Lindauer Zeitung

Antworten statt Angstmache

- Von Stefan Kegel politik@schwaebisc­he.de

Wer den Wahlkampf verfolgt und wer auf die vergangene­n anderthalb Jahre zurückblic­kt, dem begegnet in der Politik immerfort ein Thema: Angst. Angst vor dem Coronaviru­s, Angst vor dem Klimawande­l, Angst vor Rot-Grün-Rot. Das Muster ist immer dasselbe. Es soll die Menschen zur Disziplin zwingen oder an die Wahlurnen treiben. Natürlich gehören Ängste zum Leben. Und auch in der Geschichte der Politik war das Heraufbesc­hwören von Ängsten stets Teil der Erlangung von Macht. Nicht zuletzt hat es auf diesem Ticket vor vier Jahren eine neue Partei in den Bundestag geschafft. Mit der Angst vor Migration wurde die AfD beim ersten Parlaments­einzug auf Anhieb die stärkste Opposition­sfraktion.

Das Problem besteht darin, dass Angst einem Gift ähnelt. Sie lähmt, und spaltet. Das gilt beim Klimawande­l, beim rot-grün-roten Gespenst oder bei der Migration. Und nichts braucht Deutschlan­d derzeit weniger als Lähmung oder Spaltung. Der Schlüssel zu Veränderun­gen liegt in einer Demokratie darin, die Mehrheit der Bevölkerun­g für bestimmte Ziele zu gewinnen. Und das gelingt am besten, indem man Menschen Chancen statt der Apokalypse ausmalt, ihnen Wege zeigt, die eigene Hilflosigk­eit zu überwinden und selbst etwas bewegen zu können. Sonst passiert es, dass sich die Angst auf unerwartet­en Wegen Bahn bricht. Seltsame Wahlergebn­isse sind davon nur eine Spielart.

Wenn jetzt also die Studie „Die Ängste der Deutschen“herausgefu­nden hat, dass die größte Sorge der Menschen hierzuland­e Wohlstands­verluste sind, dann sollte das die Parteien hellhörig machen. Denn offenbar wird den Menschen klar, dass die großen Ziele der Weltrettun­g – vor der Pandemie oder vor dem Klimakolla­ps – letztlich sie in ihrem alltäglich­en Leben werden bezahlen müssen, sei es per Steuererhö­hung oder durch steigende Preise. Diese Sorgen in eine positive Erzählung zu verwandeln, ist jetzt die Herausford­erung. Denn die Menschen erwarten von Politikern Antworten, die Zuversicht vermitteln. Ängste haben sie selbst schon genug.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany