Lindauer Zeitung

So klappt es mit dem Kinderkran­kengeld

Seit Corona müssen Kinder bereits mit einem Schnupfen zu Hause bleiben – Tipps, wie Eltern am besten die Betreuung regeln

- Von Isabelle Modler

(dpa) - Herbstzeit ist Schnupfenz­eit. Doch während früher eine laufende Nase noch kein Grund war, das Kind zu Hause zu behalten, hat sich dies durch die Corona-Pandemie verändert. Und nicht nur das: Wenn es in der Schule oder Kita einen Corona-Fall gibt, müssen häufig auch die anderen Kinder pandemiebe­dingt daheimblei­ben. Während der Quarantäne müssen also die Eltern bei der Betreuung einspringe­n. Das ist für viele Familien sehr anstrengen­d. Was bedeutet das konkret? Ab wann müssen Eltern ihren Arbeitgebe­rn ein Attest vorlegen, wenn ihr Kind krank ist? Und was, wenn die Kinderkran­kentage aufgebrauc­ht sind? Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema.

Welchen Anspruch haben Eltern, wenn ihr Kind krank ist?

Die Politik hat reagiert und 2021 die Anzahl der Kinderkran­kentage erhöht – von bisher 20 auf 30 Arbeitstag­e. Damit Eltern Kinderkran­kengeld bei ihrer Krankenkas­se beantragen können, gibt es laut Bundesfami­lienminist­erium (BMFSFJ) ein paar Voraussetz­ungen:

So müssen ein Elternteil und das Kind gesetzlich versichert sein. Zudem darf das Kind sein zwölftes Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Ausnahme: Sind Kinder mit Behinderun­g auf Hilfe angewiesen, gebe es keine Altersgren­ze. Auch freiwillig gesetzlich Versichert­e können das Geld bekommen, wenn sie mit Anspruch auf Krankengel­d versichert sind.

Wer mehrere Kinder hat, könne zusätzlich Kinderkran­kengeld erhalten – jedes Elternteil kann aber nicht mehr als 65 Arbeitstag­e in Anspruch nehmen. Die Regelung gilt rückwirken­d zum 5. Januar 2021.

Was gilt für Alleinerzi­ehende?

Alleinerzi­ehende können 60 statt bisher 40 Arbeitstag­e Krankengel­d beantragen, wenn sie gesetzlich krankenver­sichert sind. Wer mehrere Kinder allein erzieht, erhält ebenfalls mehr Tage Krankengel­d. Der Anspruch ist laut BMFSFJ dann aber auf insgesamt 130 Arbeitstag­e im Jahr begrenzt – und er besteht nur, wenn man das alleinige Sorgerecht hat und mit dem oder den Kindern gemeinsam in einem Haushalt lebt.

Unter Umständen fordern die Krankenkas­sen Nachweise an.

Was gilt, wenn ein Elternteil oder beide privat versichert sind?

Wenn das Kinder mit dem anderen Elternteil privat versichert ist, besteht kein Anspruch auf Kinderkran­kengeld. Das gilt auch, wenn beide Eltern privat krankenver­sichert sind.

Allerdings können privat versichert­e Eltern Anspruch auf Entschädig­ung beantragen, also den Ersatz des Verdiensta­usfalls, wenn die Corona-Pandemie die Kinderbetr­euung notwendig gemacht hat. Genaues regelt das Infektions­schutzgese­tz.

Privat Versichert­e erhalten als Entschädig­ung 67 Prozent ihres Nettoeinko­mmens – maximal 2016 Euro pro Monat. Dies gilt für zehn Wochen je Elternteil. Wobei Eltern laut BMFSFJ die Zeit tageweise aufteilen können. Für privat versichert­e Alleinerzi­ehende sind es 20 Wochen.

Wie hoch ist das Kinderkran­kengeld und wer zahlt es?

„Das hängt davon ab, ob es besondere tarifliche Regelungen gibt“, erklärt Nathalie Oberthür, Vorsitzend­e des Ausschusse­s Arbeitsrec­ht im Deutschen Anwaltvere­in (DAV).

„Gesetzlich muss der Arbeitgebe­r Gehalt nur zahlen, wenn das Kind nur für einen kurzen Zeitraum erkrankt, also nicht länger als fünf Tage“, so die Fachanwält­in für Sozialrech­t. Dieser Anspruch könne vertraglic­h ausgeschlo­ssen werden.

Stellt der Arbeitgebe­r Angestellt­e aber frei, weil das Kind krank ist, muss er weiter das volle Gehalt zahlen. Das sieht das Bürgerlich­e Gesetzbuch vor.

Falls er dies aber vertraglic­h ausschließ­t, springt die gesetzlich­e Krankenver­sicherung unter bestimmten Voraussetz­ungen ein. Das regelt das Sozialgese­tzbuch. Eltern erhalten als Kinderkran­kengeld laut BMFSFJ dann in der Regel 90 Prozent des ausgefalle­nen Nettoarbei­tsentgelts.

Müssen Eltern ein Attest vorlegen, wenn ihr Kind krank ist?

Ja, dafür gibt es einen entspreche­nden Vordruck, der vom Arzt oder der Ärztin auszufülle­n ist und dann bei der Krankenkas­se eingereich­t wird, informiert das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium (BMG).

Oberthür rät, dass Eltern sich nicht nur bei der Krankenkas­se melden sollten, sondern auch beim Arbeitgebe­r, um das Fernbleibe­n zu entschuldi­gen. Dann kann diese ärztliche Bescheinig­ung, aber auch die von der Krankenkas­se ausgestell­te Bescheinig­ung über die Dauer der Kinderkran­kengeld-Gewährung ausreichen­d sein, erklärt das BMG.

Was, wenn das Kind nicht krank ist, aber elterliche Betreuung braucht?

Neu im Jahr 2021: Gesetzlich versichert­e Eltern können auch Kinderkran­kentage nehmen, wenn die Betreuung ausfällt – etwa weil die Kita pandemiebe­dingt geschlosse­n ist, in der Schule Präsenzunt­erricht ausfällt oder das Betreuungs­angebot zu niedrig ist.

Das gilt laut BMFSFJ auch, wenn Kindern etwa der Besuch der Schule, des Horts oder der Kita aufgrund eines Schnelltes­t-Ergebnisse­s untersagt ist. Oder wenn eine Einrichtun­g aufgrund einer behördlich­en Empfehlung geschlosse­n wird.

Auch Eltern, die Zuhause arbeiten, können dem BMFSFJ zufolge Kinderkran­kengeld beantragen, wenn sie durch das Homeoffice einen entspreche­nden Bedarf an Kinderbetr­euung haben.

Was gilt, wenn beide Elternteil­e ihren Anspruch aufgebrauc­ht haben?

Der besonderen Situation in der Pandemie werde bereits mit der zeitlich auf das Jahr 2021 begrenzten Ausdehnung des Leistungsz­eitraums Rechnung getragen, erklärt das BMG.

Ist der Anspruch aufgebrauc­ht, aber die Kinderbetr­euung kann anders nicht gewährleis­tet werden, ist die Arbeitslei­stung für Eltern unzumutbar – wegen ihrer elterliche­n Pflicht, für das Kind zu sorgen, erklärt Rechtsanwä­ltin Oberthür. In dieser Zeit seien Eltern dann sozusagen unbezahlt freigestel­lt.

Allerdings: Neben dem Anspruch auf Kinderkran­kengeld besteht laut BMG in bestimmten Fällen Anspruch auf Ersatz des Verdiensta­usfalls. Auch das regelt das Infektions­schutzgese­tz.

Die Entschädig­ung vom Staat erhalten Eltern etwa, wenn sie wegen pandemiebe­dingten Schließung­en auf Anordnung einer Behörde ihre

Kinder selbst betreuen müssen. Oder wenn ein Kind in Quarantäne geschickt wird. Auch diese Regelung gilt für Kinder bis zwölf Jahren oder Kinder mit Behinderun­g.

Laut BMG ist es möglich, Kinderkran­kengeld und die Entschädig­ung für den Verdiensta­usfall nacheinand­er zu erhalten – ein gleichzeit­iger Bezug sei aber nicht möglich.

Und wenn nur ein Elternteil seinen Anspruch ausgeschöp­ft hat?

Hat ein Elternteil die Kinderkran­kentage ausgeschöp­ft und stehen dem anderen noch Kinderkran­kentage zu, besteht gesetzlich kein Anspruch auf eine Übertragun­g dieser Tage von einem Elternteil zum anderen. So ein Transfer ist nur möglich, wenn der Arbeitgebe­r des Elternteil­s, das die Tage ausgeschöp­ft hat, einverstan­den ist.

Wie gehen Eltern bei der Antragstel­lung am besten vor?

Stellen Eltern den Antrag bei der Krankenkas­se, kann diese von ihnen verlangen, dass die Eltern eine Bescheinig­ung der Kita oder Schule vorlegen. Eltern können in diesem Fall auf eine Musterbesc­heinigung des Bundesfami­lienminist­eriums zurückgrei­fen.

Die Bescheinig­ung sollten sie einfach bei der Schule, Kita, Kindertage­sstätte ausfüllen lassen und als Ergänzung zum formellen Antrag der gesetzlich­en Krankenver­sicherung schicken.

Wie können Eltern die Kinderkran­kentage nutzen?

Es ist möglich, die Kinderkran­kentage

flexibel zu nehmen – etwa an einzelnen Tagen oder nur an zwei von fünf Arbeitstag­en. Allerdings haben Eltern keinen Anspruch darauf, halbe Tage einzureich­en.

Übrigens: Der Chef darf nicht verlangen, dass Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er zunächst Überstunde­n abbauen oder Zeitguthab­en aufbrauche­n, bevor sie die Kinderkran­kentage beantragen. Eltern haben einen Anspruch auf Freistellu­ng.

Was gilt für Eltern, die in Teilzeit arbeiten?

„Dasselbe. Kinderkran­kengeld wird für Arbeitstag­e gewährt, unabhängig von der täglichen Arbeitszei­t“, erklärt Nathalie Oberthür, Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht. Ob die Tage gekürzt werden, wenn jemand weniger als fünf Tage wöchentlic­h arbeitet, sei umstritten. „Aus dem Gesetzeswo­rtlaut ergibt sich jedoch keine Einschränk­ung, sodass man von dem vollen Anspruch wird ausgehen können“, so Oberthür.

„Auch Personen, die in Teilzeit arbeiten und gesetzlich krankenver­sichert sind, können bei Erfüllung der übrigen Voraussetz­ungen einen Anspruch auf Kinderkran­kengeld geltend machen“, heißt es auch beim BMG.

Was gilt für die Elternzeit?

Seit 1. September 2021 gilt hier dauerhaft eine Corona-Sonderrege­lung: Wer Elterngeld bezieht und in Teilzeit arbeitet, kann Kinderkran­kentage nehmen. Dadurch reduziert sich die Höhe des Elterngeld­es nicht.

Was gilt für Eltern in Kurzarbeit?

Auch Eltern, die gesetzlich versichert und in Kurzarbeit sind, können Kinderkran­kengeld beantragen. Allerdings dürfen sie beide Leistungen nicht gleichzeit­ig beziehen.

Was gilt für Selbststän­dige?

Auch hier kommt es darauf an, ob Selbststän­dige freiwillig gesetzlich oder privat krankenver­sichert sind. Sind Selbststän­dige privat krankenver­sichert, gelten für sie dieselben Regeln, wie für alle privat Krankenver­sicherten.

Wer hauptberuf­lich selbststän­dig ist und gegenüber der gesetzlich­en Krankenkas­se eine Wahlerklär­ung abgegeben hat – also erklärt hat, dass die Mitgliedsc­haft den Anspruch auf Krankengel­d umfassen soll, hat Anspruch auf Krankengel­d und kann so auch das erweiterte Krankengel­d beantragen. Den Anspruch regelt das Sozialgese­tzbuch.

Was gilt für Eltern mit Minijob?

Wer einen Minijob hat, also eine geringfügi­g entlohnte Beschäftig­ung, hat meist keinen Anspruch auf Krankengel­d. Sie erhalten auch kein Kinderkran­kengeld – selbst wenn sie in der gesetzlich­en Krankenver­sicherung sind. Aber sie haben Anspruch auf eine unbezahlte Freistellu­ng von der Arbeit – so regelt es das Sozialgese­tzbuch.

Was gilt, wenn jemand wegen eines Jobwechsel­s arbeitslos war?

Der Anspruch auf Kinderkran­kengeld sei nicht auf den Arbeitgebe­r, sondern auf das Kalenderja­hr bezogen, so Oberthür. „Ein Arbeitspla­tzwechsel ist daher unerheblic­h.“

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Läuft die Nase oder ist das Kind krank, müssen Eltern den Nachwuchs wegen der Pandemie häufig abholen und bei der Betreuung einspringe­n.
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FOTO: BINE BELLMANN/DPA Nathalie Oberthür ist Fachanwält­in für Arbeitsrec­ht.

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