Das Hotel Goldener Hirsch schließt
Umsätze wegen Corona eingebrochen – Harter Konkurrenzkampf unter Hotels in der Stadt
- Der Goldene Hirsch in Friedrichshafen schließt. Bereits am Montag, 20. September, stellt das Hotel den Betrieb ein. Hauptgrund sei die Corona-Pandemie, doch es gebe noch weitere schwerwiegende Probleme für Hotels in der Stadt, sagt Betreiberin Kerstin Seeger. Laut dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga dürfte die Schließung des Goldenen Hirschs kein Einzelfall bleiben.
„Es hat mich viel Kraft gekostet, aber ich musste diesen Schlussstrich ziehen“, sagt Kerstin Seeger, die den Goldenen Hirsch seit knapp zehn Jahren mit der Hilfe ihres Manns Martin Seeger betrieben hat. 2012 trat sie in die Fußstapfen ihres Vater. Er war seit 1991 der Chef des Hotels in der Charlottenstraße, erlitt 2011 aber einen Schlaganfall und konnte deshalb nicht mehr weitermachen. Ein mahnendes Beispiel für die 44Jährige: „Meine Eltern waren vom alten Schlag. Die haben immer weiter gearbeitet, auch wenn es sie kaputt gemacht hat“, sagt sie.
Diesen Pfad wolle sie nicht gehen. Der Hauptgrund für die Schließung sei allerdings ein anderer: Es kommen laut Seeger schlicht zu wenige Gäste. „2019 hatten wir noch ein richtig gutes Geschäftsjahr mit einem schönen Plus.“Wäre es so weitergegangen, sagt die 44-Jährige, hätte sich der Goldene Hirsch auf einem guten Weg befunden. Doch ab März 2020 kam es bekanntlich anders: Corona, Lockdowns, geschlossene Hotels.
Der Umsatz sei um 40 Prozent eingebrochen, sagt Kerstin Seeger.
Zwar habe es finanzielle Unterstützung vom Staat gegeben – wirklich planen können habe sie damit aber kaum. „Die erste Zahlung von der Novemberhilfe habe ich im Februar bekommen, die letzte im Juni. Ich brauche die Hilfe aber zu dem Zeitpunkt, an dem ich sie eben brauche“, sagt sie.
Corona habe das Hotel nicht nur durch die erzwungene Schließung im Lockdown gebeutelt. Viel mehr wirke die Pandemie „wie ein Brandbeschleuniger“für andere Probleme, so Seeger. Da wäre etwa die Entwicklung der Messe in Friedrichshafen: „Ich habe eigentlich gehofft, dass sich im Juli oder August das Blatt wendet. Aber wenn nicht mal die Eurobike ein Garant für ein volles Haus ist, dann sieht es düster aus“, sagt sie.
Geschäftsleute, wie sie die Messen sonst angezogen hätten, kämen immer weniger. Andere Gäste hingegen stellten ganz andere Ansprüche: „Die wollen für überschaubares
Geld Urlaub am Bodensee machen, am besten noch mit einem Balkon mit Seeblick.“Gleichzeitig würden solche Gäste im Schnitt weniger Tage bleiben als Geschäftskunden, sagt sie. Wachsende Anforderungen, aber sinkende Einnahmen also.
Demgegenüber stünden Investitionen, die in nächster Zeit nötig wären: „Mehr als 70 Prozent unserer Zimmer sind älter als 30 Jahre. Unsere Substanz ist nicht fit für die Zukunft“, sagt Seeger. Die 600 000 Euro, die dieser Umbau kosten würde, könne sie auf keinen Fall stemmen.
Und selbst wenn – es gäbe noch ein weiteres Problem: der wachsende Konkurrenzkampf unter den Hotels in Friedrichshafen. Es würden immer mehr große Häuser in die Stadt kommen, hinter denen zahlungskräftige Investoren stünden. „Diesen Preiskampf können wir uns nicht mehr leisten“, so Seeger.
Die 44-Jährige, die den Goldenen Hirsch als Einzelunternehmerin führte, hat Insolvenz beantragt. Ihrer
elfköpfigen Besatzung musste sie kündigen –„das war der schlimmste Tag in meinem Leben“, sagt sie. Doch immerhin: Die meisten der Mitarbeiter hätten schon eine neue Stelle gefunden. Kerstin Seeger selbst will nun zu ihren beruflichen Wurzeln zurückkehren: Sie ist gelernte Speditionskauffrau. „Es ist sehr schade, dass es solche Betriebe trifft. Aber das wird nicht der letzte sein, der die Folgen von Corona nicht übersteht“, sagt Horst Müller, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. In der Hotellerie am Bodensee hätte es zuletzt fast 40 Prozent weniger Übernachtungen gegeben.
Aber auch schon vor der Krise sei ein enormer Druck auf dem Markt gewesen, die Bettenkapazität sei jährlich erheblich gewachsen. „Die Großen können ohne Investitionsstau einfach ein Hotel mit 140 Zimmern auf die grüne Wiese stellen. Wie willst du mitten in der Stadt ohne Parkplätze dagegen ankommen?“, so Müller.
Was mit dem Gebäude passiert, in dem sich der Goldene Hirsch befindet, ist noch unklar. Es ist im Besitz der Inselbrauerei Lindau. „Die Inselbrauerei Lindau AG wurde von der Schließung völlig überrascht. Daher verfügen wir über keinerlei Pläne über die Zukunft des Goldenen Hirsch“, sagt Vorstand Lorenz Schlechter auf Nachfrage. Man habe mit dem Insolvenzverwalter und der bisherigen Pächterin Kontakt aufgenommen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. „Nach Klärung der offenen Fragen werden wir entscheiden, wie wir weiter vorgehen werden“, so Schlechter.