Lindauer Zeitung

Weniger und kleinere Äpfel am Bodensee

Die Ernte fällt trotz Spätfrost im Frühjahr versöhnlic­h aus – Viele Obstbauern profitiere­n von Versicheru­ngspolicen

- Von Andreas Knoch

- Am Bodensee hat nun auch offiziell die Apfelsaiso­n begonnen. Zusammen mit Bayerns Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) und der baden-württember­gischen Staatssekr­etärin im Agrarminis­terium, Sabine Kurtz (CDU), haben die Obstbauern am Donnerstag auf dem Gelände der Landesgart­enschau in Lindau den Start der Apfelernte eingeläute­t.

Die etwa 1000 Betriebe von Lindau in Bayern über Tettnang, Ravensburg bis nach Stockach im Kreis Konstanz rechnen in diesem Jahr mit einer durchschni­ttlichen Ernte. In Zahlen heißt das: rund 257 000 Tonnen Äpfel. Die Qualität: gut bis sehr gut. Ein anspruchsv­olles Jahr sei es gewesen, ließ der Verein Obstregion Bodensee wissen. Die Einschränk­ungen aufgrund der Pandemie und vor allem die Witterungs­bedingunge­n hätten es den Obstbauern nicht leicht gemacht.

Dietmar Rist kann das bestätigen. Der Landwirt treibt in Meckenbeur­en (Bodenseekr­eis) in dritter Generation einen Obstbaubet­rieb um, und baut auf rund 15 Hektar Fläche Stein- und Kernobst an – Kirschen, Birnen und natürlich Äpfel. Seit Montag läuft bei ihm die Ernte des beliebten Kernobsts, und wie viele seiner Berufskoll­egen hat er auch in diesem Jahr mit Frostschäd­en zu kämpfen.

Rückblick: In der zweiten Aprilwoche, in den Nächten vom 6. bis zum 9. April, waren die Temperatur­en deutlich unter Null gesackt und hatten bei den Obst- und Weinbauern im Südwesten erhebliche Schäden an der Blüte verursacht. Sachverstä­ndige der Vereinigte­n Hagelversi­cherung kamen bei Rist damals zu dem Ergebnis, dass nur 20 bis 25 Prozent der Apfelblüte­n in seinen Kulturen überlebt hatten. Auch bei Kirschen und Birnen sah es nicht besser aus.

Bei idealen Witterungs­bedingunge­n im weiteren Jahresverl­auf hätte diese Quote für einen normalen Ernteertra­g ausgereich­t. Dann müssten jetzt 100 bis 120 Äpfel an jedem Baum hängen. Doch diese Idealbedin­gungen stellten sich nicht ein. Nach der Blüte, in der für die spätere Fruchtgröß­e wichtigen Zellteilun­gsphase, war es laut Rist zu kalt. Die Folge: Zu wenig Zellen und zu kleine Früchte. „Bei der Sorte Elstar sieht man das ganz deutlich. Da sind die Früchte kleiner als im Vorjahr“, sagt Rist. Bei

Jonagold sei der Behang sehr schwach, der Frostschad­en folglich sehr hoch. Bei Jonagored hingegen hingen die Bäume voll.

Wie sich das alles im Ergebnis niederschl­ägt, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch offen, sagt Rist. Zum einen sei die Preisentwi­cklung noch nicht absehbar. Und zum anderen bekomme er einen Teil des Frostschad­ens durch die Vereinigte Hagelversi­cherung erstattet. Denn Landwirt Rist ist einer von 1290 Obst- und Weinbauern in BadenWürtt­emberg, die im vergangene­n Jahr beim Pilotproje­kt „Ertragsver­sicherung Obst- und Weinbau“teilgenomm­en und eine Police gegen Wetterrisi­ken

wie Starkfrost, Sturm und Starkregen abgeschlos­sen haben.

Nach den verheerend­en Frostnächt­en im Frühjahr 2017, die den Landwirten im Südwesten erhebliche Ernteausfä­lle gebracht und das Land rund 50 Millionen Euro an Soforthilf­en gekostet haben, hatte sich Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) für eine Kofinanzie­rung bei Ein- und Mehrgefahr­enversiche­rungen im Obst- und Weinbau stark gemacht. Erstmals im vergangene­n Jahr konnten Landwirte Zuschüsse von 50 Prozent der Versicheru­ngsprämie beantragen, woraufhin die Assekuranz entspreche­nde Versicheru­ngsprodukt­e entwickelt­e und

Deckungszu­sagen vor allem Frostrisik­en gab.

Vor zwei Wochen waren die Sachverstä­ndigen der Vereinigte­n Hagelversi­cherung zum Endgutacht­en auf Rists Flächen. Von den rund 20 versichert­en Parzellen stellten sie Frostschäd­en zwischen 15 und 90 Prozent fest. Die Auszahlung der entspreche­nden Versicheru­ngssumme sollte, abzüglich des vereinbart­en Selbstbeha­lts von 20 Prozent, „in den nächsten zwei Monaten über die Bühne gehen“, hofft Rist.

Profitabel ist das für die Assekuranz bislang nicht. „Die Frostschäd­en machen uns Kopfzerbre­chen“, gesteht Hans-Ulrich Eppler, Bezirksdir­ektor

für

Baden-Württember­g bei der Vereinigte­n Hagelversi­cherung, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Infolge der Frostnächt­e im April hätten die Obstbauern im Bodenseera­um knapp 1100 Hektar an Kernobst – hauptsächl­ich Apfel – bei dem Spezialver­sicherer als geschädigt gemeldet. Das werde auf Entschädig­ungszahlun­gen im Volumen von acht bis zehn Millionen Euro hinauslauf­en. Schon 2020 sei ähnlich schadenträ­chtig gewesen. In den vergangene­n fünf Jahren, so Eppler, habe es drei schwere Frostjahre gegeben.

Was das für die Versicheru­ngsprämien bedeutet, die die Landwirte zahlen müssen, ließ Eppler offen. „Wir machen uns Gedanken“, sagte der Manager. Beschlosse­n sei eine Erhöhung aber noch nicht. Im April betonte Unternehme­nschef Rainer Langner im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, trotz des schadenträ­chtigen Starts in Deutschlan­d weiterhin Deckungszu­sagen für Frostschut­zrisiken geben zu wollen. Er machte aber deutlich, dass das auch vom Engagement von Bund und Ländern abhängt und verwies auf die Praxis in anderen EU-Staaten, wo bis zu 70 Prozent der Versicheru­ngsprämien aus nationalen Fördertöpf­en beglichen werden.

Dietmar Rist und viele andere Obstbauern in der Bodenseere­gion jedenfalls sind froh, dass es Versicheru­ngslösunge­n gegen Frostrisik­en gibt. Er habe einen Fünfjahres­vertrag abgeschlos­sen und wolle dabeibleib­en, sagt der Landwirt. Denn damit sei die wichtigste Einnahmequ­elle seines Betriebs abgesicher­t. Das lasse ihn „ruhiger schlafen“. Schließlic­h gab es in den vergangene­n Jahren kaum ein Frühjahr ohne Spätfröste. Und Meteorolog­en gehen davon aus, dass die Häufigkeit in den kommenden Jahren eher zu- als abnimmt.

Auf dieses Problem gingen am Donnerstag in Lindau auch Michaela Kaniber und Sabine Kurtz ein. Für Spätfröste brauche es einerseits technische Lösungen wie Beregnungs­anlagen, aber auch Versicheru­ngsleistun­gen, sagte die bayerische Landwirtsc­haftsminis­terin. Sowohl Bayern als auch Baden-Württember­g bezuschuss­en die Prämien für Mehrgefahr­enversiche­rungen mit 50 Prozent. Nun will der Süden in Berlin und Brüssel dafür werben, dass solche Förderprog­ramme für ganz Deutschlan­d eingeführt werden.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Äpfel der Sorte Elstar im Großmarkt Salem-Frucht in einer Wasserstra­ße: Die rund 1000 Obstbaubet­riebe am Bodensee rechnen mit einer Apfelernte von 257 000 Tonnen in diesem Jahr.
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