Grötsch will eine „neue progressivere Koalition“
Umfragehoch sorgt für gute Stimmung bei Herbstklausur der SPD-Landtagsfraktion in Bayern
- In erkennbar aufgeräumter Stimmung präsentierten sich am Mittwoch in München der bayerische SPD-Landesvorsitzende und Chef der SPD-Landtagsfraktion Florian von Brunn und der Spitzenkandidat der Bayern-SPD für die Bundestagswahl Uli Grötsch zum Auftakt der Herbstklausur der sozialdemokratischen Landtagsfraktion in München. Grund dafür war auch die jüngste Umfrage des Senders Sat.1, welche die SPD im Freistaat bei 18 Prozent taxiert. Von Brunn sah das Ziel einer Bundesregierung ohne Union näher gerückt. In seiner Partei gebe es „keine große Begeisterung über eine Neuauflage der Großen Koalition.“
Wenige Stunden zuvor hatte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder im Münchener Presseclub den demoskopischen Höhenflug der BayernSPD, wonach sich die Zustimmungsrate im Vergleich zum Landtagswahlergebnis von 2018 praktisch verdoppelt hat, relativiert: „An der bayerischen SPD kann es sicherlich nicht liegen“, meinte Söder. Der CSU-Chef vertraut auf einen „Swing“, der sich oft vor Wahlen einstelle – der könne für die Union nach oben, aber auch nach unten gehen, räumte er ein.
SPD-Spitzenkandidat Grötsch listete ein paar Vorhaben auf, welche eine „neue progressivere Koalition“in Berlin anpacken könne: Gleich nach der Wahl werde der Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde heraufgesetzt, versprach Grötsch für diesen Fall. Ebenso rasch werde man sich daran machen, die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen abzuschaffen und eine Kindergrundsicherung einzuführen. Vieles habe in der alten Bundesregierung gegen den Widerstand von CDU/ CSU durchgesetzt werden müssen, betonte Grötsch, etwa die Grundrente,
das Betriebsrätestärkungsgesetz und der Kinderbonus.
Ein gutes Haar an der UnionsMannschaft in der noch bestehenden Bundesregierung fand SPDChef von Brunn dann aber doch: Der scheidende Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) sei ein „sehr guter“gewesen, hingegen habe Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seine Kernaufgaben im Bereich Mobilität und Digitalisierung sträflich vernachlässigt und 600 Millionen Euro in das gescheiterte Mautprojekt versenkt, assistierte Grötsch. Obwohl Scheuer aus Ostbayern komme, seien unter den zehn deutschen Landkreisen mit dem schlechtesten Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln sieben in Bayern. Scheuer habe vielleicht „ein paar Straßensanierung“in seiner Region in Gang gesetzt, aber für Bayern insgesamt „nicht viel bewirkt“, meinte Grötsch.
Auf der bis Donnerstag dauernden Herbstklausur wollen sich die bayerischen SPD-Landespolitiker vor allem mit dem digitalen und klimaneutralen Wandel und den Konsequenzen aus der Corona-Pandemie beschäftigen. Am kommenden Donnerstag will die Fraktion ein Gutachten zur Energiewende in Bayern vorstellen.