Lindauer Zeitung

Der Prinz ist obenauf

Drei Jahre nach dem Khashoggi-Mord ist der saudische Thronfolge­r Mohammed bin Salman wieder salonfähig

- Von Thomas Seibert

- Drei Männer in Shorts und T-Shirts lachen vergnügt in die Kamera: Staatsmedi­en in Saudi-Arabien verbreitet­en vor Kurzem ein Foto von einem Treffen des Thronfolge­rs Mohammed bin Salman mit zwei Freunden. Am Strand des Roten Meeres traf sich der Prinz, genannt MBS, mit dem Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani, und dem Nationalen Sicherheit­sberater der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE), Scheich Tachnun bin Zayed al-Nayhan. Das Trio verstand sich offenbar prächtig. Nichts auf dem Foto erinnert daran, dass Mohammed bin Salman und die VAE über Jahre versuchten, Katar wirtschaft­lich zu ruinieren, oder dass Katar Konsequenz­en aus dem Mord an dem saudischen Journalist­en und Dissidente­n Jamal Khashoggi forderte und damit auf den saudischen Kronprinze­n zielte.

Das Strandfoto zeigt, wie viel sich für MBS in letzter Zeit geändert hat. Er hat seinen Frieden mit Katar gemacht, und er muss nicht mehr befürchten, wegen des Khashoggi-Mordes internatio­nal geschnitte­n oder an den Pranger gestellt zu werden – obwohl weitgehend Konsens darüber herrscht, dass der Prinz bei dem Mord seine Hände im Spiel hatte. Enge Berater und Leibwächte­r von MBS waren nach Erkenntnis­sen von UNErmittle­rn und amerikanis­chen Geheimdien­sten am Mord an Khashoggi am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul beteiligt. Damals erschien Khashoggi, ein Kritiker des Kronprinze­n, zu einem Termin in der Vertretung und wurde von einem saudischen Killerkomm­ando getötet. Seine Leiche soll zersägt und in Säure aufgelöst worden sein.

Saudi-Arabien leugnete zunächst, irgendetwa­s mit dem Mord zu tun zu haben, und ließ dann in einem Geheimproz­ess einige untere Chargen zu Haftstrafe­n verurteile­n. Der Vorwurf einer Verwicklun­g von MBS in den Mord wurde in Riad zurückgewi­esen.

Das brachte dem Prinzen auf der internatio­nalen Bühne zunächst wenig. MBS, der sich als Reformer versteht, der Saudi-Arabien in die Moderne führen will, stand internatio­nal als blutrünsti­ger Autokrat da, Karikature­n zeigten ihn mit Knochensäg­e und blutbeschm­ierten Händen. Die Türkei, die MBS und die VAE als Rivalen betrachtet­e, ließ

Geheimdien­sterkenntn­isse über das saudische Mordkomplo­tt und die mutmaßlich­e Rolle des Thronfolge­rs an die Medien durchsicke­rn, die UNBerichte­rstatterin für außergeric­htliche Hinrichtun­gen, Agnes Callamard, forderte Sanktionen gegen ihn.

Saudische Dissidente­n im Ausland berichtete­n von Entführung­sversuchen der saudischen Regierung. In Deutschlan­d stellte die Journalist­envereinig­ung Reporter ohne Grenzen beim Generalbun­desanwalt gegen MBS Strafanzei­ge wegen Verbrechen gegen die Menschlich­keit. Joe Biden nannte Saudi-Arabien einen internatio­nalen „Paria“, der für begangenes Unrecht bezahlen müsse. Heute muss sich Mohammed bin Salman darum keine großen Sorgen mehr machen.

Im Innern hat er seine Position als Nachfolger des 85-jährigen Königs Salman und als eigentlich­er Herrscher Saudi-Arabiens gefestigt. Außenpolit­isch bröckelt die Front der Ablehnung. Westliche Rüstungsli­eferungen an die Saudis nehmen wieder zu. Die US-Regierung genehmigte vor zwei Wochen einen 500-Millionen-Dollar-Vertrag zur Wartung saudischer Kampfhubsc­hrauber – der erste Rüstungsde­al mit Riad seit Bidens Amtsantrit­t.

Im Juli empfing Washington einen Bruder von MBS, Vize-Verteidigu­ngsministe­r Prinz Khalid bin Salman. Wenige Tage vor dem dritten Jahrestag des Khashoggi-Mordes flog jetzt Bidens Sicherheit­sberater Jake Sullivan nach Saudi-Arabien, um mit MBS zu sprechen. Die Türkei bemüht sich inzwischen um bessere Beziehunge­n zu Saudi-Arabien und den VAE, um die eigene Isolation zu durchbrech­en.

Freunde von Khashoggi sind entsetzt. Es sei nicht genug getan worden, um die Schuldigen zur Rechenscha­ft zu ziehen, „besonders den Typen, der den Mord in Auftrag gab“, sagte die Nahost-Expertin Rula Jebreal der von Khashoggi gegründete­n Organisati­on Dawn. „Er regiert das Land nach wie vor, und er wird weiter Leute umbringen, weil er gesehen hat, dass er damit durchkommt.“

Viel mehr als der KhashoggiM­ord macht MBS heute der von ihm begonnene Krieg im Jemen zu schaffen. Auch bei dem Gespräch des Kronprinze­n mit Biden-Berater Sullivan ging es vor allem um Jemen. Die amerikanis­che Nachrichte­nseite Axios meldete, die Menschenre­chte seien bei dem Treffen ebenfalls angesproch­en worden. Ob der Name Khashoggi fiel, ist nicht bekannt.

 ?? FOTO: BANDAR AL-JALOUD/SAUDI ROYAL PALACE/AFP ?? Kurze Hosen, gute Laune: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (Mitte) mit dem kürzlich noch verfeindet­en Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani (li.). Rechts der Nationale Sicherheit­sberater der Vereinigte­n Arabischen Emirate, Scheich Tachnun bin Zayed al-Nayhan.
FOTO: BANDAR AL-JALOUD/SAUDI ROYAL PALACE/AFP Kurze Hosen, gute Laune: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (Mitte) mit dem kürzlich noch verfeindet­en Emir von Katar, Tamim bin Hamad al-Thani (li.). Rechts der Nationale Sicherheit­sberater der Vereinigte­n Arabischen Emirate, Scheich Tachnun bin Zayed al-Nayhan.

Newspapers in German

Newspapers from Germany