Christos vergängliches Erbe
Der Pariser Triumphbogen wird verhüllt – Die Kunstaktion kommt bisher gut an
- Ist er eher silberblau oder grau? In den kommenden Tagen dürfte in Paris viel über die Farbe des Stoffes diskutiert werden, der den Triumphbogen verhüllt. So, wie auch über die ganze Kunstaktion von Christo, die erst nach dem Tod des gebürtigen Bulgaren umgesetzt wird. Mit 25 000 Quadratmetern Stoff und 3000 Metern rotem Seil wurde das Wahrzeichen der französischen Metropole eingepackt, um den Besucherinnen und Besuchern einen anderen Blick auf das französische Nationalsymbol zu liefern. „Christo hat der Nachwelt keine klare Botschaft hinterlassen. Jeder soll sich selbst ein Urteil bilden“, sagt Alexandre, der zusammen mit mehr als 300 anderen Mediatoren die Besucherinnen und Besucher rund um den Arc de Triomphe über das Projekt aufklärt. Der junge Franzose ist ein Fan von Christo und dessen Frau, der 2009 gestorbenen Jeanne-Claude. „Ich war schon 2016 bei seiner Aktion am Iseo-See in Italien dabei.“Dort hatte der Künstler gelb-orange schwimmende Stege installiert.
Auch die 28-jährige Mathilde ist begeistert von der Verhüllung des Monuments, die vom 18. September bis 3. Oktober zu sehen ist. „Für mich ist das hier zeitgenössische Kunst“, sagt die Fotografin, die mit ihrer Mutter vor dem Absperrgitter ein Selfie macht. „Es ist cool, den Arc de Triomphe so zu sehen.“Christo selbst kann den Enthusiasmus nicht mehr miterleben: Er starb im vergangenen Jahr im Alter von 84 Jahren. Dabei war die Verpackung des Arc de Triomphe sein Lebenstraum. Schon 1958, als er nach Paris kam und in einem kleinen Zimmer nahe des Triumphbogens wohnte, soll er von dessen Verpackung geträumt haben. In Paris lernte er damals auch seine Frau Jeanne-Claude kennen, mit der er später seine wichtigsten Projekte wie die Verhüllung des Reichstags umsetzte.
Nach dem Tod des ungewöhnlichen Paares setzte Christos Neffe Vladimir Yavachev die Kunstaktion posthum um. Das Geld dafür, immerhin 14 Millionen Euro, kommen ausschließlich aus dem Verkauf von Skizzen und Modellen der Künstler. Sponsoren lehnten Christo und Jeanne-Claude ab.
1985 verhüllte das Paar in der französischen Hauptstadt bereits den Pont Neuf. Eine Aktion, über die die beiden jahrelang mit den Behörden verhandeln mussten. „Ich behaupte nicht, dass der Pont Neuf nicht gut so ist, wie er ist“, sagte Christo damals. „Aber nun bekommt er eine neue Dimension.“
40 000 Quadratmeter waren damals nötig, um die älteste Brücke von Paris in einen golden glänzenden Stoff zu packen. 300 Menschen waren an dem Projekt beteiligt, darunter auch Taucher, die die Verpackung am Fundament der Brücke befestigen mussten. Und schon damals gab es Kritik an der Aktion: „Die Leute diskutieren darüber. Noch nie hat ein Kunstwerk so viele Diskussionen provoziert“, sagte eine Passantin im Radio. „Er zeigt uns, dass alles vergänglich ist"
Auch diesmal gibt es Stimmen, die die Kunstaktion kritisieren. Der rechtsextreme Politiker Florian Philippot spricht von einem „Müllsack“, der dem Triumphbogen übergestülpt worden sei. Die meisten Besucherinnen und Besucher, die hinter den Eisengittern an der Place Charles de Gaulle-Étoile das verpackte Nationalsymbol fotografieren, sind aber begeistert. „Ich komme aus Florenz und merke dort, dass ich mich schon zu sehr an unsere Monumente gewöhnt habe. Christo zeigt uns einen anderen Blick auf die Dinge. Und er zeigt uns auch, dass alles vergänglich ist“, bemerkt Gherardo, wie Alexandre ein „Mediator“des Projekts. Nur ein Stück Stoff, das er ab Samstag an alle Interessierten verteilt, bleibt als Erinnerung an die Verpackung übrig.
Die monatelange Arbeit von rund 1000 Beteiligten, darunter 95 Fassadenkletterern, reduziert sich hinterher auf wenige Zentimeter Textil, die aus Deutschland kommen. Die Lübecker Firma Geo – die Luftwerker, die sonst Heißluftballons herstellt, produzierte den robusten Stoff. Auch andere deutsche Firmen wie das „büro für leichtbau“aus Radolfzell am Bodensee waren beteiligt: Es erstellte die statische Berechnung der roten Seile und übernahm die Detailplanung für Stoff und Seile sowie deren Montage.
Mit seiner Farbwahl in silberblau und rot erwies Christo der blauweiß-roten Nationalflagge seiner ersten künstlerischen Heimat Frankreich die Reverenz. Frankreich dankt es ihm, indem es dem Künstler größtmögliche Aufmerksamkeit schenkt. An drei Wochenenden wird der Verkehr auf dem viel befahrenen Platz Charles de Gaulle-Étoile stillgelegt, damit Fußgängerinnen und Fußgänger das Kunstwerk Tag und Nacht besser bewundern können.
Denn auch nachts lohnt sich ein Besuch: Wenn es dunkel wird, ändert die Verpackung erneut ihre Farbe. Die Beleuchtung taucht das verhüllte Monument dann in ein goldenes Licht. „Das wird wie ein lebendes Objekt sein, das mit dem Wind zum Leben erwacht und das Licht reflektiert. Die Falten werden sich bewegen, die Oberfläche des Monuments wird sinnlich werden“, erklärte Christo vor seinem Tod. Er konnte die Umsetzung seines Lebenstraums nicht mehr miterleben, doch das, was er vorhersagte, ist tatsächlich zu beobachten. 16 Tage lang.