Staatsanwaltschaft beantragt Freispruch für Mesale Tolu
Neu-Ulmer Journalistin saß acht Monate in der Türkei im Gefängnis – Ihrem Mann droht noch eine Verurteilung
- Im Falle der in der Türkei angeklagten Neu-Ulmer Journalistin Mesale Tolu hat die dortige Staatsanwaltschaft nun einen Freispruch in allen Anklagepunkten beantragt.
Als Spezialeinheiten in der Nacht zum 1. Mai 2017 die Wohnung von Mesale Tolu in Istanbul stürmten, wurde die junge Mutter in eine Geschichte verwickelt, die noch heute nicht vorbei ist. Die Journalistin kurdischer Herkunft hatte in Istanbul unter anderen für die Nachrichtenagentur Etha gearbeitet, heute ist sie Redakteurin der „Schwäbischen Zeitung“.
Tolu wurde vorgeworfen „Propaganda für eine terroristische Organisation“verbreitet zu haben und selbst Mitglied in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei MLKP zu sein. Der Prozess gegen sie begann im Oktober 2017, rund acht Monate später wurde Tolu unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen.
Im August 2018 durfte sie nach Aufhebung der Ausreisesperre in ihre Heimat Deutschland zurückkehren.
An diesem Donnerstag, also mehr als vier Jahre später, entschied sich die türkische Staatsanwaltschaft offenbar zu einer Entscheidung.
Sie beantragte Freispruch von Mesale Tolu in allen Anklagepunkten, aufgrund von Mangel an Beweisen. Das teilte Tolu der „Schwäbischen Zeitung“mit.
Der Prozess hatte auch international hohe Wellen geschlagen: Es kam zu Protesten die eine Freilassung Tolus forderten, die Bundesregierung schaltete sich ein. Es war nicht die erste Verhaftung von ausländischen Journalisten. Deniz Yücel, ebenfalls ein deutscher Reporter, wurde im Februar 2017 in Gewahrsam genommen und saß mehr als ein Jahr in Haft. Fälle wie die der beiden Journalisten belasteteten die deutsch-türkischen Beziehungen nachhaltig.
Tolus Ehemann Suat Corlu droht weiterhin eine Verurteilung wegen Terrorpropaganda, von dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung soll er freigesprochen werden. Tolu sagt der „Schwäbischen Zeitung“, „Ich bin nicht erfreut gewesen als ich von dem Antrag der Staatsanwaltschaft erfahren habe. Mein Sohn und ich haben vor vier Jahren in Haft Traumata erlebt. Acht Monate war ich eingesperrt, sechs davon mit meinem Sohn. Ich bin wirklich wütend.“In der Begründung sei zu lesen, dass die Staatsanwaltschaft keinerlei Beweise gefunden habe und auch anfängliche Zweifel nicht habe bestätigen können.
Der Antrag zeige, dass sich das Verfahren von Anfang an auf bodenlose Vorwürfe gestützt habe. Auch bei ihrem Mann habe die Staatsanwaltschaft im wichtigsten Punkt einen Freispruch beantragt, nun gehe es um einen Post auf der Social-Media-Plattform Twitter. „Uns hat überrascht, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Punkt hartnäckig bleibt.“
Die Grünenpolitikerin Margit Stumpp konstatiert: „Der heutige Tag zeigt, dass die Staatsanwaltschaft mit den Anklagen vier Jahre lang massiven Druck und Repressionen gegen die Angeklagten ausgeübt hat, ohne stichhaltige Beweise für die Anklagen zu haben.“
Die Bundestagsabgeordnete aus Königsbronn bei Heidenheim ist in Istanbul vor Ort und beobachtet den Prozess. Die lange Untersuchungshaft unter schwierigsten Bedingungen sei nie gerechtfertigt und völlig unangemessen gewesen. „Ich bin natürlich sehr froh über den beantragten Freispruch von Mesale Tolu, allerdings ist auch dieser Prozess unrechtmäßig und eine Schikane gegen politisch Andersdenkende.“
Der beantragte Freispruch wiege weder Tolus verlorene Lebenszeit noch die erlittenen Traumata der ganzen Familie auf, sagt Stumpp. Es sei an Tolus Existenzgrundlage gegangen, wenn nicht ein „mittelständischer Verleger Herz gezeigt hätte“. Die Staatsanwaltschaften in der Türkei seien als „harte Hunde“bekannt, daher sei der Antrag auf Freispruch doch einigermaßen überraschend.
Für Mesale Tolu sei eines klar, erklärt sie: In die Türkei werde sie auch weiterhin nicht reisen – die staatliche Willkür sei mit diesem Antrag ja nicht vorbei und die Menschen müssten dort weiterhin Repressalien fürchten.
Der Prozess soll am 24. Dezember fortgesetzt werden.