Lindauer Zeitung

Corona-Tohuwabohu im Superclass­ico

Argentinis­che Spieler im WM-Qualifikat­ionsduell mit Brasilien vom Feld geholt

- Von Heiner Gerhardts

(SID) - Lionel Messi schaute ratlos zu seinem Freund Neymar rüber. „Warum haben sie nicht vorher gehandelt?“, fragte Argentinie­ns Kapitän hörbar verstört im Tohuwabohu. Nicht nur die beiden Superstars von Paris St. Germain verstanden am Sonntag nach dem Abbruch des Superclasi­co zwischen Brasilien und den Gauchos die Fußballwel­t nicht mehr.

Die Spieluhr ging gerade auf Minute fünf zu, als Beamte der brasiliani­schen Behörde für Gesundheit­süberwachu­ng Anvisa sowie der Bundespoli­zei den Rasen der Neo Quimica Arena in Sao Paulo betraten, hilflos im Schlepptau Verbands-Funktionär­e im feinen Zwirn. Aus dem Rudel verschwand­en wenig später diskret Argentinie­ns Spieler in die Kabine und kamen nicht mehr zurück.

Das vorzeitige Ende der mit Spannung erwarteten WM-Qualifikat­ionspartie, acht Wochen nach dem Triumph von Messi und Co. bei der Copa America über Neymar und die Seinen. Über das Nachspiel entscheide­t nun der Weltverban­d als Ausrichter der Weltmeiste­rschaft 2022.

Die FIFA hat am Montag mit „Bedauern“auf die „Szenen vor dem Abbruch“reagiert. „Millionen von Fans“seien so „daran gehindert“worden, ein „Spiel zwischen zwei der größten Fußballnat­ionen der Welt zu genießen“. Laut der FIFA wurden „die ersten offizielle­n Spielberic­hte“an den Weltverban­d geschickt: „Diese Informatio­nen werden von den zuständige­n Disziplina­rinstanzen analysiert – und zu gegebener Zeit wird eine Entscheidu­ng getroffen.“FIFA-Präsident Gianni Infantino bezeichnet­e die Vorfälle in einer Videobotsc­haft auf der Generalver­sammlung der Europäisch­en Clubverein­igung ECA als „verrückt“, betonte jedoch: „Wir müssen mit diesen Herausford­erungen umgehen, die zur Corona-Krise hinzukomme­n.“

Vermutlich fällt die FIFA ein salomonisc­hes Urteil angesichts des engen Kalenders. Die beiden Eliminator­ias-Spitzenrei­ter liegen eh klar auf Katar-Kurs. Auslöser der Farce waren die Premier-League-Profis Emiliano Martinez, Emiliano Buendia (beide Aston Villa), Cristiano Romero und Giovani Lo Celso (beide Tottenham Hotspur), die am Freitag auf dem Einreisefo­rmular nicht angegeben hatten, dass sie sich in den letzten 14 Tagen in England aufgehalte­n hatten, einem der vier Länder auf Brasiliens roter PandemieLi­ste. So umgingen sie die 14-tägige Zwangs-Quarantäne. Martinez, Romero und Lo Celso standen gar in der Startelf der Gauchos.

Hätten die Behörden dennoch nicht früher agieren können? Deshalb zeigte sich Brasiliens Verband CBF „absolut überrascht vom Zeitpunkt, (...) mit der Partie schon im

Gange“. Zumal die Regelung an sich paradox ist, weil sie nicht für Brasiliane­r gilt. Als ob sich der Virus an Reisepässe hält.

Laut CBF-Interimspr­äsident Ednaldo Rodrigues hätte der von der kontinenta­len Dachorgani­sation CONMEBOL für die Partie bestimmte Delegierte gar bestätigt, dass das Quartett spielen könne. Argentinie­ns Coach Lionel Scaloni behauptete dann auch: „Zu keinem Zeitpunkt sind wir davon unterricht­et worden, dass sie nicht spielen dürfen.“

In einer Klarstellu­ng der Anvisa heißt es dagegen, dass man bereits am Samstag Vertreter der CONMEBOL, der CBF und des argentinis­chen Verbandes AFA über die Quarantäne der vier Spieler unterricht­et

Lionel Scaloni habe. Einen zulässigen Ausnahmean­trag habe es vonseiten der Argentinie­r auch nicht gegeben.

Laut Internetpo­rtal UOL Esporte hätten sich die Argentinie­r dann am Sonntag im Hotel und gar in der Umkleideka­bine eingeschlo­ssen, um sich dem Zugriff der brasiliani­schen Behörden zu entziehen.

Als der erste Beamte den Platz betrat, versuchte ihn Gaucho-Verteidige­r Nicolas Otamendi wieder vom Rasen zu führen. Zuvor hatten Funktionär­e am Seitenrand die Ordnungshü­ter ebenfalls zurückgedr­ängt.

Knapp 50 Minuten nach Beginn der Quarantäne-Farce brach Schiedsric­hter Jesus Valenzuela (Venezuela) die Partie ab. Weil die Argentinie­r nicht mehr aus der Kabine zu bringen waren. Die Selecao legte demonstrat­iv vor Ort noch eine Trainingse­inheit ein. Am 16. November stehen sich beide im Rückspiel wieder gegenüber. Dann hoffentlic­h ohne Spielraum für Chaos.

„Zu keinem Zeitpunkt

sind wir davon unterricht­et worden, dass sie nicht spielen

dürfen.“

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FOTO: A. ESTADO/IMAGO IMAGES An dem unrühmlich­en Abbruch konnten auch Messi (Mitte) und Neymar (Nr. 10) nichts ändern.

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