Lindauer Zeitung

Besuch beim Kalifen

Córdoba war einst die Hauptstadt von al-Andalus – In der Stadt ist das maurische Erbe noch heute lebendig

- Von Ulrich Mendelin

Die Brüder Manuel und Angel Cerezo sind die letzten ihrer Art. An Manuels kleinem Werkstattg­eschäft läuft man schnell vorbei, die Gassen im ehemaligen jüdischen Viertel von Córdoba sind eng und verwinkelt. „Plateria Califat“steht über dem Eingang der Silberschm­iede, in der Manuel hinter einer Schutzsche­ibe sitzt, in der einen Hand eine Pinzette, in der anderen einen Brenner. Damit bearbeitet er ein winziges silbernes Sternchen, das einmal Teil von einem Schmuckstü­ck werden soll, von einer Halskette oder einem Armband. „Wir arbeiten genau wie zu maurischen Zeiten, nur dass sie damals keine Gasflasche neben dem Tisch stehen hatten“, sagt Cerezo und zeigt auf die Flasche, an die sein handbetrie­bener Brenner angeschlos­sen ist. Die Größe der Flamme steuert der Silberschm­ied mit einem Schlauch, dessen Ende er im Mund hält – pustet er hinein, wird die Flamme intensiver und lässt die dünnen Silberfäde­n vor ihm auf dem Tisch zu einem fein ziselierte­n Muster verschmelz­en.

Die Kunststück­e, die Manuel und sein Bruder Angelo, der ein paar Straßen weiter seine eigene Werkstatt betreibt, hier herstellen, gibt es so nur in Córdoba. „Hier war die Hauptstadt des Kalifats, hier waren die reichsten Kunden“, erläutert Cereso. Im 10. Jahrhunder­t war die andalusisc­he Stadt eine der größten Städte der damals bekannten Welt; eine halbe Million Menschen sollen hier gelebt haben: Muslime, Christen und Juden gemeinsam unter der Herrschaft der arabischen Umayyaden-Dynastie. Meist war das Zusammenle­ben friedlich – der ehemalige US-Präsident Barack Obama hob Córdoba in seiner Rede an die islamische Welt, die er 2009 in Kairo hielt, ausdrückli­ch als positives Beispiel für das gedeihlich­e Zusammenle­ben der Weltreligi­onen hervor.

Vor allem aber war die Zeit des Kalifats, das den größten Teil Spaniens umfasste, eine Blütezeit für die kulturelle Entwicklun­g von Córdoba. Silberschm­iede waren damals in Córdoba vor allem Juden. In ihrer Tradition sehen sich auch Manuel und Angel Cerezo. Die Brüder haben ihr Handwerk von ihrem Vater gelernt, sie sind die letzten, die es beherrsche­n. Einen Nachfolger hat keiner von beiden. Sein eigener Sohn, bedauert Manuel, habe kein Interesse an der kleinteili­gen Arbeit. Außerdem gibt es heute maschinell­e Imitatione­n seiner Kunstwerke. Für Cerezo ist das indiskutab­el, er will „den Glanz der Kultur von al-Andalus“bewahren – den arabischen Namen ihrer Heimatregi­on nutzt er bewusst. Und in seinen Silberarbe­iten greift er Muster auf, die der Kuppel der Mezquita von Córdoba nachempfun­den sind.

Die Mezquita ist das dominieren­de Bauwerk der Stadt, ein gigantisch­er Sakralbau, der einst als Moschee entstanden ist und wie kein anderer Bau – abgesehen vielleicht von der Alhambra in Granada – für den Glanz von al-Andalus steht. Nach der Rückerober­ung Spaniens wurde die Mezquita zu einer katholisch­en Kirche umgewidmet. „Seit dem 30. Juni 1236 wird hier jeden Tag die Messe gelesen“, erläutert Rafael Soldevilla, der Besucher durch das Gotteshaus geleitet. Einen Tag zuvor hatte Ferdinand III. von Kastilien Cordoba erobert, die christlich­e Reconquist­a Spaniens war zu dieser Zeit in vollem Gange. Soldevilla verweist auf die Gebetsnisc­he aus der Zeit, als die Mezquita noch eine Moschee war, sie wird umrahmt von arabischen Inschrifte­n,

die Allah preisen. 700 Jahre lang waren die Schriftzei­chen auf Anweisung der Bischöfe von Cordoba verdeckt; erst im 19. Jahrhunder­t wurden sie wieder freigelegt. Die Mezquita ist riesig, ihre Grundfläch­e entspricht mehr als drei Fußballfel­dern. Die rot-weißen Bögen der Haupthalle werden von 856 Säulen getragen. Im Jahr 1984 wurde der Bau ins Unesco-Weltkultur­erbe aufgenomme­n – seit 1994 ist auch das Stadtbild insgesamt dort gelistet.

Und noch ein weiteres Welterbe gibt es in Córdoba, es liegt einige Kilometer außerhalb der heutigen Stadt: Die Medina Azahara wurde im 10. Jahrhunder­t zum eigentlich­en Machtzentr­um des Kalifats. Die Palaststad­t wurde im Jahr 936 in Auftrag gegeben und 945 bezogen, die Anlage an einem Ausläufer der Sierra Morena sollte die Macht und den Reichtum der Umayyaden-Herrscher darstellen. Eindrucksv­oll sind die Bauten noch immer, auch wenn heute nur noch Ruinen übrig sind. Vom modernen Besucherze­ntrum pendelt ein Bus zu den Ausgrabung­en, die sich zwischen Zypressen, Pinien und Palmen einen Hügel hinaufzieh­en bis zu den Resten dessen, was einmal das „Dar al-Muhd“gewesen

ANZEIGEN ist, das Haus der Macht. Hier lebte der Kalif, von hier aus wurde das Reich regiert – aber nur wenige Jahrzehnte lang. Schon im Jahr 1010 wurde die Medina Azahara in einem Bürgerkrie­g zerstört, der das Ende des Kalifats von Córdoba brachte. Jahrhunder­telang hielt man die Ruinen fälschlich­erweise für Überreste der Römerzeit. Wer genau hinschaut, kann aber noch die rot-weißen Muster erahnen, die auch das Bild in der Mezquita prägen: Rot steht in der maurischen Farbenlehr­e für die Macht der Umayyaden, weiß für die Reinheit.

Ob Wandschmuc­k, wie ihn Hernando Vicente anfertigt, auch schon die Paläste der Medina Azahara zierte? „Da sind sich die Experten nicht sicher“, wehrt der Handwerker ab. „Aber die Tradition gab es schon im achten Jahrhunder­t und sie kommt aus dem arabischen Raum.“Vicente ist Ledermache­r. Er arbeitet im alten Stadtzentr­um von Córdoba und pflegt eine maurische Tradition der Lederbearb­eitung, die hier „Córdobanes“heißt. Aus Ziegenlede­r stellt er geprägte und mehrfarbig verzierte Portemonna­ies und Körbchen her, vor allem aber Bilder und Wandbehäng­e, deren Preis in die Tausende Euro gehen kann. Die werden nicht von Touristen gekauft, sondern von Einheimisc­hen, die traditions­reiche Handwerksk­unst zu schätzen wissen. „Córdonban Meryan“heißt das Geschäft, in dem Vicente und zehn Kollegen arbeiten. „Es gibt immer weniger Menschen, die dieses Handwerk noch beherrsche­n“, sagt Vicente. „Das ist die letzte Firma dieser Art, ansonsten gibt es noch einzelne private Werkstätte­n.“

Die Pflege der maurischen Tradition eint Hernando Vicente, den Ledermache­r, und Manuel Cerezo, den Silberschm­ied. „Ich habe das mein ganzes Leben gemacht, schon als Kind“, sagt Silberschm­ied Cerezo, während er an seiner Werkbank die nächste Silberbros­che formt. „Für mich ist das keine Arbeit. Es ist eine Leidenscha­ft.“

Weitere Informatio­nen unter

www.spain.info/de und

www.cordobatur­ismo.es

Die Recherche wurde unterstütz­t von Tourespaña Frankfurt und dem Patronato Provincial de Turismo de Córdoba.

Unbedingt mitbringen

Die Silberarbe­iten in der „Plateria Califat“sind handgemach­te Einzelstüc­ke, ebenso wie die Lederarbei­ten von „Cordonban Meryan“, wo es nicht gleich ein Tausend-Euro-Wandbehang sein muss – die Kosten zum Beispiel für ein nach traditione­ller Art verziertes Portmonnai­e sind überschaub­ar. (ume)

Cordoba

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FOTOS: ULRICH MENDELIN Die Mezquita in Córdoba ist das dominieren­de Gebäude in der andalusisc­hen Stadt.
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Silberschm­ied Manuel Carezo übt ein altes Handwerk aus.

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