Reformprozess der katholischen Kirche stockt
Synodaler Weg sollte nach dem Missbrauchsskandal Veränderungen einleiten – Gläubige aus Rottenburg-Stuttgart fordern Fortschritte
- Unversöhnt und ohne Aussicht auf Annäherung stehen sich seit Donnerstagnachmittag in Frankfurt bei der zweiten großen Versammlung im Reformprozess des Synodalen Wegs Liberale und Bewahrer gegenüber. Vor allem konservative und reformorientierte Bischöfe streiten sich um die Frage, wie stark Macht und Gewalt in der katholischen Kirche in die Hände von Laien gelegt werden können. Bis Samstag noch beraten die 230 katholischen Laien, Priester, Ordensleute und Bischöfe über konkrete Reformen. Dabei geht es um die Themen Position der Frauen in der Kirche, katholische Sexualmoral, Umgang mit Macht und Ehelosigkeit der Priester. Hintergrund der Reformbemühungen ist der Skandal sexuellen Missbrauchs, durch den die katholische Kirche viel Vertrauen verspielt hat.
Die Frankfurter Synodalen werden die Vorlagen aus den vier Synodalforen diskutieren. In 16 Papieren geht es teilweise um sehr weitreichende Änderungen. Zentrale Punkte können allerdings nicht allein in Deutschland umgesetzt werden. Dafür müsste zunächst der Vatikan zustimmen. Berichte wird es zu den Themenfeldern „Aufarbeitung und Aufklärung des sexuellen Missbrauchs“sowie „Straf- und Verwaltungsgerichtsbarkeit“geben.
Aus der Diözese RottenburgStuttgart schaltet sich Regina Nagel online in die Versammlung ein. Die Gemeindereferentin aus Schöntal im Hohenlohischen arbeitet im Forum zur Position der Frau in der Kirche mit und vertritt auch den Berufsverband der Gemeindereferentinnen. Sie fordert vor allem Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche. „Das ist keine Maximalforderung, sondern heutzutage eine Selbstverständlichkeit“, argumentiert die 60-Jährige im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, „die Kirche muss die Diskriminierung beenden, eine Frauenquote allein reicht nicht aus.“Bei Bischofsernennungen soll es ein Mitspracherecht der Laien geben. „Außerdem sollen die Gremien Rechenschaft ablegen“, sagt Nagel.
Ebenfalls aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart nimmt Gabriele Klingberg an der Versammlung teil. Sie vertritt im Zentralkomitee der deutschen Katholiken den Bundesverband katholischer Religionslehrer und -innen an Gymnasien. Sie weiß aus langjähriger Erfahrung im Religionsunterricht: „Wenn man junge Leute bei der Stange halten will, muss es um konkrete Veränderungen gehen, sonst gibt es eine Austrittswelle.“
Die 61-Jährige wurde in dieser Woche als Schuldekanin in Rottweil verabschiedet. Die jüngste Entscheidung des Papstes, Erzbischof Stefan Heße aus Hamburg und Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln trotz ihrer fehlerhaften Amtsführung nicht abzuberufen, erzürnt sie. Sie fühle sich durch solches Vorgehen „gerade in der Diskussion mit Oberstufenschülern schachmatt gesetzt“.
Und sie wünscht sich Klarheit in den Synodaltexten: „Damit muss man die Basis erreichen!“
Doch um die scheinbar selbstverständlichen Forderungen wie jene der beiden Frauen aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart geht es schon lange nicht mehr allein. Vielmehr bricht auf dem Synodalen Weg der alte Konflikt zwischen reformorientierten und konservativen Bischöfen ebenso auf wie die Kritik an mangelnder theologischer Tiefe und der Flut der Thesenpapiere.
Das Thema „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ist zu einer zentralen Frage geworden. Eine der synodalen Arbeitsgruppen hat einen Text zu diesem Thema verfasst, der es in sich hat. Letztlich fordert er eine Kontrolle und Eingrenzung bischöflicher Macht durch demokratisch gewählte Gremien in den einzelnen Bistümern sowie bundesweit – letztes ist grundlegend neu. Denn die eigentliche Macht in den Bistümern, insbesondere in Personalfragen, wird weiter von den Bischöfen und ihren Leitungsgremien ausgeübt. Zwar sind einzelne Diözesen – an der Spitze Rottenburg-Stuttgart – vor allem bei Fragen der Kirchenfinanzen weiter. Dort haben Laien ein Vetorecht. Aber in der Mehrzahl der Sprengel hat der Bischof das letzte Wort.
Die Phalanx der Bewahrer führt der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer an, hinter sich weiß er den Passauer Bischof Stefan Oster und den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Angesichts dramatischer Zahlen von Kirchenaustritten sprechen sie sich zwar auf einer eigenen Homepage klar für „strukturelle Erneuerung angesichts sichtbarer Mängel“aus. Aber ebenso klar positionieren sie sich gegen eine Demokratisierung: „Gewaltenteilung im modernen Sinn“sei mit der „Kirchenleitung nicht zu vereinbaren“, heißt es. Ihr Einwurf ist ganz explizit als Gegenentwurf zu dem konzipiert, was der Synodale Weg bislang als Diskussionsergebnisse zusammengetragen hat.
Voderholzer hat starke Verbündete – und ist selbst Mitglied in der mächtigen vatikanischen Glaubenskongregation. „Wir wissen uns im
Einklang mit den römischen Stellungnahmen“, schreibt Voderholzer. Auch kann er sich auf zahlreiche Stellungnahmen aus dem Vatikan berufen. Erst jüngst hatte der Botschafter des Papstes in Deutschland, Nuntius Nikola Eterovic, Papst Franziskus zitiert, der vor deutschen Sonderwegen gewarnt hatte: Diese führten ins kirchliche Aus.
Auch aus Kreisen der Bischofskonferenz kommen Bedenken. Zwar sehe die Mehrheit der Oberhirten klaren Reformbedarf. Für die Bischöfe sei es von fundamentaler Bedeutung, dass „der Synodale Weg aus geistigen und geistlichen Quellen schöpft und nicht nur den Versuch einer Verwaltungsreform darstellt“, sagt der Vorsitzende der Konferenz, Georg Bätzing aus Limburg. Die anderen Bischöfe hätten sich über das mangelnde Niveau der Sprache in den Papieren kritisch geäußert. Und sie seien auch in Sorge, dass die Missbrauchskrise zum Ausgangspunkt von Strukturen werden könne, die für die Kirche fremd seien.
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf betont, dass er den Synodalen Weg „zunächst positiv“wahrnehme. Dazu gehöre, dass auch die Bischöfe „an Debattenkultur dazugelernt“hätten. Sehr kritisch äußert sich Kohlgraf jedoch zu der „Textflut“, die im Synodalen Weg produziert werde. Er erinnert an ein Wort von Papst Franziskus, der über die Weltbischofssynode sagte, „dass es nicht Zweck dieser Synode ist, Dokumente zu produzieren, sondern ,Träume aufkeimen zu lassen, Prophetien und Visionen zu wecken ...‘“Mit Blick auf den Synodalen Weg merkt Kohlgraf kritisch an: „Die Textproduktion ist enorm, die anderen vom Papst genannten Aspekte erkenne ich nicht in derartiger Intensität.“
Zurück zur Gemeindereferentin Regina Nagel aus Schöntal: „In den Texten muss zunächst alles stehen, was nicht in Ordnung ist, man darf vor nichts zurückschrecken. Klartext in den Beschlussanträgen ist mir wichtiger als eine Zwei-DrittelMehrheit der Bischöfe zu erreichen.“Wird sich dann etwas ändern? „Im Gesamtsystem der Kirche nicht“, ist Nagel skeptisch, „denn auch die Verantwortlichen des Synodalen Wegs können nicht so tun, als könnte die Synodalversammlung gravierende Entscheidungen treffen.“