Lindauer Zeitung

Kein schwerer Fall nach dem großen Knall

Nach Hitzlsperg­er-Hammer will der VfB nicht in alte Muster verfallen – Mislintat im Fokus

- Von Felix Alex

- Einen Tag nach dem Knall folgte die Normalität – zumindest sollte es so wirken. Anstatt nach der Hammerankü­ndigung von Thomas Hitzlsperg­er, seinen im Herbst 2022 auslaufend­en Vertrag als Vorstandsv­orsitzende­r des VfB Stuttgart nicht zu verlängern, den Fans weitere Erklärunge­n zu liefern oder ein beruhigend­es Konzept vorzustell­en, kehrte der Verein zum Alltagsges­chäft zurück. Beim Heimspiel des VfB gegen Bayer 04 Leverkusen (So., 15.30/DAZN) werde der VfB sein Veggie-Angebot in der MercedesBe­nz Arena erweitern. Auch gebe es ab sofort ein „Verzicht auf Palmöl“, verkündete der Club auf Facebook. Alles wie immer trotz des Bebens, so die Botschaft. Doch ob das ab sofort erhältlich­e „Chili sin Carne“und die „Kartoffelr­östi im Weckle“zur Befriedung der Fanseele beitragen, dürfte zumindest stark bezweifelt werden. Zu tief sitzt nach dem Aus ihres „Hitz“die Angst, dass der VfB, der seit dem Abstieg 2019 so ruhig und stetig ein Konzept verfolgt hat, wieder in alte Chaoszeite­n zurückfall­en könnte.

Dabei kam der Schritt des Sympathiet­rägers gar nicht so aus dem Nichts. „Mein erster Gedanke war: ,Jetzt erst?‘“, formuliert Edgar Quade, seines Zeichens Pressespre­cher des VfB-Fanclubs „Highlander“aus Ringschnai­t. All die Querelen in jüngster Zeit, vor allem mit VfB-Präsident Claus Vogt, seien am Ende dann wohl doch zu viel gewesen. „Spätestens nach der Wiederwahl von Vogt war klar, dass das mit der Zusammenar­beit nichts mehr wird“, ist sich Quade sicher: „Warum es schlussend­lich so gekommen ist, wissen wir alle.“Denn auch wenn Hitzlsperg­er selbst „eine Summe der Erlebnisse und Ereignisse“als Ursache für die Trennung „nach sechs intensiven“Jahren anführte, der Hauptgrund für den Abschied dürfte auf einem gewissen Platz in der Führungseb­ene in Sichtweite zu Hitzlsperg­er sitzen. Und so verlässt ein prägendes Gesicht die Schwaben. Eine Person, die in der Vergangenh­eit keine Gelegenhei­t ausließ, um zu betonen, wie sehr er dem Verein verbunden ist, und sogar von „im besten Fall noch Jahrzehnte­n“gesprochen hatte, die er in und für seinen Club arbeiten wolle. Doch nun die 180-Grad-Wende.

„Ich finde die Vorgehensw­eise sehr profession­ell. Man hat sich sauber getrennt. Das sind wir ja vom VfB nicht gerade gewohnt“, versucht Edgar Quade das Positive zu sehen: „Der Schritt scheint wohlüberle­gt. Unruhe kann ja keiner gebrauchen, und so können wir eventuell im ruhigen Fahrwasser bleiben.“

Die Frage ist: Was folgt? Wie sieht das Machtgefüg­e der Zukunft aus? Hitzlsperg­er selbst betonte, dass es stets sein Bestreben gewesen sei, „Strukturen aufzubauen, die nicht von Personen abhängen“. Seit seiner Rückkehr zum VfB im Sommer 2016, während der er vom Berater des Vorstands zu dessen Chef aufstieg, strickte er nie am Alleinunte­rhalter-Kosmos. Der eingeschla­gene Weg könnte also ohne ihn fortgesetz­t werden, auch wenn gerade der Ex-Profi für gewisse Werte steht und er genau wie Sportdirek­tor

Sven Mislintat und Coach Pellegrino Matarazzo den frischen Wind am Wasen verkörpert, an dem die einstige Überheblic­hkeit einer gewissen Demut gewichen ist. Und wo endlich wieder Konstanz einkehren sollte.

Dies scheint am ehesten gegeben, wenn man jemanden befördert beziehungs­weise einige Aufgaben übernehmen lässt, der bereits einen Großteil des eingeschla­genen Weges verantwort­et hat: „Mislintat befördern wäre die beste Variante“, ist sich auch Quade sicher. Jenen Mislintat, der im Januar erst betont hatte, sich „dem VfB verschrieb­en“zu haben. Nicht einzelnen Personen. Also auch nicht Hitzlsperg­er. Bei der Verlängeru­ng seines Vertrags bis Ende 2023 ließ sich der Sportdirek­tor aber zusichern, dass seine bisherigen Kompetenze­n nicht beschnitte­n werden – wer auch immer ihm vorgesetzt

Edgar Quade wird. Sollte er selbst Sportvorst­and werden, wäre dieser Fakt gegeben. Dass in Mislintat ein weiteres Aushängesc­hild geht und den sportlich angeschobe­nen Jung-und-wild-Kurs zusammenbr­echen lässt, ist nicht wahrschein­lich. Aber ob Mislintat, ein oder zwei neue Chefs – vieles bleibt nach dem kräftigen Hammer von Hitzlsperg­er ungewiss.

„Das Schlimmste, was passieren kann – und die Gefahr besteht immer –, sind drei, vier schlechte Spiele. Dann wird der Trainer infrage gestellt, dann wird über Hitz gesprochen und es eskaliert“, befürchtet der Fanclubver­antwortlic­he: „Das Ziel ist es nun, die Saison stabil zu beenden. Wenn die Profis das schaffen, dann sollten es auch die anderen im Hintergrun­d können.“Doch bleibt der VfB mit Hitzlsperg­er als Boss auf Abruf nicht unbedingt das stabilste Gebilde. Das weiß auch Quade. Zudem schwingt in Stuttgart nicht zuletzt die Vergangenh­eit immer bedrohlich mit. Daher warnt der „Highlander“: „Ein Jahr ist lang, da kann viel passieren – vor allem beim VfB.“

„Man hat sich sauber getrennt. Das sind wir ja vom VfB nicht gerade gewohnt.“

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FOTO: RUDEL/IMAGO IMAGES Wie lange Thomas Hitzlsperg­er (li.) und Sven Mislintat dem VfB weiter verbunden bleiben, ist offen.

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