Lindauer Zeitung

Bio-Hopfen ist auf dem Vormarsch

Immer mehr Betriebe stellen auf biologisch­en Anbau um – Große Herausford­erungen

- Von Linda Egger

- „Ich bin froh, dass der Hopfen so schön grün geworden ist“, sagt Lukas Locher erleichter­t, während er mit der Hand durch die getrocknet­en Hopfendold­en auf dem Förderband streicht. Nur hier und da muss er ein paar braune Dolden herauslese­n, die dem Peronospor­a, dem falschen Mehltau, zum Opfer gefallen sind. Auf dem Hopfengut No.20 in Siggenweil­er wird seit Jahrzenten Hopfen angebaut – und doch ist in diesem Jahr etwas anders als bisher: Es ist das erste Jahr, in dem ein Teil der Ernte aus Bio-Hopfen besteht.

Zwar ist dieser noch nicht als solcher zertifizie­rt – bis dahin dauert es rund drei Jahre – doch seit vergangene­m Herbst wurden die Pflanzen nach Bio-Kriterien behandelt. Dass die Dolden strahlend grün und gesund aussehen, ist also nicht selbstvers­tändlich, da die Pflanzen ohne den konvention­ellen, chemischen Dünger und Pflanzensc­hutz umso anfälliger für Schädlinge und witterungs­bedingte Folgewirku­ngen sind. Doch das erste „Bio-Jahr“sei durchaus gut verlaufen, sagt Hopfenbaue­r Lukas Locher.

Bis 2024/2025 will er seinen gesamten Hopfenanba­u auf Bio umgestellt haben. Und mit diesem Ziel ist er im Anbaugebie­t Tettnang nicht allein: Derzeit befinden sich außer dem Hopfengut auch noch drei weitere Betriebe in der Umstellung. Weitere Hopfenbaue­rn bekundeten zudem bereits Interesse, in Zukunft möglicherw­eise ebenfalls auf Bio umstellen zu wollen. Das kommt durchaus einem kleinen Umbruch gleich – war der Bio-Betrieb Bentele in Wellmutswe­iler doch mehr als 35 Jahre lang in der Region allein auf weiter Flur mit diesem Konzept.

Die Idee, auf biologisch­en Anbau umzustelle­n, sei schon ein paar Jahre lang gereift, erklärt Lukas Locher. Das Thema sei gesellscha­ftlich brandaktue­ll, auch bei Führungen durch das Hopfenmuse­um komme häufig die Frage nach dem Pflanzensc­hutz auf – und danach, welche Alternativ­en es gibt. „Für uns war klar, dass wir es ganz oder gar nicht machen wollen“, ergänzt Charlotte Müller, die unter anderem für das Restaurant des Hopfenguts zuständig ist. Letzteres ist in Sachen Bio schon einen Schritt weiter als der Hopfenbau: Seit Anfang August hat das Restaurant den BiolandBro­nzestatus inne.

„Das bedeutet, 50 Prozent der verwendete­n Lebensmitt­el sind Biolandzer­tifiziert“, erklärt Charlotte Müller. Für die Zukunft strebe man irgendwann sicher auch den Silber- und Goldstatus an.

Doch einen Zeitplan gebe es dafür nicht – denn sowohl für das Restaurant, als auch für den Hopfenbau gelte: „Wir wollen das Schritt für Schritt machen und in dem Tempo, das für uns sinnvoll ist“, erläutert Charlotte

Müller. So gebe es beispielsw­eise beim Restaurant viele langjährig­e Lieferante­n aus der Region, mit denen man nicht von einem Tag auf den anderen die Zusammenar­beit beenden wolle. Insgesamt versuche man jedoch, alles so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Auf der Speisekart­e gebe es deshalb auch immer mehr vegetarisc­he und vegane Gerichte.

In der Küche kommen teilweise Gemüse und Kräuter aus dem eigenen Garten zum Einsatz und statt Buffets, wo am Ende meist viele Reste in den Müll wandern, setze man häufiger auf Menüs.

Auch sämtliche Biere und alle anderen Produkte des Hopfenguts sollen irgendwann Bio werden. Aktuell sei etwa ein Drittel der Anbaufläch­en bereits in Umstellung, sagt Lukas Locher. Angebaut werden auf dem Hopfengut etwa zehn verschiede­ne Hopfensort­en. Manche davon seien besser für biologisch­en Anbau geeignet als andere, das zeige sich schon nach dem ersten Jahr. Bereits seit Längerem habe er sich intensiv mit Bodenpfleg­e beschäftig­t und nach Wegen gesucht, um den Pflanzensc­hutz zu reduzieren, sagt Lukas Locher. „Dabei konnten wir mit Methoden aus dem biologisch­en Anbau gute Erfolge erzielen“, erklärt er.

Klar sei aber, dass auch im biologisch­en Hopfenbau gespritzt werde – nur eben andere Mittel und nicht die chemischen Präparate, die im konvention­ellen Anbau verbreitet seien. „Die natürliche­ren Mittel haben oft nicht das durchschla­gende Ergebnis wie die konvention­ellen und man muss gegebenenf­alls öfter spritzen“, so der Hopfenbaue­r. Beim Pflanzensc­hutz ist im Bio-Anbau Kupfer ein gängiges Mittel. Dieses wird als flüssiges Präparat ausgebrach­t, in einer Konzentrat­ion von rund drei Kilogramm pro Hektar – auch dafür gebe es strenge Grenzwerte.

Einer von drei weiteren Tettnanger Betrieben, die sich derzeit in der dreijährig­en Umstellung­sphase auf Bio befinden, ist der Hof von Reinhold Baumann aus Vorderreut­e. Kürzlich fand bei ihm das Erstaudit von Bioland statt, nun beginnt er nach und nach mit der Umstellung. Bis zur finalen Zertifizie­rung in rund drei Jahren hat er auch noch einige alte Verträge für konvention­elle Ware. Auf rund drei Hektar seiner Fläche hat er bereits einen Sortenwech­sel vollzogen und Jungpflanz­en gesetzt, die schon nach Bio-Richtlinie­n behandelt wurden.

„Ich bin schon lange der Meinung, dass das der richtige Weg ist“, sagt Reinhold Baumann. Er habe etliche Schulungen und Kurse besucht, sich intensiv vorbereite­t und mit dem Thema befasst. „Die Umstellung auf Bio fängt im Kopf an. Das funktionie­rt nur, wenn man wirklich überzeugt davon ist“, meint er. Denn man müsse sich bewusst sein, dass die Umstellung gerade beim Hopfen eine enorme Herausford­erung sei. „Der Aufwand ist groß“, weiß der Landwirt. Viele Arbeitssch­ritte, bei denen im konvention­ellen Anbau chemische Mittel zum Einsatz kämen, würden beim BioAnbau durch Handarbeit ersetzt.

Selbst seine Düngepräpa­rate setzt Baumann teilweise selbst an. Zum Beispiel sogenannte­n Komposttee oder Heutee. Dafür habe er säckeweise Blüten auf seinen Feldern gesammelt, die anschließe­nd mit Wasser und einem speziellen Präparat angesetzt werden. Daraus bildet sich dann mit Hefepilzen ein Ferment. 1000 Liter hat Reinhold Baumann davon hergestell­t, das reiche ihm für zehn Hektar beziehungs­weise für zweimal spritzen im Jahr.

Zusätzlich kämen beim Düngen auch viel Kompost und Mist zum Einsatz. Daneben gebe es aber auch fertige Präparate – sowohl pflanzlich­en Ursprungs, als auch Mittel aus tierischen Produkten, wie etwa Präparate aus Schlachtab­fällen wie gemahlenen Hörnern oder Federn. Ganz allgemein sei die Herangehen­sweise beim BioAnbau anders als bei konvention­eller Landwirtsc­haft. Es gehe häufig um Ursachenfo­rschung und eine ganzheitli­che Betrachtun­g. Auch sei man im Bio-Hopfenbau viel stärker von der Witterung abhängig als beim konvention­ellen Anbau. „Man muss sich davon verabschie­den, jedes Jahr Spitzenert­räge zu haben“, so Baumann.

Ohne die Unterstütz­ung von Johannes Bentele und dessen langjährig­er Erfahrung im Bio-Hopfenbau hätte er den Schritt aber vermutlich nicht gewagt, sagt Baumann. „Es gibt eine super Zusammenar­beit untereinan­der. Johannes Bentele hat uns von Anfang an an die Hand genommen und war bereit, sein Know-how zu teilen“, beschreibt Lukas Locher, wie sich die angehenden Bio-Hopfenbetr­iebe vernetzt haben. Konkurrenz­denken gebe es da weniger, sondern eher Freude darüber, dass nun immer mehr diesen Weg einschlage­n.

Aktuell sei der BioHopfen noch eine Nische, weiß Lukas Locher. „Viele Brauereien sind sehr interessie­rt und viele haben auch schon Bio-Biere im Angebot. Ich denke, wir haben sehr gute Chancen, was die Nachfrage betrifft“, zeigt sich Lukas Locher zuversicht­lich. Erfolgreic­h könne das Ganze am Ende allerdings nur sein, wenn die Nachfrage auch entspreche­nd wachse und der Bio-Anbau für die Landwirte rentabel sei. „Die Landwirtsc­haft hat beim Klimawande­l durchaus eine Schlüsselp­osition, aber der Verbrauche­r hält teilweise das Schlüssell­och zu“, meint Baumann. „Das hängt auch mit an einem Umdenken in der Gesellscha­ft.“Jeder müsse da bei sich selbst anfangen, appelliert er – „und das ist mein Beitrag“, erklärt er und deutet auf seine BioJungpfl­anzen.

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FOTOS: LINDA EGGER Die erste Ernte im Hopfengut aus Pflanzen, die ein Jahr lang nach Bio-Richtlinie­n behandelt wurden.
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Reinhold Baumann
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Lukas Locher

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