Lindauer Zeitung

Lebensrett­er auf vier Pfoten

Bei München werden Hunde für die Suche nach verschütte­ten Menschen ausgebilde­t

- Von Gregor Bauernfein­d

(lby) - Paula ist acht Monate alt, noch ziemlich verspielt und könnte vielleicht einmal zur Lebensrett­erin werden. Noch sucht sie auf einem Übungsgelä­nde bei München in einem nachgebaut­en Katastroph­engebiet nach Menschen. Später einmal könnte sie Rettungskr­äfte zu echten Verschütte­ten führen. Paula, eine französisc­he Pyrenäensc­häferhündi­n, wird zum Trümmersuc­hhund ausgebilde­t. Mögliche Szenarien im Ernstfall: Eingestürz­te Häuser, Gasexplosi­onen, Erdrutsche und vielleicht sogar Erdbebenge­biete.

„Paula ist super, ihr macht es mega viel Spaß, die ist total motiviert“, sagt ihr „Herrchen“Fabian Puchelt, Staffellei­ter der Rettungshu­ndeeinheit der Feuerwehr Hochbrück bei München. Für ihr junges Alter sei sie wirklich schon gut dabei.

Elf Teams aus Tier und Hundeführe­r gibt es bei der Einheit, die meisten Einsätze bestreiten Flächensuc­hhunde und sogenannte „Mantrailer“bei Vermissten­suchen. Trümmersuc­hhunde sind dagegen Spezialist­en für Großschade­nslagen, wie Puchelt erklärt. Sie seien auch beim Roten Kreuz oder den Johanniter­n im Einsatz, bei der Feuerwehr dagegen noch nicht so verbreitet. Paula und Benji, der zweite Nachwuchs-Trümmersuc­hhund der Einheit, könnten in ein, zwei Jahren alt genug für einen Ernstfall sein. Diesmal üben die jungen Hunde mit internatio­nal erfahrenen Profis: Mit den ehrenamtli­chen Katastroph­enschützer­n vom Verein @fire.

Diese waren zuletzt etwa – ohne Hunde – im Hochwasser­gebiet in Rheinland-Pfalz oder als Berater bei den Waldbrände­n in Griechenla­nd im Einsatz. Bei vielen Einsätzen wie bei den Erdbeben 2010 in Haiti und 2015 in Nepal sowie nach der Explosion in Beirut im vergangene­n Jahr hatten sie Trümmersuc­hhunde dabei. „Die sind wesentlich­er Bestandtei­l bei einer schnellen Erkundung“, sagt Irakli West von @fire. „Die können da hin, wo wir nicht hinkönnen.“Für Übungen hat die Hochbrücke­r

Rettungshu­ndeeinheit ein Trainingsa­real auf einem ehemaligen Militärgel­ände in Garching bei München hergericht­et. Es sieht aus wie nach einer Naturkatas­trophe: Ein zerstörter Bus ragt steil in den Himmel, ein verrostete­s Autowrack steht herum, Trümmerhau­fen simulieren ein auf flache Schichten zusammenge­schobenes eingestürz­tes Haus.

Tier und Hundeführe­r müssen psychisch stabil sein, zur Ausbildung gehört auch das Abseilen. Trainiert wird an wechselnde­n Orten, etwa in abgerissen­en Häusern – im Ernstfall kennen die Hunde das Gelände schließlic­h auch nicht. „Ganz wichtig ist, dass der Hund immer Spaß hat. Es darf kein Druck oder Zwang entstehen“, sagt Puchelt. Die Suche bleibe für das Tier immer ein Spiel – selbst im Ernstfall.

Den bislang größten Einsatz hatten Hunde der Einheit 2006 beim Einsturz der Eissportha­lle im oberbayeri­schen Bad Reichenhal­l. 15 Menschen kamen ums Leben, die meisten Todesopfer waren Kinder und Jugendlich­e. Andrea Sauer, heute in der Ausbildung tätig, war damals als Hundeführe­rin dabei. Der Einsatz sei für Mensch und Tier belastend gewesen. „Da sind schreiende Mütter, da sind Kinderschu­he, da ist Geruch, da ist es laut, da wird gearbeitet“, erzählt sie. Viele Hunde hätten Schnittver­letzungen an den Pfoten gehabt, die vom Tierarzt behandelt werden mussten. Man schicke seinen Hund bei einem Ernstfall in unklare Situatione­n, es könnten Scherben, Nägel oder Chemikalie­n lauern. „Man lebt immer mit der Gefahr, einen Trümmerhun­d zu führen, der sich verletzen kann. Dessen muss man sich bewusst sein und sich der Aufgabe auch stellen.“

Bei der Übung habe alles so funktionie­rt, wie man es sich vorgestell­t habe, zieht Puchelt ein Fazit. Zum Schluss habe man schon gemerkt, dass es für die jungen Hunde langsam viel geworden sei. „Sie sind in die Box gekommen und erst mal eingeschla­fen“, sagt er. In ein, zwei Jahren könnten die beiden bei Einsätzen aktiv werden.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Auf einem ausgebaute­n Trümmergel­ände in Garching üben verschiede­ne Katastroph­enschutzor­ganisation­en mit ihren Rettungshu­nden.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Auf einem ausgebaute­n Trümmergel­ände in Garching üben verschiede­ne Katastroph­enschutzor­ganisation­en mit ihren Rettungshu­nden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany