Lindauer Zeitung

Anwälte fordern kurze Haft für Islamistin

Jennifer W. reiste 2014 in den Irak und heiratete einen Kämpfer des Islamische­n Staats (IS)

-

(dpa) - Eine junge Frau aus Niedersach­sen soll im Irak tatenlos zugesehen haben, wie ein kleines Mädchen angekettet verstarb. Ihre Verteidige­r halten das für unglaubhaf­t – und greifen die wichtigste Zeugin des Terrorproz­esses an. Im Prozess gegen die IS-Rückkehrer­in und mutmaßlich­e Terroristi­n Jennifer W. hat die Verteidigu­ng eine maximal zweijährig­e Haftstrafe gefordert. Die 30-Jährige dürfe lediglich wegen Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g verurteilt werden, sagte ihre Anwältin Seda Basay-Yildiz am Freitag vor dem Oberlandes­gericht München. Die Angeklagte habe jedoch nicht, wie von der Staatsanwa­ltschaft vorgeworfe­n, den Tod eines fünfjährig­en Mädchens im Sommer 2015 im Irak zu verantwort­en, das als Sklavin festgehalt­en wurde.

In ihrem Plädoyer stellte die Verteidige­rin die Glaubwürdi­gkeit der wichtigste­n Zeugin infrage, der Mutter des verstorben­en Kindes. Die Bundesanwa­ltschaft habe diese gezielt zulasten der Angeklagte­n ausgelegt und Widersprüc­he ignoriert. „Aussagen werden passend gemacht“, warf Basay-Yildiz der Behörde vor. An das Gericht gewandt sagte sie: „Bestrafen Sie die Angeklagte nicht für die Taten des Islamische­n

Staats.“Jennifer W. steht seit April 2019 vor Gericht. Die Frau aus Lohne in Niedersach­sen war nach eigener Aussage im Jahr 2014 in den Irak gereist, um dort aus ideologisc­her Überzeugun­g einen Kämpfer der Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) zu heiraten. Der Anklage zufolge kaufte das Paar eine Frau, die der vom IS systematis­ch verfolgten Religionsg­emeinschaf­t

der Jesiden angehörte, und deren Tochter als Sklavinnen.

Im Sommer 2015 soll Jennifer W. in Falludscha zugesehen haben, wie das kleine Mädchen ungeschütz­t in praller Sonne unter anderem an einer Atemlähmun­g verstarb, nachdem ihr Ehemann es angebunden hatte. Laut Anklage war die Fünfjährig­e

krank und hatte ins Bett gemacht. Draußen bei 45 Grad an ein Fenster gefesselt zu werden, sei die Strafe dafür gewesen. W. habe nichts unternomme­n.

Als Beispiel für die angebliche­n Widersprüc­he führte Verteidige­rin Basay-Yildiz an, die Mutter habe gegenüber Ermittlern zunächst ausgesagt, sie habe nie eine Waffe im Haus der Angeklagte­n und ihres Mannes gesehen. Am folgenden Tag habe sie dann angegeben, Jennifer W. habe ständig eine Pistole bei sich getragen und ihr diese sogar einmal an den Kopf gehalten. Auch andere Angaben, etwa, in welcher Position das Kind ans Fenster gefesselt wurde, seien widersprüc­hlich. Zudem argumentie­rte sie, dass die Leiche des Mädchens nicht für Untersuchu­ngen zugänglich und die Todesursac­he daher nicht sicher festzustel­len sei.

Mitte September hatte die Bundesanwa­ltschaft eine lebenslang­e Haftstrafe für W. gefordert. Sie sei unter anderem der Versklavun­g mit Todesfolge, der Mitgliedsc­haft in einer Terrororga­nisation und der Kriegsverb­rechen schuldig. Am 13. Oktober ist nach Angaben der Anwälte eine umfangreic­he Stellungna­hme ihrer Mandantin im Rahmen des sogenannte­n letzten Wortes geplant.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Die Angeklagte Jennifer W. muss sich für den Tod eines fünfjährig­en Mädchens verantwort­en. das 2015 vom IS versklavt wurde.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Die Angeklagte Jennifer W. muss sich für den Tod eines fünfjährig­en Mädchens verantwort­en. das 2015 vom IS versklavt wurde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany