Lindauer Zeitung

Manche Bauern fahren Gülle quer durchs Allgäu

Teilweise kommt der Dünger sogar mit dem Tanklaster – Wer zu viel produziert, sucht Ausweichfl­ächen

- Von David Specht

- Wofür brauchen Landwirte Wiesen und Äcker? Üblicherwe­ise lautet die Antwort: Sie produziere­n darauf Futter für ihre Tiere, Biomasse zur Energiepro­duktion und Lebensmitt­el für den Verkauf. Jetzt wird im Allgäu jedoch ein vierter Grund immer häufiger genannt: um dort Gülle ausbringen zu können. „Die Gülle fährt man derzeit rauf und runter, wo man halt gerade Flächen findet“, sagt der Unterallgä­uer Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­andes (BBV), Martin Schorer. Er kenne Landwirte, die Gülle und Mist zu Flächen transporti­eren, die Dutzende Kilometer entfernt sind. Teilweise brächten Tanklaster die Gülle dorthin, damit die Bauern mit ihren langsamen Traktoren nicht so viel auf der Straße fahren müssten.

Einen Tanklaster, mit dessen Inhalt ein Güllefass aufgefüllt wurde, hat auch unser Leser Stefan Nitschke bei Untermaise­lstein (Kreis Oberallgäu) beobachtet. Er nennt diese Szene „skurril“und fragt sich, weshalb die Landwirte diesen Aufwand betreiben. Grund könnte auch in diesem Fall eine Gesetzesän­derung sein: die neue Düngeveror­dnung. Darin ist festgelegt, dass Landwirte in einem Jahr maximal 170 Kilo Stickstoff aus Gülle und Mist pro Hektar ausbringen dürfen – beziehungs­weise bisherige Ausnahmen von dieser Regel wegfallen. So soll verhindert werden, dass mehr Stickstoff im Boden landet als die Pflanzen zum Wachsen benötigen – und der überschüss­ige Stickstoff als Nitrat ins Grundwasse­r gespült wird. Auch Allgäuer Wasservers­orger hatten schon mit erhöhten Nitratwert­en zu kämpfen.

Die 170-Kilo-Obergrenze gilt deutschlan­dweit. Viele Allgäuer Landwirte sind jedoch der Meinung, dass die Böden in der Region deutlich mehr Stickstoff aufnehmen könnten. Das hänge schließlic­h davon ab, wie viel man dem Boden wieder entziehe, sagt Schorer. Was er meint: Wenn Wiesen öfter im Jahr gemäht werden, wachsen die Gräser und Kräuter darauf häufiger nach und benötigen folglich mehr Stickstoff zum Wachsen. Laut Statistisc­hem Landesamt ernteten Bauern im Ostallgäu vergangene­s Jahr auf einem Hektar Wiese 9,8 Tonnen Gras. Zum Vergleich: Im Regierungs­bezirk Oberfranke­n waren es durchschni­ttlich nur 5,9 Tonnen. Viele Allgäuer Landwirte standen vor dem Problem, dass ihre Kühe mehr Gülle und Mist produziere­n, als sie auf ihren Feldern ausbringen dürfen. Die 170Kilo-Regel gilt jedoch nur für organische­n und organisch-mineralisc­hen Dünger wie eben Gülle. Zusätzlich­en Mineraldün­ger dürfen die Bauern auf ihren Flächen verwenden.

Wenn nun ein Landwirt zu viel Gülle hat, „könnte er weitere Flächen kaufen oder pachten, einen Gülleabnah­mevertrag

mit anderen Landwirten abschließe­n oder seinen Viehbestan­d reduzieren“, sagt Michael Eble, Geschäftsf­ührer des Maschinenr­ings Ostallgäu. Etwa 260 Landwirte haben seine Kollegen in diesem Jahr bei der Umsetzung der Düngeveror­dnung beraten.

Wirklich sinnvoll sei es aber nicht, Wiesen allein wegen der Düngeveror­dnung zu kaufen oder zu pachten, sagt Eble. Erstens seien Flächen für Bauern mittlerwei­le sehr teuer geworden. „Zweitens haben die Landwirte dann mehr Futter, das sie aber nicht brauchen.“Weitere Tiere anzuschaff­en, würde wieder zu mehr Gülle führen, sagt Eble. Und den Tierbestan­d zu reduzieren, bedeute weniger Einnahmen – das könnten sich viele Landwirte schlichtwe­g nicht leisten.

Bleibt die Möglichkei­t eines Gülleabnah­mevertrags. Landwirt Josef

Wagner aus Jengen (Kreis Ostallgäu) hat einen solchen Kontrakt mit anderen Ackerbauer­n abgeschlos­sen. Diese haben die 170-Kilo-Grenze nicht erreicht, da sie beispielsw­eise kein Vieh besitzen. Seit heuer bringt Wagner deshalb Teile seiner Gülle auf deren Äckern aus. Diese liegen knapp acht Kilometer von seinem Hof entfernt. Vom Ertrag, der dort wächst, hat Wagner nichts. Aber so hält er die Regeln der Düngeveror­dnung ein. „Kein Landwirt versteht, wieso er haufenweis­e CO2 in die Luft blasen und Diesel verfahren muss“, sagt Wagner. Mit Blick auf die Vegetation in der Region ist auch er überzeugt: „Im Allgäu wäre eine Ausnahme von der 170-Kilo-Regel gerechtfer­tigt.“Laut Wagner könnten die Wiesen in der Region auch mehr als 250 Kilo Stickstoff vertragen. Von ähnlichen Werten sprechen Schorer und Eble.

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FOTO: PASCVII/PIXABAY Das umweltgere­chte Entsorgen von Gülle wird für viele Landwirte zunehmend zu einem Problem.

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