Streit unter Kollegen endet tödlich
Vor dem Landgericht Ravensburg muss sich ein 45-jähriger Krankenpfleger wegen Totschlags verantworten
- Des Totschlags angeklagt ist ein 45-jähriger slowenischer Krankenpfleger, gegen den am Dienstag vor der Großen Schwurkammer des Landgerichts Ravensburg der Prozess begonnen hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, er habe am Abend des 24. Januar in einer Dienstwohnung in Bavendorf seinen gleichaltrigen serbischen Kollegen im Streit mit einem Küchenmesser tödlich verletzt und verbluten lassen, ohne sich um ihn zu kümmern.
In einer Erklärung, die einer der beiden Verteidiger zu Beginn der Beweisaufnahme verlas, räumte der Angeklagte den Streit und den letztlich tödlichen Messerstich ein. Doch er bestritt, den Tod des Kollegen billigend in Kauf genommen zu haben. Er stellte die Situation als eine Art Notwehr gegen einen körperlich deutlich überlegenen Kontrahenten dar. Außerdem seien beide zu diesem Zeitpunkt erheblich betrunken gewesen. Daher habe er die Schwere der Verletzung nicht erkannt und sich in seinem Zimmer schlafen gelegt, nachdem der andere zu Boden gegangen war.
Erst am nächsten Morgen sei er in die Küche gegangen, wo der Streit stattgefunden hatte. Dort lag sein Kollege reglos in einer Blutlache. Daraufhin alarmierte der Angeklagte über Notruf die Polizei.
Der Streifenbeamte, der als Erster die Küche betrat, drehte den Verletzten zunächst aus der Seitenlage auf den Rücken für eventuelle Wiederbelebungsversuche. „Aber ich stellte fest, dass bereits die Leichenstarre eingesetzt hatte und Leichenflecken zu sehen waren. Daher drehte ich die Leiche wieder zur Seite, damit keine Spuren verwischt werden“, berichtete der Polizist vor Gericht.
Auch der unmittelbar danach eingetroffene Notarzt sah keinen Grund, noch vor Ort die Leiche eingehend zu untersuchen. Seiner Einschätzung nach muss das Opfer an inneren Blutungen im rechten Lungenbereich gestorben sein. Dass der Verletzte nicht mehr versucht hatte, sich aus der Küche zu schleppen und am Telefon Hilfe zu suchen, sei allerdings verwunderlich. Der Mediziner erklärt sich diesen Umstand damit, dass der Mann erheblich betrunken gewesen sein muss.
Während Polizei und Notarzt im Haus ihre Arbeit verrichteten, stand der Angeklagte vor dem Haus und stellte sich den Fragen der Beamten. Dabei wurde er zunächst als Zeuge vernommen, weil zu diesem Zeitpunkt völlig unklar war, wie der serbische Kollege zu Tode kam. Das Tatmesser
TRAUERANZEIGEN
lag in einer Blutlache neben der Leiche, sodass auch eine Selbsttötung in Betracht kam.
Den später Angeklagten beschrieben die vernehmenden Beamtinnen und Beamten als ausgesprochen kooperativ und ruhig. Er ließ sich bereitwillig fotografieren und auf mögliche Verletzungen untersuchen. Für auffällige Schürfwunden an Kopf und Hals sowie Hämatome an den Armen nannte er zunächst plausibel klingende Erklärungen. Das habe er sich bei Reparaturarbeiten in der Wohnung eines Patienten zugezogen.
Erst als die Kolleginnen und Kollegen der Spurensuche im Haus feststellten, dass dort ziemlich laienhaft versucht worden sein muss, Blutspuren zu beseitigen, ergab sich ein konkreter Tatverdacht gegen den vermeintlichen Zeugen. Dieser behauptete zunächst, er sei gegen 21 Uhr in sein Zimmer gegangen und habe sich dort schlafen gelegt. Aber ein Nachbarjunge, der kurz nach 23 Uhr einen Kumpel nach Hause begleitet hatte, begegnete dem Angeklagten auf der Straße. Beide grüßten sich und gingen ihrer Wege. Der Angeklagte habe dabei eine dunkle Plastiktüte mit sich geführt, die prall gefüllt gewesen sei, erinnerte sich der Schüler vor Gericht. Ansonsten habe sich der Mann unauffällig verhalten und auch keinen betrunkenen Eindruck gemacht, versicherte der Zeuge auf Nachfrage des psychiatrischen Gutachters Hermann Assfalg.
Auch einem anderen Nachbarn war aufgefallen, dass zum fraglichen Zeitpunkt jemand im Bereich der Altkleider- und Altglascontainer mit seinem Wagen rangierte. Er ging daraufhin zu den Containern, fand aber nichts Auffälliges. Erst am nächsten Tag sah er, dass hinter den Behältern etwas verbrannt worden sein musste und meldete das der Polizei. Zu diesem Zeitpunkt galt der mutmaßliche Zeuge bereits als Beschuldigter und wurde dem Haftrichter vorgeführt.
Der Prozess wird am Mittwoch mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgeführt.