf die eine oder andere Art zumindest in der Vergangenheit in Xinjiang produzieren lassen, obwohl sie von den Menschenrechtsverletzungen wissen mussten. Saage-Maaß und ihr Team nennen eine Anzahl chinesischer Textilhersteller und schildern detailliert deren Auftragsbeziehungen zu den deutschen Unternehmen.
In Stellungnahmen an die Anzeigenden erklärten Aldi Nord und Süd, seit Ende 2019 keine Lieferbeziehungen mehr in die Region zu pflegen. C&A will seit 2020 Lieferungen unterbunden haben, bei denen es mögliche Verbindungen nach Xinjiang gab. „Wir dulden weder Zwangsarbeit noch ungenehmigte Unteraufträge in unserer Lieferkette“, schrieb das Unternehmen. Lidl betonte, die Zusammenarbeit mit zwei umstrittenen Firmen sei eingestellt worden. Und Hugo
Boss stellt laut Text der Anzeige ab Oktober 2021 sicher, dass keine Produkte aus der Provinz mehr verwendet würden. „Wir tolerieren keinerlei Zwangs- oder Pflichtarbeit oder jegliche Form der modernen Sklaverei“, schrieb das Unternehmen.
Bei der Bundesanwaltschaft könnten nun komplizierte Ermittlungen folgen. Schwierig ist es unter anderem, die konkrete Beteiligung der beschuldigten Manager zu untersuchen. Die Unternehmen stecken derweil in einer Zwickmühle. Einerseits sollen sie deutsche, europäische und internationale Regeln befolgen, die hohe Arbeitsstandards festlegen.
Andererseits droht die chinesische Regierung ausländischen Firmen mit Repressalien für den Fall, dass sie Xinjiang boykottieren.