So ist Mechthilde Wittmann
Alle bekommen dieselben Fragen – So schlägt sich die Kandidatin der CSU
- Vor der Bundestagswahl stellt die Lindauer Zeitung die Direktkandidaten der großen Parteien für den Wahlkreis Oberallgäu vor, zu dem auch Lindau gehört. Um sie miteinander zu vergleichen, haben alle sieben Kandidaten von CSU, SPD, den Grünen, der Partei Die Linke, der AfD, der FDP und den Freien Wählern die gleichen Fragen gestellt bekommen. So hat Mechthilde Wittmann, Direktkandidatin der CSU, geantwortet.
Welche Erfahrung hat Ihr Leben nachhaltig verändert?
„2018, als privat mehrere Schicksalsschläge auf mich zukamen und ich dann am Ende noch die Landtagswahl verloren habe – das war tatsächlich eine Lebensveränderung. Aber ich habe mich wieder aufgerappelt.“
Welche neuen Eigenschaften haben Sie während der Corona-Pandemie an sich entdeckt?
„Keine, die kannte ich alle vorher schon, vor allem die schlechten (lacht). Ich bin sehr ungeduldig, das hat sich durch die CoronaZeit logischerweise nicht verbessert. Ich bin leider auch ein hektischer
Mensch. Aber umgekehrt arbeite ich wahnsinnig gern. Und ich war immer schon ein gutmütiger
Mensch. Das bekommt mir manchmal nicht gut, weil ich selbst dann oft böse Erfahrungen machen muss. Es gibt auch Menschen, die mich als ehrgeizig beschreiben, aber das empfinde ich nicht so. Es gibt einfach Dinge, die ich unbedingt richtig machen möchte, oder will, dass sie richtig gemacht werden. So ist das auch in der Politik. Da möchte ich wirklich etwas bewegen und eben nicht einfach nur irgendwo einen Sitz haben.“
Sind Sie ein Morgen- oder ein Abendmensch?
„Eigentlich beides. Ich steh morgens immer früh auf, denn das bin ich gewohnt. Während meines Studiums hatte ich einen Job, da war Arbeitsbeginn um halb vier in der Früh. Und zumindest so lange meine beiden Töchter noch in der Schule sind, kann ich es mir ja auch gar nicht leisten, kein Morgenmensch zu sein. Meine Laune morgens würde ich aber als ausbaufähig bezeichnen (lacht). Ich kann abends aber auch lange sitzen bleiben und arbeiten, ich feiere gerne – zu früh ins Bett gehen ist sicher nicht meins. Vor elf, halb zwölf kann ich mir das gar nicht vorstellen. Ich schlafe wohl eher sehr wenig.“
Was ist der größte Luxus, den Sie sich je gegönnt haben?
„Dass ich reite. Das empfinde ich wirklich als Luxus, auch, weil es nicht ganz billig ist, aber dafür spare ich dann woanders. Ich kam über die
Kinder dazu – und finde es in jeder Hinsicht toll. Draußen sein, mit den Tieren umgehen – das ist einfach herrlich.“
Wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie sich gegen Corona impfen lassen?
„Es war für mich gleich okay, dass ich mich impfen lasse. Aber ehrlicherweise bin ich privat insgesamt noch etwas vorsichtig, da die Übertragung des Virus’ leider weiter möglich ist. Ich verhalte mich also anderen gegenüber so umsichtig, als wäre ich nicht geimpft. Mich stimmt derzeit etwas nachdenklich, wenn ich mir die Ansteckungsraten anschaue, und auch wenn ich lese, dass bereits eine Auffrischungsimpfung empfohlen wird. Ich bin mir einfach nicht sicher, ob wir da den Stein der Weisen schon gefunden haben – dennoch gilt: alles versuchen, das Virus zu stoppen, und dazu gehört die Impfung, wo immer sie möglich und zumutbar ist. Aber es war für mich selbst nie eine Frage, ob impfen oder nicht. Ich habe aber eben auch nie gedacht: Hurra, impfen, wo ist die Party? Ich verhalte mich weiterhin vorsichtig. Und ich habe auch meine Kinder impfen lassen, beide. Die eine wird 14, die andere ist 16. Das war für mich ganz wichtig, denn ich kann mich von ihnen jetzt während des Wahlkampfs ja nicht komplett separieren, begegne aber täglich vielen Menschen. Darum haben wir gesagt, die Ungewissheit wegen der Nebenwirkungen gehen wir ein – aber wir hatten alle keine Nebenwirkungen.“
Was war Ihr Antrieb, in die Politik zu gehen?
„Es gab keinen Antrieb, das war einfach drin. Zwar habe ich anfangs immer gesagt, ich möchte nicht werden, was mein Vater ist – nämlich Politiker und Jurist – aber beides bin ich dann geworden. Wenn Sie mit vier Jahren schon Flyer falten und in Briefkästen werfen und zu Hause immer Nachrichten laufen – dann sind Sie politisch. Bei uns zu Hause war das so. Politik war immer Thema. Mein Vater ist für mich ein großes Vorbild, denn er hat Politik immer als Dienst an den Leuten verstanden. Für mich war immer klar, dass das so sein muss. Ich wollte aber trotzdem eigentlich erst gar nicht in die Politik. Dann habe ich Wahlkampf gemacht für Peter Gauweiler in München. Ich habe ihn sechs, acht Wochen rund um die Uhr begleitet, habe unglaublich viel gelernt, Gutes wie Fehler. Und dann hat er hinterher gesagt: So, Du gehst jetzt in den Stadtrat. Das wollte ich gar nicht. Dann haben sie mich auf die Liste gesetzt, und ich wurde gewählt. Damals war ich Mitte 20 und die jüngste Stadträtin in München. Für den Wahlkampf hatte ich 700 D-Mark ausgegeben. So ging es los. Und dann hab ich gemerkt, dass ich das doch auch richtig wollte. Das ist mein Leben.“
Welcher Punkt aus dem Wahlprogramm der CSU ist der wichtigste für Sie?
„Da habe ich keinen. Für mich ist die Ausgewogenheit des Wahlprogramms das Wichtigste. Wir haben versucht, mit dem Wahlprogramm die Gesamtbevölkerung abzubilden und niemanden zu bevorzugen. Das klingt bei manchen Punkten so, wenn man die Mütter-Rente nimmt. Aber bei uns war immer das Ziel, dass wir schauen müssen, wie wir die Dinge finanzieren können, dass es in Summe ausgewogen ist. Klassiker Klimaschutz: Es wäre einfach ein Unding zu behaupten, dass wir keinen Klimaschutz wollen. Nur müssen wir natürlich auch die Zahlen insgesamt anschauen. Jeder vernünftige Mensch weiß, dass es nicht geht, dass von heute auf morgen jeder sein Elektro-Auto einstöpselt und wir gleichzeitig Kohle und Atom abschalten und alles ausschließlich sofort aus „grünem Strom“bedienen. Ich finde, da muss man ehrlich sein – und trotzdem dranbleiben. Und sich aber auch nicht zu überheben an einer Stelle, wo wir wissen, das verkraften wir nicht. Das spiegelt dieses Wahlprogramm wider.“
Gibt es auch Punkte, mit denen Sie über Kreuz liegen?
„Es gibt Dinge, die ich unter Umständen anders entscheiden würde. Das ist zum Beispiel die schon erwähnte Mütter-Rente. Ich halte sie für richtig, aber ich glaube, das hätte man in der Summe anders angehen müssen. Ich hätte nicht mit Punktesystemen gearbeitet, sondern Zeiten und persönliche Verhältnisse eingespielt. Jetzt haben wir eine Mütter-Rente, die besagt, dass auch die Mütter, die zum Beispiel durch einen sehr hohen Verdienst des Ehemanns und ihren Ansprüchen daraus genau so viel bekommen, wie die alleinerziehende Mutter, die von früh bis spät gewerkelt hat und sich selber kaum etwas gönnen konnte. Das ist nicht ausgeglichen in meinen Augen. Aber von der Idee her halte ich es für absolut richtig, darum bin ich meiner Partei loyal. Und deswegen ist es auch in Ordnung.“
Was wäre nach dem 26. September Ihre Wunschkoalition?
„Ich habe die Grünen als durchaus spannenden Partner erlebt. Auch, weil ich viele von ihnen als Menschen kenne, mit denen ich richtig gut kann. Wir wollen weitgehend das Gleiche erreichen, glauben nur, dass es anders funktioniert. Darum könnte ich mir grün eventuell vorstellen. Aber ehrlicherweise ist die FDP der naheliegendere Partner.
Müsste ich wählen, wäre mir inzwischen grün lieber als rot.“
Was machen Sie persönlich, um Ihren ökologischen Fußabdruck möglichst klein zu halten?
„Ich mache nie unnötige Fahrten. Und ich fahre zwar überhaupt nicht gern Fahrrad, aber wenn es sich ergibt, dann nehme ich dennoch mein Radl. Oder ich gehe zu Fuß. In Kempten kann man fast alles zu Fuß erreichen. Ich selbst fahre einen modernen Diesel, einfach, weil ich weiß, der Diesel ist nicht halb so schlecht wie sein Ruf. Wenn man das E-Auto nimmt mit seinem ganzen Lebenszyklus, dann ist der Diesel ein Waisenknabe dagegen. Und ich fahr’ nunmal 50 000 Kilometer im Jahr und muss einen Anhänger ziehen, da geht es derzeit nicht anders. Da muss ich auch keinem etwas vormachen. Wir müssen natürlich noch sauberer werden und vor allem den ÖPNV attraktiver machen. Ich überlege auch jetzt schon, ob ich, wenn Berlin klappen sollte, möglichst oft mit dem Zug fahren kann. Wenn die Uhrzeiten passen, geht das sicher immer wieder.“
Welche Eigenschaft hätten Sie gern von Angela Merkel?
„Diese scheinbar emotionslose Unaufgeregtheit. Das beneide ich total. Ich ärgere mich oft über meine impulsive Art und tue mich schwer, das abzustellen.“
Was war der größte Mist, den Sie als Jugendliche gebaut haben?
„Dafür schäme ich mich bis heute: Ich war in einem Jugendlager und wollte in Ruhe lesen. Da waren ein paar ältere Jugendliche, die angebandelt haben. Das haben sie ununterbrochen um mich herum gemacht. Dann bin ich ins Zimmer, aber da waren sie auch. Da bin ich zum Jugendleiter und habe sie verpetzt, nur weil ich meine Ruhe wollte. Ich hab mich sofort so geschämt, dass ich die restliche Zeit gar nicht mehr genießen konnte, und bis heute schäme ich mich dafür. Ich würde mich heute noch bei den Betroffenen entschuldigen, wenn ich wüsste, wer sie waren. Ich finde Petzen ganz furchtbar und habe es nie wieder getan.“
Welche Fotos dürften auf keinen Fall an die Öffentlichkeit gelangen?
„Ich glaube, da gibt es keine.“
Was haben Sie zuletzt bei Amazon bestellt?
„Mein Haar-Schampoo, da bestelle ich immer eine Großpackung.“
Was ist das politisch Unkorrekteste,
was Sie je getan haben?
„Ich glaube, dass ich mal in einer öffentlichen Wahl einen CSUler nicht gewählt habe, obwohl man das ja eigentlich macht, in der eigenen Partei. Aber der ging einfach gar nicht...“
Wann haben Sie sich zuletzt für einen Kollegen geschämt?
„Tu ich immer noch, laufend, immer für den gleichen. Aber ich sage nicht, für wen, denn ich möchte niemandem schaden.“
Was halten Sie vom Gendern?
„Relativ wenig, weil ich selbst da total unkompliziert bin. Ich halte es für wichtig, dass man sich respektvoll anspricht. Das gilt für alles, auch ein „Quasi-Schimpfwort“kann mal in Ordnung gehen, wenn es wirklich liebevoll gemeint ist. Aber man kann eben überall zu weit gehen, auch beim Gendern. Ich selber gendere in normalem Maße, wie es die gegenseitige Achtung vorgibt. Das ist schon Teil meiner Art: alles in Maß und Ziel. Ich respektiere sehr, dass das manchen wichtig ist, und dem will ich auch gerne Rechnung tragen – aber man muss es nicht übertreiben. Was mir aber daran gefällt: Der Respekt vor der Arbeit der Frauen und für Frauen an sich scheint mir durch das Gendern zu steigen, und das ist gut so.“
Mechthilde Wittmann ist am
12. Dezember 1967 in München geboren. Sie hat zwei Töchter und lebt in Kempten. Als sie 15 Jahre alt war, trat sie in die Junge Union ein, mit 16 Jahren in die CSU. 1994 wurde Wittmann als jüngste Stadträtin in den Stadtrat der Landeshauptstadt München gewählt. Nach dem Abitur absolvierte sie zunächst eine Banklehre bei der Deutschen Bank in München. Anschließend studierte sie Maschinenbau und Betriebswirtschaft an der TU München und Jura an der Ludwig-MaximiliansUniversität in München. 2011 machte sie sich mit ihrer eigenen Kanzlei selbstständig. 2013 wurde sie über die Landesliste in den Bayerischen Landtag gewählt und gehörte diesem bis 2018 an, danach schied sie aus. Zur diesjährigen Bundestagswahl tritt sie als Direktkandidatin für den Wahlkreis Oberallgäu, zu dem auch Lindau gehört, als Nachfolgerin von Gerd Müller an. (jule)