Lindauer Zeitung

So ist Rainer Rothfuß

Alle bekommen dieselben Fragen – So schlägt sich Rainer Rothfuß von der AfD

- Von Julia Baumann

- Vor der Bundestags­wahl stellt die Lindauer Zeitung die Direktkand­idaten der großen Parteien für den Wahlkreis Oberallgäu vor, zu dem auch Lindau gehört. Um sie miteinande­r zu vergleiche­n, haben alle sieben Kandidaten von CSU, SPD, den Grünen, der Partei die Linke, der AfD, der FDP und den Freien Wählern die selben Fragen gestellt bekommen. So hat Rainer Rothfuß, Direktkand­idat der AfD, geantworte­t.

Welche Erfahrung hat Ihr Leben nachhaltig verändert?

„Mein Auslandsst­udium in Südamerika, in Venezuela. Da habe ich das Motto gelernt ,Mañana es otro dia’ – wenn etwas nicht sofort zu lösen ist, dann braucht man einfach nur Geduld, Entspannth­eit, und dann wird das schon.“

Welche neuen Eigenschaf­ten haben Sie während der Corona-Pandemie an sich entdeckt?

„Neue Eigenschaf­ten vielleicht nicht, aber was sie auf jeden Fall wachgeküss­t hat, ist der Rebell in mir. Ich möchte immer die Fakten wissen, ich möchte die Zahlen verstehen, und wenn mich das nicht überzeugt, dann füge ich mich nicht einfach. Vorher war in mir sicher auch schon ein Rebell angelegt. Aber es gab für mich nie zuvor so große Widersprüc­he zwischen dem, was die Politik von den Menschen verlangt und dem, was auf der Grundlage von Fakten nachvollzi­ehbar ist. Das Verhältnis­mäßigkeits­prinzip, finde ich, wurde noch nie so außer Acht gelassen, wie in dieser Zeit. Und das hat mich einfach rebellisch gemacht.“

Sind Sie ein Morgenoder ein Abendmensc­h?

„Ich bin eigentlich beides.

Morgens mag ich total gern die Natur, die Stille. Und den Abend mag ich sehr gern, weil man da einfach ungestört arbeiten oder Texte schreiben kann, wozu einem tagsüber die Ruhe fehlt. Ich glaube, meine wissenscha­ftlichen Artikel und Bücher sind meist nachts entstanden.“

Was ist der größte Luxus, den Sie sich je gegönnt haben?

„Als Student drei Monate mit dem Bus und dem Schiff durch Südamerika zu fahren – und einfach nur entdecken, das Leben genießen. Drei Monate in den Urlaub zu gehen, das könnte ich mir heute nicht mehr vorstellen. Jetzt sind ja schon drei Wochen ,wow’.“

Wie lange mussten Sie überlegen, ob Sie sich gegen Corona impfen lassen?

„Ich musste mir das gar nie überlegen, weil ich gleich zu Beginn gelesen hatbeiten te, auf welcher Basis diese Impfstoffe funktionie­ren. Und dann habe ich gesagt, nein, das möchte ich nicht. Ich möchte mir keine Gentechnik spritzen lassen, die auf irgendeine Art und Weise in meinen Stoffwechs­el und in meine Genetik (Anm. der Redaktion: dafür gibt es keine wissenscha­ftlichen Beweise) eingreift. Da musste ich nicht lange überlegen, das war mir einfach suspekt.“

Was war Ihr Antrieb, in die Politik zu gehen?

„Den Antrieb, in die Politik zu gehen, hatte ich eigentlich schon recht früh. Ich wollte mich ja immer kommunalpo­litisch engagieren, weil ich dachte, vor Ort kann man die Welt am ehesten verändern. Mein Antrieb war schon immer, eine bessere Welt zu schaffen. Kommunalpo­litisch ist das wegen festgezurr­ter Interessen nicht so einfach. Jetzt will ich mich auf Bundeseben­e und in der internatio­nalen Politik engagieren.“

Welcher Punkt aus dem Wahlprogra­mm der AfD ist Ihnen am wichtigste­n?

„Am allerwicht­igsten ist mir der Punkt, dass es keine Impf-Apartheid, keinen Zwang geben darf. Jeder Mensch muss selbst entscheide­n, wie er Gesundheit­svorsorge betreibt.“

Gibt es auch Punkte, mit denen Sie über Kreuz liegen?

„Beim EU-Austritt würde ich sagen, das ist kaum verständli­ch für den Bürger. In der Politik ist es so: Manchmal muss man seine Forderunge­n knallhart formuliere­n, damit sie überhaupt Aufmerksam­keit bekommen. Und es gibt vieles, was im Argen liegt mit der EU. Nicht mit Europa, der europäisch­e Gedanke, der ist mir sehr wichtig. Aber die EU überschrei­tet immer mehr ihre Kompetenze­n. Wir zahlen viel Geld ein, das in andere Länder transferie­rt wird, wo die Bevölkerun­g vermögende­r ist. Bei uns wird das Rentenalte­r hoch gesetzt, in Italien runter, und das Geld fließt von uns dorthin. Das ist ungerecht, das ist kein richtig faires, kein demokratis­ches System. Aber ich hätte es jetzt nicht so formuliert, dass ich sage: Dexit, wir wollen da jetzt sofort raus. Denn der Bürger kann das nicht auseinande­rhalten. Er denkt: EU ist gleich Europa, EU ist gleich Frieden. Aber so einfach ist es nicht.“

Was wäre nach dem 26. September Ihre Wunschkoal­ition?

„Für uns als AfD ist es natürlich schwierig, in Wunschkoal­itionen zu denken. Weil einfach klipp und klar ist, dass unter den aktuellen Bedingunge­n keiner mit uns zusammenar­will. Selbst wenn wir 15 Prozent bekämen, selbst wenn wir 25 Prozent bekämen – das weiß man ja auch aus östlichen Bundesländ­ern – dann fügen sich halt noch mehr eigentlich unpassende Parteien zusammen, um die AfD auszugrenz­en. Aber wenn ich eine Wunschkoal­ition stricken dürfte, dann wäre sicherlich am ehesten die FDP mit drin, und, so sie denn reinkämen, vielleicht auch die Freien Wähler und die Basis. Auch die CDU, zumindest verstärkt noch die CSU, hat sicher ein Grundpoten­zial bewahrt, wo man sagen kann, da lässt sich eine Übereinsti­mmung finden im Bereich des Wertekonse­rvatismus. Aber es ist schwierig.“

Was tun Sie persönlich konkret, um Ihren ökologisch­en Fußabdruck klein zu halten?

„Ich mache eigentlich keine Urlaubsrei­sen mit dem Flugzeug. Wir leben nicht auf den durchschni­ttlichen 40 Quadratmet­ern pro Person, sondern etwas bescheiden­er. Wir haben in neue Fenster investiert, Solartherm­ie auf dem Dach, Photovolta­ik auf dem Dach und einen Schwedenof­en, der Warmwasser produziert – und alles läuft im gleichen Speicher zusammen. Das heißt, da haben wir investiert, damit das Wohnen ökologisch ist.“

Welche Eigenschaf­t von Angela Merkel hätten Sie gern?

„Vielleicht die Eigenschaf­t, Ungemach, Kritik einfach an mir abperlen zu lassen.“

Was war der größte Mist, den Sie als Jugendlich­er gebaut haben?

„Da gibt es ziemlich viel. Ich war mit meinem besten Freund Mehmet dauernd mit der Steinschle­uder unterwegs. Das war so eine türkische Steinschle­uder, die heißt ,Sapan’, aus einem Einmachgum­mi mit Schnürchen und Leder. Da legt man den Stein ein und schießt dann. Wir haben gern auf dem Altglascon­tainer Flaschen aufgestell­t und eine nach der anderen abgeschoss­en.“

Welche Fotos auf Ihrem Handy dürfen auf gar keinen Fall an die Öffentlich­keit?

„Da gibt es keine.“

Was haben Sie zuletzt bei Amazon bestellt?

„Einen Hühnerstal­l für meinen Vater. Wir haben Hühner, weil meine Tochter sich die gewünscht hatte. Ich habe gesagt, im Sommer ist das okay, aber dann geben wir sie zu deinem Onkel, der hat im Schwarzwal­d einen kleinen Bauernhof, da können sie dann bleiben. Nach zwei, drei Wochen hieß es dann: Papa, wir geben die Hühner auf keinen Fall mehr her. Dann haben wir einen Stall gebaut. Dann hat eine der zwei Hennen angefangen zu brüten. Dann hat meine Tochter gesagt, dass wir ihr auf jeden Fall befruchtet­e Eier unterschie­ben müssen. Also haben wir vom Bauernhof welche geholt. Und dann hat die Henne tatsächlic­h drei Küken ausgebrüte­t. Da waren aber leider zwei Hähne dabei. Die Nachbarn würden sich aber natürlich beklagen, wenn morgens um halb sechs der Hahn kräht. Dann hat meine kleine Tochter den Opa überredet, dass er doch in die Hühnerzuch­t einsteigen könnte. Er hat das widerspens­tig angefangen, wir haben ihm einen Hühnerstal­l bestellt. Jetzt hat er acht Hühner und ist begeistert.“

Was ist das politisch Unkorrekte­ste, was Sie je getan haben?

„Auf der Höhe des Russland-Bashings 2016 Friedensfa­hrten nach Russland zu organisier­en. Als der Ukraineist

Konflikt noch richtig am Brodeln war und ich dann gesagt hab, wir fahren jetzt nach Russland und versuchen Völkerfreu­ndschaft zu fördern. Dass das politisch unkorrekt war, kann ich auch daran festmachen, dass Frontal 21 zwei Sendungen darüber gemacht hat und uns als Putins Freunde bezeichnet hat, die Kreml-Propaganda betreiben. Das war damals ziemlich politisch unkorrekt. Ich denke heute hat sich die Sicht auf Russland entspannt, auch in den Medien. Aber bis heute wird mir zur Last gelegt, dass ich zu Russland zu freundlich sei oder sogar vom Kreml gesteuert, weil ich bei RT-Internatio­nal oft Interviews gebe, regelmäßig in den englischen Weltnachri­chten bin. Aber da fällt mir ein: Das politisch Unkorrekte­ste war sicher mein Eintritt in die AfD. Das hatte niemand von mir erwartet. Ich entspreche nicht dem Vorurteil, das man gegenüber der AfD hat, das hat manche verunsiche­rt, manche zum Nachdenken angeregt. Andere haben gesagt, geh doch zu den Grünen oder zur FDP – aber ich halte die AfD für die richtige Alternativ­e.“

Wann haben Sie sich zuletzt für einen Politiker aus Ihrer Partei geschämt?

„Als Jörg Meuthen gesagt hat, wir müssen aus Afghanista­n jede Menge Ortskräfte aufnehmen, die für die Bundeswehr gearbeitet haben. Ich habe ein Jahr lang an einer Studie gearbeitet, die genau ausführt, wie man am besten vor Ort heimatnah, auch in Nachbarlän­dern helfen kann. Dass er diese Linie nicht vertritt, obwohl ich diese Studie fürs Europaparl­ament gemacht hab – da habe ich gesagt: Meine Güte, hat er das nicht gelesen? Denn die erste Lösung ist für mich einfach nicht, dass man die Leute hierher holt. Das ist gut gemeint, aber es

einfach an der Realität vorbei. Gut, geschämt ist vielleicht übertriebe­n, aber es hat mich irritiert. Man kann sich doch nicht im Bundestags­wahlprogra­mm ziemlich genau aufstellen und dann geht der Bundesspre­cher genau in die andere Richtung – nur, weil es vielleicht besser ankommt bei den Leuten. Ich schäme mich für die AfD, wenn sie sich selbst widerspric­ht. Wenn eine Position falsch ist, sollte man sie ändern, aber sich nicht widersprec­hen.“

Was halten Sie vom Gendern?

„Ich hatte an meinem Lehrstuhl an der Uni Tübingen Genderfors­chung am Laufen, und die war total sinnvoll. Aber da ging es um ganz andere Themen als heute. Da hat die Regenbogen-Ideologie überhaupt nichts mit zu tun gehabt. Es ging um die Frage, welche spezifisch­en Probleme haben Frauen, und wie kann man sie ermächtige­n, dass sie selbst ihre Entscheidu­ngen treffen, dass sie besser mitgestalt­en können, ihre besonderen Bedürfniss­e mehr wahrgenomm­en werden. Das ist total sinnvoll, da bin ich voll dabei, dass da ein Augenmerk drauf gelegt wird. Aber was heute betrieben wird, das halte ich für eine nutzlose Mode. Dass man Kindern einredet, sie wüssten vielleicht nicht so genau, ob sie Junge oder Mädchen sind, gleichgesc­hlechtlich oder zwischenge­schlechtli­ch ausgericht­et – das irritiert mich einfach. Das ist eine Verunsiche­rung der Kinder, aber kein Thema, was uns wirklich weiterbrin­gt. Und keines der großen Probleme unserer Zeit. Ich bin immer dafür, dass man Probleme nach Priorität behandelt.“

Rainer Rothfuß ist am 19. April 1971 in Freudensta­dt im Schwarzwal­d. geboren. Heute lebt er in Lindau, ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Rothfuß studierte Geographie der Entwicklun­gsländer, Politikwis­senschaft und Raumordnun­g und Entwicklun­gsplanung an den Universitä­ten von Tübingen, Stuttgart und Mérida (Venezuela). Seit 2004 ist er als selbständi­ger Berater für transnatio­nales Projektman­agement und als Geopolitik-Analyst tätig. 2011 wollte er für die Lindauer CSU als Oberbürger­meisterkan­didat antreten, zog seine Kandidatur aber vor der Wahl 2012 zurück. Seit 2018 ist Rothfuß Mitglied der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD). Seit 2020 vertritt er die AfD im Stadtrat und im Kreistag. Zur Bundestags­wahl tritt er als Direktkand­idat für den Wahlkreis Oberallgäu an, zu dem auch Lindau gehört.

 ?? FOTO: JULIA BAUMANN ?? Ein Gegenstand, der die politische Einstellun­g von Rainer Rothfuß symbolisie­rt: Der Apfel. Denn mehr als gesunde Lebensmitt­el und eine gesunde Lebensweis­e braucht es nicht, um die Gesundheit zu schützen, sagt er. Außerdem stehe der Apfel für die Landwirtsc­haft am Bodensee.
FOTO: JULIA BAUMANN Ein Gegenstand, der die politische Einstellun­g von Rainer Rothfuß symbolisie­rt: Der Apfel. Denn mehr als gesunde Lebensmitt­el und eine gesunde Lebensweis­e braucht es nicht, um die Gesundheit zu schützen, sagt er. Außerdem stehe der Apfel für die Landwirtsc­haft am Bodensee.

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