Schulmöbel helfen im Katastrophengebiet
VHG schickt auf Initiative einer Lindauerin Tische und Stühle nach Ahrweiler
- Manchmal zahlt es sich aus, nicht gleich alles wegzuschmeißen. Das Valentin-Heider-Gymnasium (VHG) schickt 240 eigentlich ausgemusterte Stühle, 116 Doppeltische und fünf Pulte in den Kreis Ahrweiler, wo sie in von der Flut verwüsteten Schulen weiter dienen dürfen. Hinter der Aktion steckt die Initiative einer Lindauerin mit Wurzeln im Flutgebiet.
Christina Robke ist im Kreis Ahrweiler aufgewachsen, nun wohnt sie in Lindau und ihre älteste Tochter wurde in diesem Monat im VHG eingeschult. Im Landkreis Ahrweiler hat sie immer noch Familie und bekommt dementsprechend ungefiltert mit, was die Flut dort angerichtet hat. Schon früh fing Robke damit an, über verschiedene Wege aus dem fernen Bayern zu helfen. Die Spendenbereitschaft lasse mittlerweile stark nach, sagt Robke, da die Katastrophe weitgehend aus den Schlagzeilen und damit dem Bewusstsein der Menschen verschwunden sei. Sie wolle das ändern.
Zwischenzeitlich dachte Robke daran, einen Spendenlauf zu organisieren und wandte sich mit der Idee an den Schulleiter des VHG, Manuel
Streubert. Gerade rechtzeitig, denn für das neue Schuljahr wurde das Mobiliar von fünf Klassenzimmern erneuert. Hinter der Schule wartete schon der Container, um die ausrangierten Möbel aufzunehmen. Der Schulleiter zögerte jedoch mit der Entsorgung, da das Mobiliar eigentlich noch brauchbar war. Dieses Zögern stellte sich als Glücksfall heraus. Als Robke auf den Schulleiter zukam, bot dieser ihr die Möbel an.
Nun lag es an der Mutter, ihre Fähigkeiten in Sachen Logistik zu beweisen. Ein Anruf bei der Möbelspedition Max Müller in Opfenbach und ein Gespräch mit Geschäftsführer Walter Müller endete in einem spontanen „Ja, machen wir“. Für die weiteren Details war dann Mitarbeiter Stephan Thoma zuständig, der ebenfalls sofort Feuer und Flamme war, wie Robke erzählt. Dass die Spedition die Lieferung als Spendenaktion einstufte und die Gesamtkosten übernimmt, habe sie erst später durch Zufall erfahren. Sie wusste nur, dass der Transport nicht einfach sein würde, da auch in dieser Spedition ein akuter Fahrermangel herrsche. Und trotzdem, nach dem Beladen der beiden Container, wurde der Transport sofort durchgeführt, sodass die Lieferung bereits am vergangenen Donnerstag
bei der Kreisverwaltung Ahrweiler ankam.
Vor dem Transport stand aber erst das Beladen der beiden Container an. Damit das zügig vonstattengehen konnte, setzte VHG-Hausmeister Bernd Riefel einen Hilferuf bei seinen Kollegen ab – und wurde erhört. Christina Robke brachte weitere Verstärkung seitens der ArbeitslosenSelbsthilfe hinzu. Zehn Mann karrten die Stühle heran, schleppten Tische und schraubten diese auseinander. Auch einige Schüler, die gerade vor Ort waren, halfen spontan mit.
Robke war das aber noch nicht genug, sie fragte weitere Schulen und Kindertagesstätten an, denn trotz der Menge an VHG-Möbeln, ist die Not an der Ahr keineswegs behoben. Von der Hoyrener Schule und der Kita im Holdereggen kamen bereits Zusagen. Ihr Engagement ist mittlerweile fast zu einem 24-Stunden-Job geworden, wie der VHG-Schulleiter Manuel Streubert bewundernd anmerkt. Ein längeres Gespräch mit der Mutter ist fast nicht möglich, da ihr Telefon ständig klingelt. Schließlich muss ja mit der Kreisverwaltung Ahrweiler der ganze Ablauf abgesprochen werden, damit die Möbel nicht unsinnig herumstehen, sondern bald eingesetzt werden können.
Nach ersten Informationen werden die Tische helfen, eine Containerschule einzurichten, die anstelle einer völlig zerstörten Schule aufgebaut wird. Weitere Schulmöbel kommen in das ehemalige Ursulinenkloster Calvarienberg, das Christina Robke selbst als Schülerin besuchte. Die seit vier Jahren leerstehende historische Klosteranlage steht eigentlich vor einer Umnutzung, jetzt aber haben die Ursulinerinnen die Räume als Ausweichquartier für Flutopfer sowie den Schulbetrieb zur Verfügung gestellt und dazu auch die ehemalige Internatsküche wieder in Betrieb genommen. Vier bis acht Schulklassen und 50 bis 100 Kitaplätze werden hier untergebracht.
Zehn Jahre lebt Christina Robke nun bereits in Lindau, der Kontakt zu Ahrweiler ist zwar nie abgebrochen, aber auch nie so intensiv wie aktuell. „Wir hatten immer wieder mal Überschwemmungen, aber nie in einem auch nur halbwegs vergleichbaren Ausmaß“, erzählt sie. So sei das Haus, in dem sie aufgewachsen ist, nie betroffen gewesen – diese Flut beschädigte aber auch ihr Elternhaus schwer. Daher „will ich alles tun, damit Ahrweiler nicht so schnell in Vergessenheit gerät, denn die Menschen dort brauchen noch lange Hilfe.“