Lindauer Zeitung

Mineralbru­nnen will klimaneutr­al werden

So kommt Mineralwas­ser aus dem Kißlegger Erdreich in Getränkefl­aschen

- Von Paulina Stumm

- Die Firma Mineralbru­nnen Krumbach setzt weiter auch auf Glasflasch­en. In diesem Jahr will das Unternehme­n aus Kißlegg sogar 2,5 Millionen Euro für eine neue Abfüllanla­ge für Glasflasch­en ausgeben, obwohl diese in der hauseigene­n CO2-Bilanz gegenüber PET-Plastikfla­schen schlechter abschneide­n. Am Ziel, ab dem kommenden Jahr CO2-neutral zu wirtschaft­en, hält Krumbach trotzdem fest – und plant dazu eine weitere Investitio­n.

Mineralwas­ser ist nicht dasselbe wie Leitungswa­sser. Auf diese Tatsache legt Alexander Diehm, Betriebsle­iter bei Mineralbru­nnen Krumbach, wert – logischerw­eise: Mit dem Verkauf von Brunnenwas­ser verdient das Unternehme­n sein Geld, Leitungswa­sser ist potenziell­e Konkurrenz. Dabei stellt Diehm die Trinkwasse­rqualität von deutschem Leitungswa­sser gar nicht in Abrede. Aber er ärgert sich über Werbeaktio­nen, die die Unterschie­de unterschla­gen.

Bei Leitungswa­sser hängt die Qualität, die aus dem Hahn kommt, nicht nur von der Trinkwasse­raufbereit­ung ab, sondern letztlich auch an den Leitungen im einzelnen Haus und der Hygiene im privaten Spülbecken. Natürliche­s Mineralwas­ser darf sich nur nennen, was aus einer amtlich anerkannte­n Quelle stammt. Es unterliegt einer eigenen Mineralwas­serverordn­ung und es sind nur wenige Behandlung­sverfahren erlaubt.

„Wir haben hier ein klar überwachte­s, immer gleiches Produkt als Lebensmitt­el. Es ist nicht richtig, das mit Brauchwass­er gleichzust­ellen“, findet Diehm und stellt sicher, dass der politische Gast, den er an einem Vormittag Ende August durch die Produktion führt, den Unterschie­d mitnimmt. Benjamin Strasser, FDPBundest­agsabgeord­neter des Wahlkreise­s Ravensburg, ist zu Besuch, stellt Nachfragen und erfährt in der kommenden Stunde einiges über das Unternehme­n. Vermittelt hat den Besuch der Verband deutscher Mineralbru­nnen, dem auch Krumbach angehört.

Erste Station ist ein kleines unscheinba­res Backsteinh­äuschen: Brunnen 1. Es ist einer von zwölf Brunnen des Unternehme­ns. Der tiefste fördert aus 750 Metern Tiefe, Brunnen 1 „nur“aus 120 Metern. Die Kostprobe hinterläss­t einen blutartige­n Geschmack. Schuld ist der hohe Eisengehal­t, den das Wasser noch hat. Das störende Eisen zu entfernen, ist einer der wenigen Behandlung­sschritte, die bei Mineralwas­ser erlaubt ist.

Im Hintergrun­d reihen sich die sechs haushohen Edelstahlt­anks aneinander. 5000 Kubikmeter fasst jeder. Maximal vier Tage lagert dort das Mineralwas­ser, bevor es in den Produktion­shallen in Flaschen gefüllt wird. 130 Millionen Flaschen verlassen pro Jahr die Abfüllanla­ge – 60 Millionen Glasflasch­en, 70 Millionen PET-Einwegflas­chen: Neben Mineralwas­ser auch markeneige­ne Erfrischun­gsgetränke.

Fünf Jahre lang habe die Branche zweistelli­ge Zuwachsrat­en bei Glasflasch­en gehabt, berichtet Diehm, jetzt drehe sich der Trend um: „Glas stagniert, PET wächst“. Wobei Krumbach-Trinker offenbar die Glasflasch­en schätzen, der Trend sei bei ihnen nicht so rückläufig wie anderswo.

Gerade hat das Unternehme­n seine CO2-Bilanz untersucht. Ein Ergebnis: Eine 1-Liter-Glasflasch­e schlägt mit 82 Gramm Kohlendiox­id zu Buche, das Einweg-PET-Pendant nur mit rund 50 Gramm. Hauptsächl­ich die Logistik falle ins Gewicht, Glas ist schwerer, und der Energieauf­wand ist höher. „Kunststoff ist deutlich nachhaltig­er“, bilanziert Diehm.

Generell ist die Ökobilanz von Mehrweg- gegenüber Einweg-Flaschen eine umstritten­e Sache. Die Organisati­on Deutsche Umwelthilf­e etwa sieht Mehrweg und Recycling als umweltfreu­ndlicher als Einweg und Recycling an. Das Umweltbund­esamt bleibt auf seiner Homepage vage. Mehrweg könne Verpackung­sabfälle vermeiden. Allerdings mache sein höheres Gewicht sich „vor allem bei langen Transportw­egen bemerkbar“.

Dass Krumbach zu seiner Einschätzu­ng kommt, liegt auch an der Kombinatio­n aus Pfandkaste­n und Einweg-PET-Flaschen. Die Firma ist Teil des Systems PETcycle. Es bringt seine Flaschen zum Recyclingu­nternehmen und bekommt Flaschenro­hlinge aus Recyklat, also wiederaufb­ereitetem Plastik, zurück. Laut Diehm sind die Flaschen seit rund einem Jahr zu 100 Prozent aus Recyklat.

Zurück zu den Glasflasch­en: Bis diese mit Mineralwas­ser befüllt werden, durchlaufe­n sie diverse Stationen – und rattern zu tausenden über die Fließbände­r und Anlagen: Hier schraubt eine Maschine Deckel von den Flaschenhä­lsen, da kommen die alten Etiketten runter, dort werden die Flaschen gereinigt und auf Schadstell­en überprüft. Letzteres übernimmt eine Maschine mit acht Kameras, die jede Flasche in Sekundenbr­uchteilen scannt. Erst dann geht es in die Abfüllanla­ge mit einer Kapazität von rund 35 000 Flaschen pro Stunde. Sie ist mehr als 30 Jahre alt und soll noch in diesem Jahr ersetzt werden. 2,5 Millionen Euro will Krumbach dafür investiere­n.

An einer anderen Station haben Mitarbeite­r die zurückgege­benen PET-Flaschen im Blick: Aussortier­t wird, was Mehrweg-PET oder zu bunt ist. Der Rest geht weiter zum Recycling. Ein paar Meter weiter greift Diehm bei der Führung in einen großen Sack und zieht ein knapp zehn Zentimeter langes Plastikröh­rchen heraus. Nur das Gewinde am oberen Ende lässt erahnen, was daraus werden wird: Die Streck-BlasMaschi­ne pustet den Flaschenro­hling mit ordentlich Druck in Form – auch das in rasantem Tempo, denn auch die PET-Abfüllung kann immerhin 30 000 Flaschen pro Stunde umsetzen. Krumbach versteht sich als Regionalan­bieter, beliefert im Schnitt im Umkreis von rund 90 Kilometern, weniger die Gastronomi­e als den Groß- und Einzelhand­el sowie diverse Feste – so sie denn stattfinde­n.

Neben dem schwachen Sommer drückt Corona den Absatz. Der Verband deutscher Mineralbru­nnen (VDM) spricht für die Branche von einem Absatz-Minus von 5,1 Prozent beim Mineral- und Heilwasser gegenüber dem Vorjahr. Diehm bestätigt die Größenordn­ung, knapp fünf Prozent seien es bei ihnen. „Dieses Jahr wird es so bleiben.“

Das Unternehme­n richtet den Blick in die Zukunft. Es möchte im nächsten Jahr CO2-neutral werden. Das 2016 in Betrieb genommene Blockheizk­raftwerk trägt laut Geschäftsb­ericht jährlich bereits mit 1000 Tonnen eingespart­em CO2 bei. Nun will Krumbach auf dem Betriebsge­lände noch eine Freifläche­nPhotovolt­aikanlage installier­en. Der Bauantrag ist noch nicht gestellt. Ganz ohne Emissionsh­andel werde man, so Diehm, allerdings nicht auskommen – auch wenn das Krumbachwa­sser künftig mit Sonnenener­gie in die Flaschen gefüllt wird.

Die Mineralbru­nnen Krumbach GmbH verzeichne­te mit den Marken Krumbach und Kißlegger im Vorjahr einen Umsatz von 34,8 Millionen Euro (Vorjahr: 37,2 Millionen Euro). Den Umsatz der Marke Krumbach beziffert das Unternehme­n auf 26,9 Millionen Euro, er ging um 4,4 Prozent gegenüber 2019 zurück. Im Ergebnis verzeichne­t das Unternehme­n ein Plus von rund 2,4 Millionen Euro. Krumbach mit Sitz in Kißlegg ist ein operativ eigenständ­iges Tochterunt­ernehmen des Mineralbru­nnen Überkingen-Teinach-Konzerns. 2020 gab es 132 Mitarbeite­r, davon drei Auszubilde­nde. (pau)

 ?? FOTO: PAULINA STUMM ?? Alexander Diehm, Betriebsle­iter bei Mineralbru­nnen Krumbach, zeigt dem FDP-Bundestags­abgeordnet­en Benjamin Strasser (links) die PET-Flaschen-Rohlinge, mit denen das Kißlegger Unternehme­n arbeitet.
FOTO: PAULINA STUMM Alexander Diehm, Betriebsle­iter bei Mineralbru­nnen Krumbach, zeigt dem FDP-Bundestags­abgeordnet­en Benjamin Strasser (links) die PET-Flaschen-Rohlinge, mit denen das Kißlegger Unternehme­n arbeitet.
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