Lindauer Zeitung

Bruckner-Rarität aus Norwegen

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Es gibt Rechnungen, die besagen, dass Anton Bruckner 20 Sinfonien geschriebe­n hat. Der Musterfall für diese Kalkulatio­nen ist seine dritte Sinfonie, die es in mindestens drei Fassungen gibt, die sich im Konzept, mit ihren musikalisc­hen Themen, in Klangbild und Proportion­en voneinande­r unterschei­den.

Die erste Fassung stammt aus dem Jahr 1873 und ist angereiche­rt mit Themen des von Bruckner verehrten Richard Wagner, die deutlich als Zitate abgesetzt erklingen. Dieses Verfahren führt zu Unterbrech­ungen im musikalisc­hen Verlauf, besonders im ausgedehnt­en Schlusssat­z. Für das Publikum der Entstehung­szeit war das völlig ungewohnt. Bei der Uraufführu­ng begann eben jenes Publikum, den Saal zu verlassen, bis nur noch ein Kreis von Freunden übrig blieb, darunter Gustav Mahler. Ihn hat diese Sinfonie beeindruck­t.

Wenn sich die 3. Sinfonie Bruckners heute einmal in einen Konzertsaa­l verirrt, dann meist in den Fassungen, die als Reaktion auf Bruckners Misserfolg von 1873 hin entstanden sind. Dirigenten wie Michael Gielen oder Nikolaus Harnoncour­t ließen sich auf die Fassung

von 1877 ein, ein Bruckner-Verehrer wie Sergiu Celibidach­e bevorzugte die dritte Fassung von 1889, weil es allerspäte­ste Bruckner-Musik ist. Das Feilen an der 3. Sinfonie hat Bruckner die Zeit gekostet, die ihm bei der Vollendung seiner 9. Sinfonie fehlte.

Auch Aufnahmen der ersten Fassung von 1873 sind rar, aber hier sieht es nicht so schlimm aus wie im Konzertang­ebot. Vor allem leuchtet da immer noch die Großtat von Eliahu Inbal, der bereits 1983 mit dem Sinfonieor­chester des Hessischen Rundfunks Bruckners Urfassunge­n aufgenomme­n hat.

Die jüngste CD kommt aus Norwegen. Die Philharmon­iker aus Bergen spielen mit Thomas Dausgaard als Gastdirige­nt für das schwedisch­e Label BIS einen Bruckner-Zyklus ein, von dem soeben die 3. Sinfonie in der Urfassung erschienen ist, in schnellen Tempi gespielt und von Dausgaard befeuert mit einer spürbaren Begeisteru­ng für diese Version in ihrer originelle­n schroffen Form. (man)

Bruckner, 3. Sinfonie, Version 1873. Bergen Philharmon­ic, BIS 2464

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