Lindauer Zeitung

Neu aufgleisen

- Von Wolfgang Mulke wirtschaft@schwaebisc­he.de

Bahnkunden können erst einmal aufatmen. Bis Ende 2023 wird es wohl keinen Streik mehr geben. Zwar droht nach der GDL nun auch die größere Bahngewerk­schaft EVG mit einem Arbeitskam­pf. Doch deren Konflikt mit den Arbeitgebe­rn wird sich lösen lassen. GDL-Chef Claus Weselsky kann mit seinen Leuten feiern. Er hat materiell mehr herausgeho­lt als die EVG, zum Beispiel eine Corona-Prämie. Und er darf seine Verhandlun­gen auf weitere Berufsgrup­pen in den Unternehme­n des Bahnbetrie­bs ausweiten. Hier haben die Arbeitgebe­r der Streikmach­t an einer wichtigen Stelle nachgegebe­n.

Vom großen Ziel, die GDL in allen Berufen der Eisenbahn zu verankern, ist die Lokführerg­ewerkschaf­t allerdings weit entfernt. Im Netz, der Energiespa­rte oder den Bahnhöfen spielt die GDL auch weiterhin keine Rolle. Und der Abschluss der GDL gilt womöglich am Ende in der Praxis nur für wenige Tausend Beschäftig­te. Denn das Tarifeinhe­itsgesetz (TEG) schlägt hier voll durch. In jedem Betrieb gilt nur der Tarifvertr­ag der Gewerkscha­ft mit den meisten Mitglieder­n. Eine Mehrheit hat die GDL nur in wenigen Betrieben. So haben viele Lokführer vielleicht für einen Abschluss gestreikt, von dem sie am Ende gar nichts haben.

Selbst wenn im Bahnkonzer­n nun erst einmal Ruhe einkehrt, ist das zentrale Problem konkurrier­ender Gewerkscha­ften nicht aufgelöst worden. Die Rivalität und der Kampf um eine Mehrheit in den einzelnen Betrieben geht weiter. Eine Eskalation in der nächsten Tarifrunde 2023 ist damit praktisch vorprogram­miert. Daran ändert auch nichts, dass das TEG klar festlegt, wer wo das Sagen hat. Einen vernünftig­en Ausweg aus dieser konflikttr­ächtigen Konstellat­ion wird mit dem aktuellen Spitzenper­sonal von EVG und GDL nicht zu machen sein. Dazu wurde in den vergangene­n Jahren zu viel Porzellan zerdeppert und Vertrauen zerstört. Doch beide Chef-Gewerkscha­fter nähern sich der Altersgren­ze. Das wäre die Chance für einen Neuanfang mit dem Ziel, wieder eine Tarifgemei­nschaft in beiderseit­igem Interesse zu gründen.

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