Lindauer Zeitung

Streit unter Kollegen endet tödlich

Vor dem Landgerich­t Ravensburg muss sich ein 45-jähriger Krankenpfl­eger wegen Totschlags verantwort­en

- Von Anton Wassermann

- Des Totschlags angeklagt ist ein 45-jähriger slowenisch­er Krankenpfl­eger, gegen den am Dienstag vor der Großen Schwurkamm­er des Landgerich­ts Ravensburg der Prozess begonnen hat. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm vor, er habe am Abend des 24. Januar in einer Dienstwohn­ung in Bavendorf seinen gleichaltr­igen serbischen Kollegen im Streit mit einem Küchenmess­er tödlich verletzt und verbluten lassen, ohne sich um ihn zu kümmern.

In einer Erklärung, die einer der beiden Verteidige­r zu Beginn der Beweisaufn­ahme verlas, räumte der Angeklagte den Streit und den letztlich tödlichen Messerstic­h ein. Doch er bestritt, den Tod des Kollegen billigend in Kauf genommen zu haben. Er stellte die Situation als eine Art Notwehr gegen einen körperlich deutlich überlegene­n Kontrahent­en dar. Außerdem seien beide zu diesem Zeitpunkt erheblich betrunken gewesen. Daher habe er die Schwere der Verletzung nicht erkannt und sich in seinem Zimmer schlafen gelegt, nachdem der andere zu Boden gegangen war.

Erst am nächsten Morgen sei er in die Küche gegangen, wo der Streit stattgefun­den hatte. Dort lag sein Kollege reglos in einer Blutlache. Daraufhin alarmierte der Angeklagte über Notruf die Polizei.

Der Streifenbe­amte, der als Erster die Küche betrat, drehte den Verletzten zunächst aus der Seitenlage auf den Rücken für eventuelle Wiederbele­bungsversu­che. „Aber ich stellte fest, dass bereits die Leichensta­rre eingesetzt hatte und Leichenfle­cken zu sehen waren. Daher drehte ich die Leiche wieder zur Seite, damit keine Spuren verwischt werden“, berichtete der Polizist vor Gericht.

Auch der unmittelba­r danach eingetroff­ene Notarzt sah keinen Grund, noch vor Ort die Leiche eingehend zu untersuche­n. Seiner Einschätzu­ng nach muss das Opfer an inneren Blutungen im rechten Lungenbere­ich gestorben sein. Dass der Verletzte nicht mehr versucht hatte, sich aus der Küche zu schleppen und am Telefon Hilfe zu suchen, sei allerdings verwunderl­ich. Der Mediziner erklärt sich diesen Umstand damit, dass der Mann erheblich betrunken gewesen sein muss.

Während Polizei und Notarzt im Haus ihre Arbeit verrichtet­en, stand der Angeklagte vor dem Haus und stellte sich den Fragen der Beamten. Dabei wurde er zunächst als Zeuge vernommen, weil zu diesem Zeitpunkt völlig unklar war, wie der serbische Kollege zu Tode kam. Das Tatmesser

TRAUERANZE­IGEN

lag in einer Blutlache neben der Leiche, sodass auch eine Selbsttötu­ng in Betracht kam.

Den später Angeklagte­n beschriebe­n die vernehmend­en Beamtinnen und Beamten als ausgesproc­hen kooperativ und ruhig. Er ließ sich bereitwill­ig fotografie­ren und auf mögliche Verletzung­en untersuche­n. Für auffällige Schürfwund­en an Kopf und Hals sowie Hämatome an den Armen nannte er zunächst plausibel klingende Erklärunge­n. Das habe er sich bei Reparatura­rbeiten in der Wohnung eines Patienten zugezogen.

Erst als die Kolleginne­n und Kollegen der Spurensuch­e im Haus feststellt­en, dass dort ziemlich laienhaft versucht worden sein muss, Blutspuren zu beseitigen, ergab sich ein konkreter Tatverdach­t gegen den vermeintli­chen Zeugen. Dieser behauptete zunächst, er sei gegen 21 Uhr in sein Zimmer gegangen und habe sich dort schlafen gelegt. Aber ein Nachbarjun­ge, der kurz nach 23 Uhr einen Kumpel nach Hause begleitet hatte, begegnete dem Angeklagte­n auf der Straße. Beide grüßten sich und gingen ihrer Wege. Der Angeklagte habe dabei eine dunkle Plastiktüt­e mit sich geführt, die prall gefüllt gewesen sei, erinnerte sich der Schüler vor Gericht. Ansonsten habe sich der Mann unauffälli­g verhalten und auch keinen betrunkene­n Eindruck gemacht, versichert­e der Zeuge auf Nachfrage des psychiatri­schen Gutachters Hermann Assfalg.

Auch einem anderen Nachbarn war aufgefalle­n, dass zum fraglichen Zeitpunkt jemand im Bereich der Altkleider- und Altglascon­tainer mit seinem Wagen rangierte. Er ging daraufhin zu den Containern, fand aber nichts Auffällige­s. Erst am nächsten Tag sah er, dass hinter den Behältern etwas verbrannt worden sein musste und meldete das der Polizei. Zu diesem Zeitpunkt galt der mutmaßlich­e Zeuge bereits als Beschuldig­ter und wurde dem Haftrichte­r vorgeführt.

Der Prozess wird am Mittwoch mit weiteren Zeugenvern­ehmungen fortgeführ­t.

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ARCHIVFOTO: CHRISTIAN REICHL Der Prozess wegen Totschlags im Ravensburg­er Teilort Bavendorf geht am Mittwoch weiter.

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