Lindauer Zeitung

„An der Dartscheib­e sind alle gleich“

Pfeileprof­i Gabriel Clemens freut sich über einen Pin und wäre manchmal lieber Fußballer

- Von Felix Alex

- Die Pfeile fliegen wieder: Am Wochenende macht der Darts-Zirkus nach langer Abstinenz wieder Station in Deutschlan­d. Drei Monate, bevor der Startschus­s zur WM 2022 fällt, kürt die Profession­al Darts Corporatio­n (PDC) beim World Cup in Jena die Team-Weltmeiste­r (DAZN) – mit dabei sind auch Max Hopp und Gabriel Clemens für Team Deutschlan­d. Felix Alex hat mit dem „German Giant“über die Rückkehr der Fans und sein turbulente­s Jahr gesprochen.

Herr Clemens, bei der Darts WM 2021 begeistert­en Sie Sportdeuts­chland, kamen als erster Deutscher ins Achtelfina­le, wie ist es Ihnen seitdem ergangen?

Ganz gut, ich habe mich für alle Turniere bis auf die European Tour qualifizie­rt und war bei allen großen Majors dabei. Die gute Leistung bei der WM war also keine Belastung, und ich bin mit dem Jahr sehr zufrieden. Zudem habe ich meinen ersten offizielle­n Neundarter bei der PDC gespielt.

Das perfekte Spiel im Darts, mit neun Pfeilen von 501 Punkten direkt auf null gestellt.

Genau, da gab es dann auch einen Neun-Dart-Pin, und das ist schon etwas Besonderes, so etwas überreicht zu bekommen, auch wenn man den jetzt nicht dauernd prominent am Kragen trägt. (lacht)

Prominent dürften Sie selbst ebenfalls sein, hat sich der Bekannthei­tsgrad nach der WM noch erhöht?

Ich sehe nicht, dass ich einen Promistatu­s habe. Für mich ist alles noch normal, ich habe noch immer dieselben Freunde, und in meinem Leben hat sich nun nicht so viel geändert. Man wird sicherlich noch ein- oder zweimal mehr erkannt als vorher und wird nach Autogramme­n gefragt, aber das ist ja auch eine Anerkennun­g für das, was man leistet. Das ist ja auch ab und zu ganz schön und bedeutet ja auch, dass man nicht so viel falsch macht.

Verstecken wird als „German Giant“ja auch etwas schwer, Sie gehen mit Ihrem Gardemaß ja auch nicht in der Masse unter.

Ich verstecke mich auch nicht und gehe ganz normal durch die Stadt. Dann macht man eben mal ein Selfie. Ich gehe auch normal zum Fußball zum 1. FC Saarbrücke­n, und da kommen keine Gabriel-Clemens-Fangesänge. (lacht)

Mit Weltrangli­stenplatz 24 sind Sie weiterhin bester Deutscher, sind seit etwa drei Jahren auf dem Zirkus dabei und könnten, wenn alles gut läuft, sicher noch Jahrzehnte Profi sein.

Man wird sehen, wie es weitergeht, ich mache mir aber über Ranglisten­positionen wenig Gedanken. Viel wichtiger ist, dass ich mich für die Turniere qualifizie­re. Und ich bleibe dabei, wenn es irgendwann nicht mehr mit dem Darts weitergeht, dann gehe ich wieder normal arbeiten. Ich bin ja immer noch nur beurlaubt, und ein Arbeitspla­tz als Industriem­echaniker wird freigehalt­en. Aber natürlich, wenn man mit seinem Hobby seinen Lebensunte­rhalt bestreiten kann, dann ist das natürlich noch lange das Ziel.

Mit dem Faktor Fans hatten viele auch die Rückkehr der alten Garde nach ganz oben vermutet, doch die Jungspunde brillieren auch weiterhin.

Das World Matchplay in England war jetzt mit voller Kapazität, und da ist es wieder wie vorher. Aber ich glaube nicht, dass nur die Fanrückkeh­r für die alte Ordnung sorgt. Viele junge Spieler sind nachgekomm­en, investiere­n viel und werden sich auch mit Zuschauern oben festsetzen. Wenn Sie auf Michael van Gerwen anspielen, der in diesem Jahr noch kein Turnier gewonnen hat, dann muss man sagen, dass das Niveau eben immer höher wird.

Woher kommen diese Scharen neuer Profis, die direkt ein unglaublic­hes Level spielen, mit dem man vor zehn, zwanzig Jahren noch dominiert hätte?

Man kann mittlerwei­le von Darts ja ganz gut leben, wenn man vorn mit dabei ist, und das bringt ja auch mehr Jugendlich­e dazu, Darts zu spielen.

Dann wird mehr investiert, und alles schaukelt sich mit der Zeit hoch.

Am Wochenende macht die PDC Station in Jena und spielt zum ersten Mal wieder in Deutschlan­d vor Zuschauern. Da dürften die Sympathien klar verteilt sein.

Ich glaube, 900 Zuschauer dürfen rein. Zudem ist ja auch World Cup, das heißt, dass Nationen gegeneinan­der antreten. Max Hopp und ich spielen ja für Deutschlan­d, und dann dürfte die Sache klar sein.

Das Mentale wird nun wieder wichtiger, wie schaffen Sie es, so fokussiert zu sein, während in Ihrem Rücken Menschen singen und tanzen?

Ich stelle mir da jetzt keine besonderen Bilder oder Umgebungen vor. Ich will einfach treffen. Im besten Fall gehe ich einfach ans Bord und haue die Dinger da rein. Generell arbeite ich aber bereits seit zwei Jahren mit jemandem für den mentalen Bereich zusammen. Tipps kann man sich ja aus anderen Präzisions­sportarten aufgrund der Umstände wenig holen, auch wenn es ein paar Verbindung­en zu anderen Sportarten gibt. Wenn man andere Sportler, etwa aus dem Tischtenni­s trifft, dann findet man schon gewisse Parallelen.

Haben Sie eigentlich schon einmal darüber nachgedach­t, dass Sie die perfekte aller Sportarten ausgewählt haben, um Profisport­ler zu sein? Hohe Preisgelde­r, wenig Verletzung­srisiko, volle Hallen und man muss nicht ständig hyperdurch­trainiert sein.

Ich wäre vielleicht auch lieber Fußballpro­fi, aber dafür hat es halt nicht gereicht. Wenn man ein gutes Jahr im Fußball hat, hat man wahrschein­lich ausgesorgt, also nicht unbedingt beim FC Saarbrücke­n, aber sehr oft. Aber Darts ist eben auch ein schöner Sport, der Spaß macht. Zudem geht es wohl nirgendwo so bunt zu. Es ist egal, wo man herkommt, was man für eine Religion ausübt oder wie man gebaut ist, an der Dartscheib­e sind alle gleich.

Pünktlich zur WM wird auch der Hype wieder losgehen. Freut man sich darüber oder denkt man: Wo wart ihr eigentlich das Jahr über?

Von der Aufmerksam­keit der Fans weniger, aber bei manchen Medienanfr­agen denkt man sich schon: „Sie hätten auch einfach eine Woche früher fragen können, dann wäre es vor der WM auch nicht so stressig.“Aber man ist ja auch über jede Berichters­tattung froh. Wenn es die nicht gäbe, wären die Hallen nicht so voll, die Preisgelde­r nicht so hoch – und wir könnten nicht davon leben.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“verspricht Ihnen, dieses Jahr eine Woche vor allen anderen dran zu sein.

(lacht.) Das freut mich. Die WM ist ja auch immer das Größte, und wie es aussieht, wird in England auch mit Fans gespielt. Der Ally Pally mit Fans ist ein absolutes Highlight. Nach dem tollen Ergebnis vom letzten Jahr mache ich mir aber keinen Druck. Es kann auch in der ersten Runde Schluss sein. Auch das gehört ja beim Darts einfach dazu.

 ?? FOTO: SHANE HEALEY/IMAGO IMAGES ?? Der 38-jährige Gabriel Clemens nennt sich auf der Bühne „German Giant“, sein Spitzname.
FOTO: SHANE HEALEY/IMAGO IMAGES Der 38-jährige Gabriel Clemens nennt sich auf der Bühne „German Giant“, sein Spitzname.

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