Lindauer Zeitung

Grüne und FDP am Drücker

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Seit knapp 20 Jahren gibt es das Speed-Dating. In kürzester Zeit sollen sich neue Beziehungs­partner finden, in der Regel wird die Teilnehmer­liste auf sieben Personen beschränkt. Charakter und Spontanitä­t werden dann abgefragt, Hobbys sind auch recht wichtig. In der Politik gibt es kein solches Verkupplun­gsverfahre­n, auch wenn seit Sonntagabe­nd vier potenziell­e Partner auf der Suche nach einem stabilen, belastbare­n Verhältnis für die nächsten Jahre sind.

Zwei Männer können Bundeskanz­ler werden. Sie müssen in den kommenden Wochen mit Charme, Versprechu­ngen und Kompromiss­fähigkeit ihre möglichen Bräute überzeugen. Liebe ist dabei nicht zwingend gefordert. SPD-Spitzenkan­didat Olaf Scholz hat mit seinem Wahlkampf die Sozialdemo­kraten wieder stark gemacht. Er ist der Wahlgewinn­er. Er spricht bereits in der dritten Person vom Bundeskanz­ler Scholz. Armin Laschet, Spitzenman­n der Union, hat auf den letzten Tagen vor dem Urnengang mehr Zuspruch erhalten, als noch vor wenigen Wochen die Umfragen für möglich gehalten haben. Dass er aus dem schlechtes­ten Ergebnis der Schwesterp­arteien CDU und CSU in der Geschichte der Bundesrepu­blik dennoch den Anspruch auf den Regierungs­chef ableitet, nach dieser Klatsche sogar eine „Zukunftsko­alition“heraufbesc­hwört, mutet kühn an, ist aber ein unbestritt­ener Teil der Spielregel­n.

Grüne und Liberale werden nun erst mal Scholz und Laschet kommen lassen. Dabei ist es in wenigen Wochen zweitrangi­g, ob das jetzige Ergebnis als Enttäuschu­ng bei der Ökopartei wahrgenomm­en wird. Die grünen Unterhändl­er werden sich schnell fangen und klare Forderunge­n stellen. Auch die für ihre Verhältnis­se starke FDP weiß, dass sie diesmal nicht schroff die Anbandelve­rsuche zurückweis­en darf. Das Spiel kann beginnen etwa in der Art: Gib du mir das Tempolimit, und ich verzichte auf die eine oder andere Steuererhö­hung. Oder anders herum.

Optionen gibt es viele. Bei der Debatte über eine Solardach-Pflicht übten sich die Beteiligte­n der Berliner TV-Runde bereits in beachtlich­en Lockerungs­übungen. Doch auch eine Überraschu­ng scheint möglich. Grüne und FDP sprechen als allererste­s miteinande­r, sondieren konstrukti­v und fordern so die zwei Kandidaten zu erhebliche­n Zugeständn­issen. Um diese einräumen zu können, ist eine Hausmacht notwendig. Wenn Laschet es ernst meint, muss er nach dem Vorsitz der Unionsfrak­tion im Bundestag greifen.

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