Der Prinz ist obenauf
Drei Jahre nach dem Khashoggi-Mord ist der saudische Thronfolger Mohammed bin Salman wieder salonfähig
- Drei Männer in Shorts und T-Shirts lachen vergnügt in die Kamera: Staatsmedien in Saudi-Arabien verbreiteten vor Kurzem ein Foto von einem Treffen des Thronfolgers Mohammed bin Salman mit zwei Freunden. Am Strand des Roten Meeres traf sich der Prinz, genannt MBS, mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, und dem Nationalen Sicherheitsberater der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Scheich Tachnun bin Zayed al-Nayhan. Das Trio verstand sich offenbar prächtig. Nichts auf dem Foto erinnert daran, dass Mohammed bin Salman und die VAE über Jahre versuchten, Katar wirtschaftlich zu ruinieren, oder dass Katar Konsequenzen aus dem Mord an dem saudischen Journalisten und Dissidenten Jamal Khashoggi forderte und damit auf den saudischen Kronprinzen zielte.
Das Strandfoto zeigt, wie viel sich für MBS in letzter Zeit geändert hat. Er hat seinen Frieden mit Katar gemacht, und er muss nicht mehr befürchten, wegen des Khashoggi-Mordes international geschnitten oder an den Pranger gestellt zu werden – obwohl weitgehend Konsens darüber herrscht, dass der Prinz bei dem Mord seine Hände im Spiel hatte. Enge Berater und Leibwächter von MBS waren nach Erkenntnissen von UNErmittlern und amerikanischen Geheimdiensten am Mord an Khashoggi am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul beteiligt. Damals erschien Khashoggi, ein Kritiker des Kronprinzen, zu einem Termin in der Vertretung und wurde von einem saudischen Killerkommando getötet. Seine Leiche soll zersägt und in Säure aufgelöst worden sein.
Saudi-Arabien leugnete zunächst, irgendetwas mit dem Mord zu tun zu haben, und ließ dann in einem Geheimprozess einige untere Chargen zu Haftstrafen verurteilen. Der Vorwurf einer Verwicklung von MBS in den Mord wurde in Riad zurückgewiesen.
Das brachte dem Prinzen auf der internationalen Bühne zunächst wenig. MBS, der sich als Reformer versteht, der Saudi-Arabien in die Moderne führen will, stand international als blutrünstiger Autokrat da, Karikaturen zeigten ihn mit Knochensäge und blutbeschmierten Händen. Die Türkei, die MBS und die VAE als Rivalen betrachtete, ließ
Geheimdiensterkenntnisse über das saudische Mordkomplott und die mutmaßliche Rolle des Thronfolgers an die Medien durchsickern, die UNBerichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen, Agnes Callamard, forderte Sanktionen gegen ihn.
Saudische Dissidenten im Ausland berichteten von Entführungsversuchen der saudischen Regierung. In Deutschland stellte die Journalistenvereinigung Reporter ohne Grenzen beim Generalbundesanwalt gegen MBS Strafanzeige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Joe Biden nannte Saudi-Arabien einen internationalen „Paria“, der für begangenes Unrecht bezahlen müsse. Heute muss sich Mohammed bin Salman darum keine großen Sorgen mehr machen.
Im Innern hat er seine Position als Nachfolger des 85-jährigen Königs Salman und als eigentlicher Herrscher Saudi-Arabiens gefestigt. Außenpolitisch bröckelt die Front der Ablehnung. Westliche Rüstungslieferungen an die Saudis nehmen wieder zu. Die US-Regierung genehmigte vor zwei Wochen einen 500-Millionen-Dollar-Vertrag zur Wartung saudischer Kampfhubschrauber – der erste Rüstungsdeal mit Riad seit Bidens Amtsantritt.
Im Juli empfing Washington einen Bruder von MBS, Vize-Verteidigungsminister Prinz Khalid bin Salman. Wenige Tage vor dem dritten Jahrestag des Khashoggi-Mordes flog jetzt Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan nach Saudi-Arabien, um mit MBS zu sprechen. Die Türkei bemüht sich inzwischen um bessere Beziehungen zu Saudi-Arabien und den VAE, um die eigene Isolation zu durchbrechen.
Freunde von Khashoggi sind entsetzt. Es sei nicht genug getan worden, um die Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen, „besonders den Typen, der den Mord in Auftrag gab“, sagte die Nahost-Expertin Rula Jebreal der von Khashoggi gegründeten Organisation Dawn. „Er regiert das Land nach wie vor, und er wird weiter Leute umbringen, weil er gesehen hat, dass er damit durchkommt.“
Viel mehr als der KhashoggiMord macht MBS heute der von ihm begonnene Krieg im Jemen zu schaffen. Auch bei dem Gespräch des Kronprinzen mit Biden-Berater Sullivan ging es vor allem um Jemen. Die amerikanische Nachrichtenseite Axios meldete, die Menschenrechte seien bei dem Treffen ebenfalls angesprochen worden. Ob der Name Khashoggi fiel, ist nicht bekannt.