Lindauer Zeitung

Olaf Scholz und die wilden Drei

Der SPD-Kanzlerkan­didat muss sein linkes Lager im Zaum halten

- Von Stefan Kegel

- SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz könnte bei den Koalitions­verhandlun­gen unter Druck geraten. Denn in Partei und Fraktion hat vor allem eine Strömung das Sagen.

Es war Anfang der Woche, als Olaf Scholz zunächst erst einmal die Wahlkampf-Bataillone seiner SPD zurückpfei­fen musste. Auch nach der gewonnenen Wahl hatten sie weiter in Richtung der politische­n Konkurrenz gefeuert – die nun allerdings bald ihre Koalitions­partner sein könnten. Parteichef Norbert Walter-Borjans und Vizechef Kevin Kühnert hatten die Liberalen mit Bezeichnun­gen wie „Luftikus“und „Voodoo-Ökonomie“überzogen.

Nun sagt Walter-Borjans Sätze wie: „Wir haben den festen Willen, eine stabile, auf Vertrauen basierende Regierung zu bilden.“Dennoch: Es war ein erster Vorgeschma­ck darauf, wie die verschiede­nen Strömungen in der SPD das Ampel-Projekt, also die Koailtion mit Grünen und FDP, doch noch zum Scheitern bringen könnten. Kann es funktionie­ren, wenn Partei und Fraktion deutlich linker sind als ihr Kanzler?

Strategisc­h können sich die Linken in der Partei zurücklehn­en. Sie haben mit dem Parteivors­itzenden und seiner Co-Parteichef­in Saskia Esken sowie mit dem linken Bundestags-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich ihre Figuren gut in Stellung gebracht. Hinzu kommt, dass in die neue 204köpfige Bundestags­fraktion 49 Jungsozial­isten eingezogen sind, die zum linken Lager von Kevin Kühnert gehören. Er hatte vor zwei Jahren die Wahl von Olaf Scholz und Clara Geywitz zu Parteichef­s verhindert. Die linke Front des letztlich gewählten Duos Walter-Borjans und Esken steht in Partei und Fraktion nun Kanzlerkan­didat Scholz gegenüber, der in vielen Fragen einen konservati­veren, pragmatisc­hen Kurs steuert.

„Ich würde das nicht überbewert­en“, sagt der Bonner Politologe Frank Decker. Scholz hätte als Bundeskanz­ler eine starke Position. „Die Fraktion kann dem Kanzler und der Regierung nicht den Weg vorschreib­en. Er wäre aber gut beraten, seine Partei und seine Fraktion einzubinde­n.“Hier hat Scholz schon vorgesorgt. Unmittelba­r nach der Bundestags­wahl erklärte er, an Fraktionsc­hef

Rolf Mützenich festhalten zu wollen, der „ein ganz toller Mann“sei.

Diesen Schachzug hält auch Politologe Decker für klug. Ein linker Fraktionsv­orsitzende­r wie Rolf Mützenich, der inzwischen mit 97 Prozent Zustimmung im Amt bestätigt wurde, könne die linken Teile der Fraktion bei der Stange halten. Das gilt auch für das potenziell aufgeladen­e Verhältnis zu den Liberalen: „Es ist natürlich eine herausford­ernde Situation, eine Koalition mit der FDP machen zu müssen, die alles andere als ein Wunschpart­ner ist.“

Die Spannung zwischen Gelb und Rot hat nicht nur gesellscha­fts-, sozialund wirtschaft­spolitisch­e, sondern auch historisch­e Gründen. War es doch einst die FDP, die mit ihrem Koalitions­wechsel zur Union 1982 die Kanzlersch­aft von Helmut Schmidt beendete. Die älteren Sozialdemo­kraten tragen der Partei diese Volte noch immer nach.

Strategisc­h könnten die Freien Demokraten dem möglichen SPDKanzler in einer Ampelkoali­tion jedoch auch nützlich sein, vermutet Decker. Wie man unter Verweis auf deren Forderunge­n die eigene Parteilink­e in Schach halten könne, das habe schon Schmidt in den 1970erJahr­en gut verstanden – indem er den Koalitions­partner einfach als Alibi vorschickt­e, um bestimmte Dinge nicht umzusetzen zu müssen. „Schon bei den Koalitions­verhandlun­gen werden die SPD-Linken viele Kröten schlucken müssen“, prophezeit Decker. „Ich vermute, dass zum Beispiel die Vermögenst­euer im Koalitions­vertrag nicht mehr auftaucht.“

Momentan hält sich die SPD-Spitze noch bedeckt, wo sie in Verhandlun­gen mit FDP und Grünen keine Abstriche dulden wird. Ohnehin muss die SPD-Spitze nun erst einmal abwarten, was die gelb-grünen Vorsondier­ungen ergeben. Zu denen treffen sich Grüne und Liberale am

Freitag, bevor es am Wochenende in die Runden mit der SPD geht.

Als Ziele eines Bündnisses hat Generalsek­retär Lars Klingbeil schon mal drei Dinge ausgegeben: Die Zukunftsau­fgaben des Landes wie Klimaschut­z, Digitalisi­erung und die Modernisie­rung des Staates anpacken, außerdem „eine neue Art des Politikmac­hens“mit einem vertrauens­vollen Verhältnis der Koalitions­partner zu etablieren und Themen anzupacken, die der Jugend wichtig sind – um deren Vertrauen in die Politik zu stärken.

Politikwis­senschaftl­er Decker rät zu einem verbindend­en Ansatz: Letztlich müsse sich jeder Koalitions­partner in einem Bündnis wiedererke­nnen können. Wenn Scholz diese Devise beherzige, könne er ein besserer Koalitions­politiker werden als die scheidende Kanzlerin. Die habe anderen selten Erfolge gegönnt. „Merkel ist eine grottensch­lechte Koalitions­politikeri­n gewesen.“

 ?? ?? Wann kommen die SPD-Rumpelstil­zchen?
Wann kommen die SPD-Rumpelstil­zchen?

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