So schön kann Einöde sein
Denis Villeneuves Fantasy-Epos „Dune“ist der bislang spektakulärste Film des Jahres – Teil zwei der Saga ist bereits geplant
TVon Rüdiger Suchsland
his is just the beginning“(„Dies ist nur der Anfang“). So lauten die letzten Sätze dieses Films. Eine Botschaft. Denn tatsächlich müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn es bei den bislang anvisierten zwei „Dune“-Filmen bliebe und hier nicht der Anfang eines neuen weltweiten PopUniversums entstanden ist, das als Franchise global vermarktet werden wird. Wie „Der Herr der Ringe“und die Tolkien-Verfilmungen von Peter Jackson, wie George Lucas’ „Star Wars“-Kosmos, wie die Serie „His Dark Material“nach Philip Pullman. Die Ähnlichkeiten zu diesen Vorbildern, sind inhaltlich wie formal zu groß.
Die ersten Reaktionen auf die Weltpremiere von „Dune“bei den Filmfestspielen in Venedig waren überwiegend positiv, wenn es auch gerade von der sehr ökonomisch ausgerichteten US-Branchenpresse kritischere Stimmen gab. Aber egal, für wie gut man diesen Film nun hält. So oder so ist „Dune“schon jetzt das Filmereignis des Jahres.
Im elften Jahrtausend ist die Welt nicht wesentlich weiter als heute: Der Weltraum ist besiedelt, Demokratie aber ist ein unbekannter Begriff. Statt Kontinente werden Planeten besiedelt und ausgebeutet; einige Familien haben sich das Universum aufgeteilt und regieren wie mittelalterliche Feudalherren den Orbit, Territorien werden vom Vater auf den Sohn vererbt. Doch die wahre Macht in diesem versteckten Matriarchat liegt bei Frauen, die sich im Geheimorden der „Bene Gesserit“, der eher machtpolitisch als religiös orientiert ist, zusammengeschlossen haben. Irgendwo in einer fernen Galaxis gibt es den „Padishah Imperator Shaddam IV“, der dieses Heilige Planetarische Reich diverser Nationen mit harter Hand und fiesen Intrigen regiert. Auch da hat sich seit dem altrömischen Prinzip nichts Wesentliches geändert.
Paul (Timothée Chalamet) ist ein aristokratischer Prinz der AtreidesDynastie und Sohn von Herzog Leto Atreides (Oscar Isaac). Der wurde vom Imperator mit dem Abbau der wertvollen Substanz Spice, die nur auf Dune vorkommt, beauftragt. Er hofft auf eine friedliche Zusammenarbeit mit den Bewohnern des Planeten Arrakis, den Fremen. Doch die Atreides-Familie wird angegriffen, die Wüstenstadt in Trümmer gelegt. Paul ist zum künftigen Messias bestimmt, muss aber dafür erst einmal seinen Vater verlieren, was dem Muttersöhnchen noch recht leicht fällt, um dann auf dem Planeten Arrakis eine orbitale Resistance aufzubauen.
Paul wird von schön-schrecklichen Träumen gleichermaßen eingelullt wie heimgesucht. Ein verlockend hübsches, fremdes Mädchen erscheint ihm darin genauso, wie er den Tod seines besten Freundes mit ansehen muss. Das Träumen steht im Mittelpunkt des Films. Die Bilder von „Dune“setzten wieder auf das Medium Kino, die einmalige Erfahrung, etwas auf einer riesigen Leinwand und gemeinsam mit anderen zu sehen.
Frank Herberts amerikanischer Romanzyklus „Der Wüstenplanet“aus den 1960er- und frühen 1970erJahren, der irgendwo zwischen Science-Fiction und Fantasy angesiedelt ist, wollten schon viele verfilmen. Der in Paris beheimatete Chilene Alejandro Jodorowski zum Beispiel, über dessen psychodelischen Versuch es sogar einen eigenen Dokumentarfilm gibt. Aber Jodorowski ist gescheitert, der Film hätte mindestens zehn Stunden gedauert und wäre schon deshalb jedenfalls eine einmalige Erfahrung geworden. USAutorenfilmer David Lynch hat es dann geschafft. Doch für ihn war der Film „Dune“(in Deutschland „Der Wüstenplanet“) 1984 allerdings der größte Flop seiner Karriere. Erst heute gilt er zumindest bei manchen der Fans von Lynch oder dem Buch als Kultfilm.
Nun also Denis Villeneuve, der bislang mit Filmen wie „Arrival“und „Blade Runner 2049“auffiel. Dem Franco-Kanadier gelingt es wieder, Bilder fern jeder Gewohnheit auf die Leinwand zu bringen, außergewöhnliches, visuell anspruchsvolles Kino mit Breitenwirkung zu verbinden. Und mit Aktualität. Denn in „Dune“geht es um Klimawandel und Kolonialismus, um Rasse, es geht um Bodenschätze, um Ausbeutung.
Dabei fühlt sich diese Version von „Dune“manchmal so an, als wolle sie mehr beeindrucken als unterhalten. Sie lässt die oberflächlichen Vergnügungen an Science-Fiction zugunsten einer Weltsicht fallen, die eher an Villeneuves Gangsterfilme „Sicario“oder „Prisoners“erinnern.
Vor allem aber macht dieser Film sehr viel Spaß. Schöne Menschen tun gute Dinge und verhalten sich gar heldenhaft. Blockbuster-Kino vom Feinsten.
Dune. Regie: Denis Villeneuve. Mit Timothée Chalamet, Rebecca Ferguson, Oscar Isaac, Josh Brolin, Stellan Skarsgård, Zendaya, Javier Bardem, Charlotte Rampling. USA 2021, 155 Minuten, FSK ab 12.