Lindauer Zeitung

Giffey hält Berliner SPD an der Macht

Ex-Bundesfami­lienminist­erin legt sich nicht auf Fortsetzun­g von Rot-Grün-Rot fest

- Von Stefan Kruse

(dpa) - SPD-Spitzenkan­didatin Franziska Giffey dürfte in das Rote Rathaus einziehen und neue Regierende Bürgermeis­terin werden. Zuvor hatten sich SPD und Grüne über Stunden ein spannendes Rennen geliefert.

Am späten Abend pendelte sich die SPD in den Hochrechnu­ngen stabil vor den Grünen ein, die zuvor zum Teil vorn gelegen und der SPD lange eine Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert hatten. Giffey könnte demnach Michael Müller (SPD) im Roten Rathaus beerben, der diesmal für den Bundestag kandidiert hatte.

In den Hochrechnu­ngen von ARD (Infratest dimap) und ZDF (Forschungs­gruppe Wahlen) lag die SPD, die seit 2016 gemeinsam mit Linken und Grünen regierte, am Abend bei rund 21,8 bis 21,9 Prozent. Die Grünen mit ihrer Spitzenkan­didatin Bettina Jarasch (52) kamen auf 19,7 bis 19,9 Prozent. Die CDU auf Platz drei bewegte sich mit 17,4 bis 18,3 Prozent im Bereich ihres historisch schlechtes­ten Ergebnisse­s von 2016 (17,6 Prozent). Die Linke verlor leicht auf 13,9 bis 14,2 Prozent. Die FDP kam auf 6,9 bis 7,4 Prozent, die AfD halbierte sich fast auf 7,9 bis 8,2 Prozent.

Am Ende, so sah es am Abend aus, reichte es also nicht für den ersten Grünen-Wahlsieg in Berlin. Gleichwohl kann Jarasch stolz sein, zumindest das beste Ergebnis eingefahre­n zu haben, was die Öko-Partei bei einer Abgeordnet­enhauswahl jemals erreichte. Jarasch, eine studierte Philosophi­n,

sprach denn auch von einer „Klimaschut­zwahl“, die Grünen wollten nun mehr Verantwort­ung im neuen Berliner Senat.

Giffey, die die einlaufend­en Prognosen und Hochrechnu­ngen am Wahlabend zunächst vorsichtig kommentier­te, durfte indes triumphier­en. Sie lieferte genau das, wofür die Hauptstadt-SPD sie im November 2020 zur Parteichef­in und später auch zur Spitzenkan­didatin gemacht hatte. Hauptsache stärkste Partei und den Chefsessel im Roten Rathaus verteidige­n, lautete die Devise.

Wenn überhaupt jemandem, trauten die Hauptstadt-Sozis im Umfragedau­ertief dies der politische­n Senkrechts­tarterin zu. Und das, obwohl sie bis dato kaum im SPD-Landesverb­and verankert war. Und trotz ihrer lange schwelende­n Plagiatsaf­färe, in deren Zuge Giffey im Mai als Bundesmini­sterin zurücktrat und im Juni ihren Doktortite­l verlor.

Grünen-Spitzenfra­u Jarasch will ohne Wenn und Aber ein rot-rot-grünes Bündnis schmieden – also eine Neuauflage der bisherigen Koalition. Die Wähler hätten „R2G“, wie das bislang regierende Dreierbünd­nis genannt wurde, schließlic­h erneut eine satte Mehrheit gegeben. Anders Giffey, die sich im Gegensatz zu den beiden anderen Partnern auch am Wahlabend wie schon zuvor nicht zu einer Fortsetzun­g dieser Koalition bekannte und jedwede Koalitions­aussage vermied. Rechnerisc­h reichte es nach den Zahlen am Abend auch für eine Koalition von SPD, CDU und FDP.

Nicht nur der Wahlabend selbst entwickelt­e sich in Berlin zum Krimi. Etliche Pannen, fehlende Stimmzette­l in manchen Wahllokale­n und lange Warteschla­ngen den ganzen Tag über warfen die Frage auf, ob der Wahltag gut genug vorbereite­t wurde. Selbst eine oder eineinhalb Stunden nach offizielle­r Schließung der Wahllokale konnten mancherort­s noch Wartende, die sich bis kurz vor 18 Uhr eingefunde­n hatten, ihre Stimmen abgeben – während sie auf ihren Handys schon Prognosen, Hochrechnu­ngen und erste Wahlanalys­en lesen konnten.

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