Wenn der Bauer zweimal klingelt
Immer mehr Menschen lassen sich Gemüse- und Obstkisten direkt vom Erzeuger liefern
(dpa) - Obstund Gemüse-Abo-Kisten boomen. Doch nicht immer ist klar, ob sie auch vom Bauern aus der Region stammen. Daher bleibt nur, selbst nach der Herkunft der Ware zu fragen.
Die Kreativen kommen kaum noch hinterher, sich muntere Wortspiele für die Lieferdienste auszudenken, die kistenweise regionales Obst und Gemüse in Wohnungen oder Büros schleppen. Paradieschen liefert aus dem hessischen Ort Linsengericht, Lotta Karotta versorgt Südniedersachsen und den Harz, die Märkische Kiste steht in Berlin vor den Haustüren. Obst- und GemüseAbo-Kisten kommen wöchentlich, 14-tägig oder monatlich ins Haus. Sie versprechen frische Ware aus der Region, meist in Bioqualität und sorgen für Zeitersparnis beim Einkauf. Zudem vermitteln sie das gute Gefühl, die regionale Landwirtschaft zu stärken. Vor allem im urbanen Raum, wo die Ernährung mittlerweile ein identitätsstiftendes Megathema, fast schon ein Statussymbol ist. Da gehört das Obst- und Gemüse-Abo zum Lifestyle. Radieschen, Suppengrün und Tomaten vom Hof um die Ecke statt anonymer Ware vom Weltmarkt.
Noch vor zehn Jahren gab es verhältnismäßig wenig Spielraum bei der Bestückung einer Lieferkiste. Ein klassisches Gemüse- oder Obst-Abo brachte ins Haus, was das Feld saisonal hergab und führte dazu, dass viel Kreativität etwa für die siebte Abwandlung der Zubereitung eines Bunds Karotten aufgebracht werden musste.
Diese Zeiten sind dank der Digitalisierung vorbei, die Präsentation im Internet steht anderen Webshops und Lieferdiensten in nichts nach. Heute bieten viele der Anbieter eine enorme Auswahl, Klick für Klick kann die Kiste wöchentlich nach eigenen Vorlieben gefüllt werden – die meisten Kunden stellen sich ihre Lieferung individuell zusammen. Die meisten Anbieter werben mit Bioqualität, manche haben ihr Sortiment auch auf Backwaren, Milchprodukte oder Fisch erweitert.
Schon vor der Corona-Pandemie waren Abo-Kisten sehr gefragt, im vergangenen Jahr haben alle 45 der deutschlandweit im Verband „Ökokiste“organisierten Betriebe eine starke Nachfrage registriert. Es gab einen Zuwachs an wöchentlichen Aufträgen von 30 oder 40 Prozent zu verzeichnen. Manche registrierten sogar einen Umsatzzuwachs von bis zu 100 Prozent – und der Boom hält an: „Meistens liegen die Umsätze immer noch über denen des Vorjahres“, sagt Gernot Meyer, Geschäftsstellenleiter des Verbandes „Ökokiste“. Schon in den vergangenen Jahren hätten sich die Menschen zunehmend mehr Gedanken über die Qualität des Essens und die Arbeitsbedingungen bei der Produktion von Lebensmitteln gemacht. „Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen, gesunden und möglichst regionalen Biolebensmitteln steigt – auch um die Natur und die Region zu stärken“, so Meyer.
Der Verkauf von Biolebensmitteln im deutschen Lebensmittelhandel hat sich laut Bundesamt für Statistik insgesamt in den vergangenen zehn Jahren auf fast zwölf Milliarden Euro (Stand 2019) verdoppelt. Auch wenn der Anteil von Biowaren weiterhin zunimmt, fristen sie gleichwohl ein Nischendasein. „Im Supermarkt wird viel stärker auf den Preis geachtet und im Zweifelsfall auf Bio verzichtet“, sagt Frank Waskow, Lebensmittelexperte der Verbraucherzentrale. Wer sich also grundsätzlich für eine Ökokiste mit Bioobst und -gemüse entscheidet, muss diesen inneren Konflikt nicht ausfechten, denn die Grundsatzentscheidung für Bioprodukte ist bereits gefallen.
Diese Entwicklung begrüßt auch Slow Food Deutschland. Der Verein setzt sich ein für mehr Wertschätzung für Landwirte, die Bereitschaft zu faireren Preisen sowie Unterstützung des regionalen Lebensmittelhandwerks, so Vorsitzende Nina Wolff. Sie freut sich über den Boom bei Ökokisten und ist überzeugt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher aktiv den Wandel zu einer besseren Lebensmittelwelt vorantreiben können. „Und umso enger die Beziehungen zu den Erzeugerinnen und Erzeugern sind, desto größer ist meist die Wertschätzung.“
Wer mit einem Abo der Obst- und Gemüsekisten die regionale Landwirtschaft stärken will, sollte den Anbieter sorgfältig auswählen. „Es
Nina Wolff, Vorsitzende von
Slow Food Deutschland lohnt sich, genau hinzuschauen, welcher Ansatz verfolgt wird, denn auf dem Markt hat sich viel getan“, sagt Waskow. „Es gibt nach wie vor lokale Bauernhöfe, die sich einen Kundenstamm aufgebaut haben. Dieser Kundenstamm akzeptiert dann auch, wenn wirklich nur saisonale Ware geliefert wird.“
Doch in den vergangenen Jahren seien viele Angebote dazugekommen, die wie Lieferdienste funktionieren und lediglich Webshops etablieren. Für die Biokiste würden Lebensmittel aus verschiedenen Höfen und Ländern zusammengestellt. Dann könne es intransparent werden, was den Ursprung der Ware betrifft. Deshalb ermuntern die Verbraucherzentralen dazu, nach der Herkunft der Bioprodukte zu fragen und zu klären, welche Ware vom Großmarkt oder Großhandel zugekauft wird und ob es aus der Region, Deutschland, der EU oder Drittländern und Übersee stammt.
Bei einer Ananas sei klar, dass die nicht in Deutschland geerntet wurde. Aber was ist mit Porree, Möhren, Sellerie oder Äpfeln? Lose Ware trägt nun mal kein Biosiegel. Da Gemüse und Obst unverpackt geliefert werden, findet man zwar im Lieferschein die Angaben, muss aber letztlich dem Anbieter vertrauen. Auch müssen Verbraucherinnen und Verbraucher den Überblick behalten, wenngleich das nicht so einfach ist bei den vielen Bio-Labeln. Für Verbraucherschützer Waskow ist „das EU-Standardsiegel schon ganz in Ordnung“. Wer aber strengere Regeln für den ökologischen Anbau und mehr Tierwohl wünscht, sollte auf die Siegel der deutschen Bioverbände wie „Demeter“oder „Bioland“achten.
„Umso enger die Beziehungen zum Erzeuger, desto größer
ist meist die Wertschätzung.“