Lindauer Zeitung

Immer mehr Radler nutzen den Bodenseera­dweg

Entlang der Strecke gibt es viele Nutzungsko­nflikte – Ein Blick nach Lindau und in den Bodenseekr­eis

- Von Barbara Baur

- Der Bodenseera­dweg platzt besonders an schönen Sommertage­n aus allen Nähten – und so manchem Radler platzt der Kragen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist es noch voller geworden auf dem 260 Kilometer langen Weg, der an vielen Sehenswürd­igkeiten vorbei durch drei Länder führt. Kein Wunder, er zählt zu den beliebtest­en Radfernweg­en Europas. Was für viele Touristen ein Vergnügen ist, bereitet Polizei und Kommunen viel Arbeit. Für Anwohner werden die Radler immer mehr zur Plage.

Einerseits liegt Urlaub im eigenen Land im Trend, anderersei­ts sind EBikes und Pedelecs so gefragt wie noch nie. „Es setzen sich viele wieder aufs Rad, die auf ein normales Fahrrad keine Lust gehabt hätten“, sagt Thomas Steur, Chef der Polizeiins­pektion Lindau. Deutlich mehr Unfälle habe die Polizei aber nicht registrier­t. „2021 haben wir im Stadtgebie­t Lindau bisher 13 Unfälle aufgenomme­n. Dafür, dass Tausende Radler hier unterwegs sind, ist das nicht viel.“

Tatsächlic­h sind in Lindau auf dem Bodenseera­dweg jedes Jahr gut eine halbe Million Radler unterwegs. Die Stadt hat am Lotzbeckwe­g eine Dauerzähls­telle installier­t. 2019 zählte sie rund 503 000 Radler, 2020 waren es sogar rund 544000 Radler. „Das sind 8,27 Prozent mehr als 2019“, sagt der Lindauer Mobilitäts­manager Jaime Valdés Valverde. Dieses Jahr scheint die Zahl wieder etwas zurückzuge­hen. Bis Ende August wurden 374 000 Radler gezählt.

Zu Spitzenwer­ten kommt es im Juli und August. Am meisten ist samstags und sonntags zwischen 11 und 16 Uhr los, wenn im Durchschni­tt mehr als 150 Radfahrer pro Stunde durch den Lotzbeckwe­g fahren. Der Tageshöchs­twert liegt bei knapp 5200 Radfahrern. An einem schönen Sommertag radeln durchschni­ttlich 4500 Menschen an der Zählstelle vorbei. An ruhigen Tagen sind es gut 1000 Fahrradfah­rer. „Wenn es regnet, geht die Zahl deutlich nach unten. Dann sind vor allem noch Pendler unterwegs“, sagt Jaime Valdés Valverde.

Offensicht­lich sei, dass viele Radler unerfahren seien und ihnen die Praxis fehle, sagt Steur. Denn ein Großteil der Unfälle geschehe „alleinbete­iligt“, wie es die Polizei formuliert, also wenn außer dem Unfallveru­rsacher niemand darin verwickelt ist. Das können Stürze beim Anhalten oder über Bordsteink­anten sein. Gefährlich wird es laut Steur insbesonde­re im Begegnungs­verkehr, wenn der Weg von Radlern, Fußgängern und vielleicht sogar noch von Autofahrer­n genutzt wird und Parksuchve­rkehr

Thomas Steur, Polizeiins­pektion Lindau

hinzukommt.

„Ein echter Konfliktpu­nkt ist in der Eichwaldst­raße an der Therme“, sagt er. Dort sind Parkplätze schräg zur Fahrbahn angeordnet, die eine leichte Kurve macht. Außerdem ist die Straße recht schmal, sodass die Autofahrer vor allem beim Ausparken besonders gut aufpassen müssen. „Rückwärts ausparken ist dort brutal gefährlich“, sagt Steur. Die Straße ist ohnehin schmal. Der Platz reicht für Autofahrer kaum aus, um

Radler mit den vorgeschri­ebenen Mindestabs­tand von 1,5 Metern zu überholen – zumal dort auch aus der Gegenricht­ung Radler und Fahrzeuge kommen.

Für den Bodenseekr­eis gibt es keine Zahlen, was das Verkehrsau­fkommen auf dem Bodenseera­dweg betrifft. Doch das soll sich ändern. Der ADFC hat im Auftrag des Landratsam­ts im Juli Radfahrer und Fußgänger gezählt. An neun Stellen zwischen Kressbronn und Sipplingen, allein drei davon in Friedrichs­hafen, haben die Helfer an einem Werktag und einem Sonntag Strichlist­en geführt. Die genauen Zahlen sollen erst im Herbst veröffentl­icht werden. Doch wie Bernhard Glatthaar, der Vorsitzend­e des ADFC Bodenseekr­eis, schon vorab verrät, ist der erste Schwung – Pendler und Schüler – schon früh am Morgen unterwegs. Nachdem sie durchgefah­ren sind, werde es ruhig. Die Touristen setzten sich ab etwa 9.30 Uhr aufs Rad, und dann steppe bis etwa 18 Uhr auf dem Radweg der Bär.

Auf dem Bodenseera­dweg geht es teilweise sehr eng und durchaus ruppig zu. „Die Räder werden schneller und die Lenker breiter“, sagt Glatthaar. „Die Infrastruk­tur muss mehr Platz kriegen.“Besonders kritische

Bereiche sind laut dem ADFC-Vorsitzend­en die Friedrichs­traße in Friedrichs­hafen, die Kreuzung am Ende der Ausbaustre­cke der B 31-neu zwischen Fischbach und Immenstaad, die Engstelle bei Maurach und die Bahnübergä­nge in Überlingen. Am Fuß- und Radweg an der Friedrichs­traße sieht er einen klassische­n Nutzungsko­nflikt. „Jeder Verkehrspl­aner müsste wissen, dass Fuß- und Radverkehr getrennt werden müssten“, sagt er. Die Mischung führe gerade bei hohem Verkehrska­ufkommen zu zahlreiche­n Konflikten, Stress und Beinaheunf­ällen. „Das taucht in keiner Statistik auf “, sagt er. Der Ton sei teilweise sehr rau, die Stimmung sei am Kippen.

Alexander Heinrich kann das bestätigen. Der 37-Jährige wohnt in Hagnau direkt am Bodenseera­dweg. Dort sind nicht nur Radler, sondern auch Fußgänger, Badegäste und Anwohner unterwegs, wobei letztere im Sommer zahlenmäßi­g den geringsten Anteil ausmachen dürften. Wie er schildert, kommt es dort täglich zu Auseinande­rsetzungen. „Leute schreien sich an und beleidigen sich, manche sind kurz davor, handgreifl­ich zu werden“, sagt er. „Jeder denkt, er sei im Recht.“Der Abschnitt ist eine Spielstraß­e, erlaubt sind sieben Stundenkil­ometer. Das beachtet aber kaum jemand. Das sei schon immer so gewesen, doch mit dem massenhaft­en Aufkommen der E-Bikes noch extremer geworden, berichtet Heinrich. Dabei verstehe er, dass es für Radler fast nicht machbar sei, wirklich Schrittges­chwindigke­it zu fahren.

Eine gewisse Rücksichtn­ahme würde sich der Hagnauer trotzdem wünschen. „Für uns ist es oft schwierig, mit dem Auto überhaupt aus der Einfahrt zu fahren oder zu unserem Haus abzubiegen. Viele schlängeln sich einfach vorbei“, sagt er. Das sei richtig gefährlich. Es gehe nicht darum, dass sie fahren, sondern wie sie fahren, betont Heinrich.

Thomas Steur von der Lindauer Polizei rät allen Verkehrste­ilnehmern, sich Paragraf 1 der Straßenver­kehrsordnu­ng zu Herzen zu nehmen. Dort steht: „Die Teilnahme am Straßenver­kehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseiti­ge Rücksicht.“Wer am Verkehr teilnehme habe sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet, behindert oder belästigt werde, zitiert Steur das Gesetz. „Wenn jeder ein bisschen runterschr­aubt und sich zurückhalt­ender verhält, dann macht auch das Radfahren wieder mehr Spaß.“

„Ein echter Konfliktpu­nkt ist in der Eichwaldst­raße an der

Therme.“

 ?? FOTO: BARBARA BAUR ?? Autos, Radler, Parkplätze: In der Eichwaldst­raße an der Lindauer Therme ist der Bodenseera­dweg besonders unübersich­tlich. „Rückwärts ausparken ist dort brutal gefährlich“, sagt der Lindauer Polizeiche­f Thomas Steur.
FOTO: BARBARA BAUR Autos, Radler, Parkplätze: In der Eichwaldst­raße an der Lindauer Therme ist der Bodenseera­dweg besonders unübersich­tlich. „Rückwärts ausparken ist dort brutal gefährlich“, sagt der Lindauer Polizeiche­f Thomas Steur.

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