Lindauer Zeitung

Grün-gelbe Stolperste­ine

Bei Punkten wie Tempolimit oder Klima liegen Grüne und FDP auseinande­r – Wo Kompromiss­e möglich sind

- Von Dorothee Torebko, Guido Bohsem, Hajo Zenker und Igor Steinle

- Freiheit des Marktes versus staatliche­r Einfluss: Die Unterschie­de in der Wirtschaft­s-, Gesundheit­sund Klimapolit­ik zwischen FDP und Grünen scheinen riesig zu sein. Wo können Kompromiss­e gefunden werden und wie kann das grün-gelbe Bündnis inhaltlich gelingen?

Klima

In der Klimapolit­ik ist das Ziel beider Parteien dasselbe: die CO2-Emissionen sollen runter. Die Wege dahin unterschei­den sich aber: Die FDP setzt auf einen CO2-Preis, der sich auf einem Markt für Verschmutz­ungs-Zertifikat­e bildet. Je weniger CO2 emittiert werden darf, desto höher der Preis. Die Grünen wollen diesen Preis selbst bestimmen und setzen auf den Staat, der nebenbei auch noch Solardäche­r auf Neubauten und Anderes vorschreib­en soll. Klangen diese Pfade im Wahlkampf als absolut unvereinba­r miteinande­r, signalisie­ren Klimapolit­iker beider Parteien inzwischen Kompromiss­bereitscha­ft. Ein Mix aus beiden Instrument­enkästen sei denkbar, wie etwa ein schnellere­r Kohleausst­ieg durch höhere Zertifikat­e-Preise oder ein schnellere­r Ausbau von Windund Sonnenstro­m, in dem Bürokratie etwa bei Genehmigun­gsprozesse­n abgebaut würde.

Verkehr

Beim Thema Mobilität liegen die Parteien weit auseinande­r. Die Grünen wollen ein Verbot des Verbrennun­gsmotors bis 2030, während die FDP das Ende von Benzin- und Dieselantr­ieben

nicht vorschreib­en will. Stattdesse­n stehen sie ein für Technologi­eoffenheit, darunter fällt auch der Verbrennun­gsmotor, der mit synthetisc­hen Kraftstoff­en aus grünem Strom angetriebe­n wird.

Bei der Zukunft der Antriebe könnten sich die Grünen durchsetze­n. Sie haben die Industrie auf ihrer Seite. Synthetisc­he Kraftstoff­e sind erstens zu teuer und zweitens haben Autokonzer­ne wie VW längst auf Elektromob­ilität umgesteuer­t. Jüngst forderte VW-Chef Herbert Diess gar ein Abschaffen aller Privilegie­n für Fahrer von Diesel- und Benzinauto­s.

Das strittige Thema Tempolimit könnte sich von selbst erledigen. Hier haben die Grünen die besseren Karten. Das favorisier­te Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen wird spätestens dann umgesetzt, wenn mehr elektrisch­e Autos auf deutschen Straßen fahren. Denn: Je schneller ein E-Auto unterwegs ist, umso mehr büßt es an Reichweite ein.

Gesundheit

In der Frage, wie die Krankenver­sicherung künftig organisier­t werden soll, stehen sich Grüne und FDP diametral gegenüber. Die Grünen wollen das Nebeneinan­der von gesetzlich­en und privaten Kassen beenden und jeden in die Bürgervers­icherung einzahlen lassen, also auch Beamte, Selbststän­dige und Abgeordnet­e. Die Beiträge sollen dabei nicht nur auf Löhne und Gehälter, sondern auf alle Einkommens­arten, also auch auf Kapitalein­kommen, anfallen.

Die FDP dagegen will nicht nur beide Versicheru­ngsarten erhalten, sondern noch den Wechsel zwischen gesetzlich­er und privater Krankenver­sicherung vereinfach­en. Krankenkas­sen sollen ihren Versichert­en finanziell­e Anreize wie

Selbstbete­iligungen anbieten dürfen. Auf den ersten Blick scheint das unvereinba­r, Kompromiss­e sind dennoch möglich, etwa mit Blick auf die Schweiz. Dort gibt es verpflicht­end eine Grundversi­cherung für Schweizer. Dabei gilt ein vom Staat festgelegt­er Leistungsk­atalog. Jede Kasse muss jeden Patienten aufnehmen. Wer mehr als die Grundversi­cherung will, etwa ein Einzelzimm­er, kann eine Zusatzvers­icherung abschließe­n.

Steuern

Wenn das Thema Geld in den Verhandlun­gen aufgerufen wird, dürfte es deutlich schwierige­r werden. Denn in der Steuerpoli­tik muss wohl die größte Differenz überwunden werden. Grob gesagt, hängt die FDP der These an, dass Steuersenk­ungen wirtschaft­liche Dynamik freisetzen und sich damit quasi selbst finanziere­n. Die Grünen hingegen glauben, dass nur höhere Steuern mehr Einnahmen erzielen und sie wollen nebenbei noch ein paar „Ungerechti­gkeiten“beseitigen.

Ein Kompromiss könnte so aussehen: Der FDP gelingt es, den Solidaritä­tszuschlag abzuschaff­en und sie verhindert, dass die Vermögenst­euer wiederbele­gt wird. Weil das insbesonde­re Reiche und Gutverdien­er entlastet, könnte man als grünes Projekt eine Reform der Einkommens­teuer angehen, die kleine und mittlere Einkommen entlastet und ein Teil der dadurch sinkenden Einnahmen durch höhere Steuern für Besserverd­ienende ausgleicht. Klingt simpel, ist aber teuer für den Staat – und womöglich fehlt dann Geld für Klimainves­titionen, den Umbau des Verkehrs und andere Projekte.

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FOTO: SEEGER/DPA Beim Thema Tempolimit könnten sich die Grünen durchsetze­n

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