Giffey hält Berliner SPD an der Macht
Ex-Bundesfamilienministerin legt sich nicht auf Fortsetzung von Rot-Grün-Rot fest
(dpa) - SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey dürfte in das Rote Rathaus einziehen und neue Regierende Bürgermeisterin werden. Zuvor hatten sich SPD und Grüne über Stunden ein spannendes Rennen geliefert.
Am späten Abend pendelte sich die SPD in den Hochrechnungen stabil vor den Grünen ein, die zuvor zum Teil vorn gelegen und der SPD lange eine Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert hatten. Giffey könnte demnach Michael Müller (SPD) im Roten Rathaus beerben, der diesmal für den Bundestag kandidiert hatte.
In den Hochrechnungen von ARD (Infratest dimap) und ZDF (Forschungsgruppe Wahlen) lag die SPD, die seit 2016 gemeinsam mit Linken und Grünen regierte, am Abend bei rund 21,8 bis 21,9 Prozent. Die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch (52) kamen auf 19,7 bis 19,9 Prozent. Die CDU auf Platz drei bewegte sich mit 17,4 bis 18,3 Prozent im Bereich ihres historisch schlechtesten Ergebnisses von 2016 (17,6 Prozent). Die Linke verlor leicht auf 13,9 bis 14,2 Prozent. Die FDP kam auf 6,9 bis 7,4 Prozent, die AfD halbierte sich fast auf 7,9 bis 8,2 Prozent.
Am Ende, so sah es am Abend aus, reichte es also nicht für den ersten Grünen-Wahlsieg in Berlin. Gleichwohl kann Jarasch stolz sein, zumindest das beste Ergebnis eingefahren zu haben, was die Öko-Partei bei einer Abgeordnetenhauswahl jemals erreichte. Jarasch, eine studierte Philosophin,
sprach denn auch von einer „Klimaschutzwahl“, die Grünen wollten nun mehr Verantwortung im neuen Berliner Senat.
Giffey, die die einlaufenden Prognosen und Hochrechnungen am Wahlabend zunächst vorsichtig kommentierte, durfte indes triumphieren. Sie lieferte genau das, wofür die Hauptstadt-SPD sie im November 2020 zur Parteichefin und später auch zur Spitzenkandidatin gemacht hatte. Hauptsache stärkste Partei und den Chefsessel im Roten Rathaus verteidigen, lautete die Devise.
Wenn überhaupt jemandem, trauten die Hauptstadt-Sozis im Umfragedauertief dies der politischen Senkrechtstarterin zu. Und das, obwohl sie bis dato kaum im SPD-Landesverband verankert war. Und trotz ihrer lange schwelenden Plagiatsaffäre, in deren Zuge Giffey im Mai als Bundesministerin zurücktrat und im Juni ihren Doktortitel verlor.
Grünen-Spitzenfrau Jarasch will ohne Wenn und Aber ein rot-rot-grünes Bündnis schmieden – also eine Neuauflage der bisherigen Koalition. Die Wähler hätten „R2G“, wie das bislang regierende Dreierbündnis genannt wurde, schließlich erneut eine satte Mehrheit gegeben. Anders Giffey, die sich im Gegensatz zu den beiden anderen Partnern auch am Wahlabend wie schon zuvor nicht zu einer Fortsetzung dieser Koalition bekannte und jedwede Koalitionsaussage vermied. Rechnerisch reichte es nach den Zahlen am Abend auch für eine Koalition von SPD, CDU und FDP.
Nicht nur der Wahlabend selbst entwickelte sich in Berlin zum Krimi. Etliche Pannen, fehlende Stimmzettel in manchen Wahllokalen und lange Warteschlangen den ganzen Tag über warfen die Frage auf, ob der Wahltag gut genug vorbereitet wurde. Selbst eine oder eineinhalb Stunden nach offizieller Schließung der Wahllokale konnten mancherorts noch Wartende, die sich bis kurz vor 18 Uhr eingefunden hatten, ihre Stimmen abgeben – während sie auf ihren Handys schon Prognosen, Hochrechnungen und erste Wahlanalysen lesen konnten.