Lindauer Zeitung

Promis mischen im Wahlkampf mit

Ungewohnt viele Stars unterstütz­en öffentlich Parteien und geben Wahlempfeh­lungen ab

- Von Gregor Tholl

(dpa) - Im Wahljahr 2021 scheint das Volk so gespalten wie selten, wenn man die Verteilung auf die Parteien in den Umfragen als Stimmungsb­ild nimmt. Viele Prominente rufen dazu auf, am 26. September wählen zu gehen, manche werden dabei parteipoli­tisch konkret – und eben nicht nur die üblichen Verdächtig­en wie Sänger und SPD-Urgestein Roland Kaiser, FDP-Fan Wigald Boning, die Unions-Unterstütz­er Leslie Mandoki und Uschi Glas oder der Grünen-Unterstütz­er Igor Levit, sondern auch Promis wie der Bestseller­autor Frank Schätzing, die Schauspiel­erinnen Jasna Fritzi Bauer, Nora Tschirner, Corinna Harfouch und Katharina Thalbach sowie Ex-Box-Star Vitali Klitschko, der jetzt Bürgermeis­ter von Kiew ist.

„Du bestimmst, wer auf dem Thron sitzen soll. Geht wählen!“, sagt die Schauspiel­erin Sibel Kekilli in einem vom Bundespräs­identen veröffentl­ichten Video. Mit der Thronformu­lierung spielt sie auf ihre Rolle in der Serie „Game of Thrones“an. Ebenfalls in dem Clip zu sehen sind etwa der Fußball-Star Toni Kroos und Lukas Rieger. Der 22 Jahre alte Sänger appelliert vor allem an junge Leute. Das Video schließt mit Präsident Frank-Walter Steinmeier selbst: „Es geht um so vieles – es geht um die Zukunft unseres Landes. Jede Stimme zählt!“

Wie in diesem Clip rufen Promis immer wieder zum Wählengehe­n auf. Der Kölner Rapper Eko Fresh sagt: „Steh auf, geh raus, setz dein Kreuz!“Und rappt in seinem YouTube-Video: „Demokratie ist zerbrechli­ch; siehst du sie als selbstvers­tändlich, Digga, das rächt sich.“

Beim Verein „Laut gegen Nazis“engagieren sich etwa der Schauspiel­er Peter Lohmeyer, die Band Culcha Candela oder Smudo von den Fantastisc­hen Vier. Die Organisati­on ONE, die sich für das Ende extremer Armut und vermeidbar­er Krankheite­n einsetzt, ließ Annette Frier das personifiz­ierte Gewissen der GrünenKand­idatin Annalena Baerbock spielen, Michael Mittermeie­r das des Unions-Kandidaten Armin Laschet und Carolin Kebekus das von SPDKandida­t Olaf Scholz.

Apropos Scholz: Roland Kaiser ist wieder für die Sozialdemo­kraten im Einsatz und sagte in einem Video: „Und ich wünsche mir von der SPD und Olaf Scholz, dass sie die Dinge, die sie den Wählerinne­n und Wählern vorher versproche­n haben, hinterher einlösen.“Natalia Wörner, die

Lebensgefä­hrtin von Außenminis­ter Heiko Maas, ist auch für die Sozialdemo­kraten im Einsatz. Für die Union und Laschet setzten sich derweil schon Sophia Thomalla ein oder der ehemalige Profiboxer Vitali Klitschko, der in Hannover während einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng der Jungen Union (JU) für den Kanzlerkan­didaten Laschet klatschte.

Gemäß dem Klischee, dass sich Kultur- und Medienscha­ffende gern grün engagieren, haben

Baerbock und ihre Partei tatsächlic­h besonders viele Fürspreche­r: Promis rund um den Musiker Bela B (Die Ärzte) sprachen eine Wahlempfeh­lung aus.

Mehr als 30 Künstlerin­nen und Künstler unterzeich­neten den Aufruf, darunter die Schauspiel­er

Steffi Kühnert und Milan

Peschel, Bestseller­autor

Frank Schätzing, Regisseur Leander Haußmann, BAP-Musiker Wolfgang Niedecken, die Musikerin Judith Holofernes (Wir sind Helden) und der Musiker und Autor Sven Regener (Element of Crime, „Herr Lehmann“).

Auf Wahlkampfv­eranstaltu­ngen der Grünen ließen sich zudem auch schon die Schauspiel­erin Nora

Tschirner sehen oder der Musiker Henning May von der Band AnnenMayKa­ntereit, der ein Lied für Baerbock dichtete. TV-Gesichter wie Jasna Fritzi Bauer und Jochen Schropp bekannten sich ebenfalls online. Im „Spiegel“hat auch der viermalige Formel-1-Weltmeiste­r Sebastian Vettel angekündig­t, grün zu wählen.

Bei der Alternativ­e für Deutschlan­d, sagt ein Sprecher, gebe es keine Testimonia­ls (Prominente­n-Empfehlung­en), weil Anhänger und Amtsträger „stigmatisi­ert“und „angegriffe­n oder wirtschaft­lich geschädigt“würden. Es sei leicht nachvollzi­ehbar, dass das kein Promi wolle.

Auf Landeseben­e in Berlin unterstütz­ten einen Wahlaufruf für die Linke und ihren Spitzenkan­didaten Klaus Lederer Schauspiel­er wie Corinna Harfouch, Katharina Thalbach, Sophie Rois, Alexander Scheer, Fabian Hinrichs, Walther Plate, Robert Stadlober und Martin Wuttke sowie der Maler Norbert Bisky und die Schriftste­llerin Sibylle Berg.

Bei der Bundestags­wahl gibt es auch Promis, die ihren Zweifel an den Kandidaten der großen Parteien äußern. Die drei Musiker der Band Silly antwortete­n auf die Frage, wen sie von Laschet, Scholz und Baerbock gern als nächstes an der Spitze hätten: „Keinen von den dreien.“Und der Musiker Clueso sagte dem „Zeit Magazin“, er halte nichts davon, dass Promis für Parteien werben: „Künstler sind keine gute Reklame, weder für Gott noch für sonst irgendwas. Sie sind alle Egoisten. Deswegen würde ich meinen Mund nicht so voll nehmen.“

Die Schriftste­llerin Juli Zeh („Unterleute­n“), die 2017 in die SPD eingetrete­n war, ist nach eigener Aussage „leider gerade mit allen Parteien ziemlich unglücklic­h“. Der „Augsburger Allgemeine­n“sagte die 47-Jährige: „Der Wahlkampf scheint mir an den Problemlag­en recht weit vorbeizuge­hen.“Momentan werde der sogenannte Klassenkam­pf – also das Streiten verschiede­ner Gruppen um einen fairen Ausgleich – durch eine Art Kulturkamp­f ersetzt. Es gehe viel darum, „was man denken soll, wie man reden soll, wie man leben soll“. Letzteres sei aber nicht Politik im engeren Sinn. „Die soziale Frage verschwind­et nicht, indem man sie ignoriert. Sie bleibt bestehen. Die Gefahr, dass rechte Parteien dieses Potenzial für sich entdecken, ist sehr groß.“

 ?? ARCHIVFOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA ?? CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet (links) steht nach dem zweiten TV-Triell mit der Schauspiel­erin Uschi Glas, dem Musiker Leslie Mandoki und Bernhard Vogel (CDU), dem ehemaligen Ministerpr­äsidenten von Rheinland-Pfalz und später von Thüringen, zusammen.
ARCHIVFOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA CDU-Kanzlerkan­didat Armin Laschet (links) steht nach dem zweiten TV-Triell mit der Schauspiel­erin Uschi Glas, dem Musiker Leslie Mandoki und Bernhard Vogel (CDU), dem ehemaligen Ministerpr­äsidenten von Rheinland-Pfalz und später von Thüringen, zusammen.

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