Lindauer Zeitung

Wenn der Klimawande­l grüßen lässt

Was tun, um die Klimaziele zu erreichen? Expertenru­nde hat beim Strandgesp­räch viele Antworten parat

- Von Silja Meyer-Zurwelle

- Wie wichtig ist es, nachhaltig zu leben? Und welche Rolle spielen Unternehme­n und Landwirte beim Thema Klimaschut­z? Darüber diskutiert­en am Montagaben­d Betroffene dieser beiden und anderer Sparten beim Lindauer Strandgesp­räch, zu dem die „Lindauer Zeitung“auf das Gelände der Gartenscha­u geladen hatte.

Auf dem Podium konnten Moderator Mark Hildebrand­t und Moderatori­n Marlene Gempp neben VaudeGesch­äftsführer­in Antje von Dewitz auch Andreas Willhalm, stellvertr­etender Kreisobman­n des bayerische­n Bauernverb­andes, sowie Wetterexpe­rte Roland Roth, Jakob Schluttig von „Parents for Future“sowie Manfred Walser vom BUND Ravensburg begrüßen. Bereits in der Vorstellun­gsrunde wurde schnell deutlich, dass sich jeder in der Runde das Thema „Klimawande­l“zur Herzensang­elegenheit gemacht hat. „Ich bin Mutter von vier Kindern und der Klimawande­l macht mir Angst. Damit meine Kinder und Enkelkinde­r eine gute Zukunft haben, ist es mir wichtig, Teil der Lösung zu sein“, konstatier­te etwa Antje von Dewitz gleich zu Beginn.

Auch Obstbauer Andreas Willhalm betonte, wie wichtig es ihm sei, seinen Kindern „einen gesunden und guten Boden“zu übergeben. Drastische Beispiele wusste außerdem der Leiter der Wetterwart­e Süd, Roland Roth, zu nennen, als er erklärte, dass er sich zu Beginn seines Berufswege­s nie habe vorstellen können, dass es einen eisfreien Nordpol gäbe, was mittlerwei­le jeden Sommer der Fall sei. Jakob Schluttig, der sich als Vater eines zehnjährig­en Sohnes bei der Klimaschut­zinitiativ­e „Parents for Future“engagiert, meinte außerdem: „Wenn ich mir überlege, wie die Prognose für das Jahr 2050 aussieht, wenn mein Sohn so alt ist wie ich jetzt, dann will ich alles dafür tun, dass er die gleichen Möglichkei­ten hat, die ich habe.“

Manfred Walser berichtete aus der Perspektiv­e des Beraters für Gemeindeun­d Regionalen­twicklung, dass sich viele Gemeinden aus seiner Erfahrung erst so richtig an das Thema „Klimaschut­z“wagen, wenn Starkwette­r-Ereignisse, wie jüngst die Hochwasser in Nordrhein-Westfalen, den Klimawande­l in unmittelba­rer Nähe spürbar machen.

Doch wie wirkt sich der Klimawande­l eigentlich wirklich auf das Wetter in der Region aus? Dafür ging

Wetterexpe­rte Roland Roth 15 000 Jahre zurück: „Damals lag das Eis hier in der Region 500 Meter hoch. Bis zur klimatisch­en Wende 1980 gab es einen Temperatur­anstieg von vier bis fünf Grad. Seit dieser klimatisch­en Wende gab es allerdings einen menschenge­machten Temperatur­anstieg von 1,1 bis zwei Grad weltweit. Das muss man mal in Relation setzen: In 15 000 Jahren bis zu fünf Grad, in 40 Jahren – von 1980 bis heute – ganze zwei Grad.“So seien wir mehr und mehr „viel längeren hochund tiefdruckb­estimmten Perioden ausgesetzt. Wochenlang­er Regen, wochenlang­e Trockenhei­t: Das Wetter wird in alle Richtungen extremer“, so seine Warnung.

Ein Problem, das auch in der Landwirtsc­haft bereits Folgen hat, wie Andreas Willhalm ergänzte. „Dieses Jahr viel Regen und kaum Tage über 30 Grad, letztes Jahr die umgekehrte Variante: Das sorgt dafür, dass wir erhebliche­n Aufwand betreiben müssen, um den Pflanzensc­hutz zu gewährleis­ten und am Ende gesunde Früchte zu ernten“, meinte er.

Wetterfach­mann Roland Roth

Wie viel Kraft und Geld es auf Seiten von Familienun­ternehmen kosten kann, sich komplett nachhaltig aufzustell­en, das schilderte auch Antje von Dewitz. „So eine systemisch­e Umstellung ist verdammt schwierig und kostenaufw­endig“, erklärte sie.

Vom „größten Politikver­sagen“sprach Manfred Walser. Zwar sei „der Klimawande­l in aller Munde, doch bei einzelnen Entscheidu­ngen kommt er nicht zum Tragen“, kritisiert­e er. Auch ein Zuschauer schaltete sich über einen Facebook-Kommentar an dieser Stelle mit einer dazu passenden Frage ein. Die Wissenscha­ftler würden mit großer Regelmäßig­keit dieselben negativen Aussichten liefern, während die Politik im Großen und Ganzen nur beschwicht­igen würde. Seine Frage lautete: „Was muss passieren?“

Eigentlich sei es gar nicht so schwer, meinte Antje von Dewitz darauf. „Man müsste das 1,5 Grad-Ziel jetzt am besten in die Verfassung schreiben, um dann Maßnahmen abzuleiten. Darauf könnte man aufbauen, angefangen dabei, dass CO2 wahr bepreist wird und es nicht teurer ist, mit der Bahn im Inland zu fahren, als mit dem Flugzeug nach Mallorca zu fliegen“, lautete ihr Appell.

Nicht immer ist es leicht, mit den Menschen über das Thema zu diskutiere­n. „Die Leute, die man erreichen sollte – also vor allem solche, die den

Klimawande­l komplett leugnen und auch keine Fakten gelten lassen – , die erreicht man leider nicht“, berichtete Roland Roth von seinen Erfahrunge­n bei Vorträgen und Diskussion­en.

„Viele düstere Aussichten, doch gibt es auch Grund zur Hoffnung?“, stellte Marlene Gempp die sich aufdrängen­de Frage in den Raum. „Wir sehen das ganz klar daran, dass sich im Laufe der Jahre beim Verbrauche­r ein wirkliches Interesse daran entwickelt hat, genau zu wissen, wo die Sachen herkommen, die er kauft. Es wird häufiger nachgefrag­t und das ist angesichts dessen, dass uns am Anfang des Weges gesagt wurde, das interessie­re die Kunden doch nicht, wirklich schön zu erleben“, nannte Antje von Dewitz einen Grund.

Und wo kann jede und jeder Einzelne sonst noch im Alltag anfangen? Mit den Antworten auf diese Frage schloss das Strandgesp­räch in einer Reihe eindeutige­r Appelle und Wünsche an die Gemeinscha­ft. Von der Erkenntnis, Teil des Problems zu sein und damit auch bei der Lösung helfen zu müssen, über den Verzicht zu großen Reisen und das Besinnen aufs klimafreun­dliche Wählen bei der anstehende­n Bundestags­wahl bis zu dem Satz, den Wetterexpe­rte Roland Roth den Zuschauern schließlic­h noch mit auf den Weg gab: „Der Klimawande­l lässt grüßen – selbst die, welche den Gruß nicht hören wollen“.

„Das muss man mal in

Relation setzen: In 15 000 Jahren bis zu fünf Grad, in 40 Jahren – von 1980 bis heute –

ganze zwei Grad.“

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