Lindauer Zeitung

Vom schüchtern­en Kind zum Alphatier

Der frühere Nachtcafé-Moderator Wieland Backes stellt in Ravensburg seine Autobiogra­fie vor

- Von Dirk Grupe

- Die Krankheit sieht man ihm an, wie sollte es auch anders sein. Das Gesicht ist schmaler als früher, der Gang verlangsam­t und vorsichtig, wenn er die Bühne bei Schwäbisch Media in Ravensburg betritt. Geblieben ist Wieland Backes jedoch sein Charme und die umschmeich­elnde ruhige Stimme, egal ob er über die schönen Dinge des Lebens spricht oder die schwierige­n, wie seine Parkinson-Erkrankung. „Wenn ich hier eine Stunde sitze, fällt das Aufstehen schwer“, sagt der 75Jährige, über die zunehmende Versteifun­g der Muskeln. Auch seine Gesichtszü­ge seien starrer geworden durch die Krankheit, auf die er sich aber nicht reduzieren lassen will. Deshalb geht es an diesem Abend auch um Parkinson und wie er die Nervenkran­kheit bemerkte, aber bei weitem nicht nur. Dazu war sein Leben viel zu bewegt.

Als Ende 2014 die letzte Folge der SWR-Talkshow Nachtcafé mit dem Titel „Happy End“ausgestrah­lt wird, hat Backes in fast 28 Jahren 706 Sendungen moderiert, er gilt als TV-Legende und „Niveautalk­er“, der sich wohltuend von Einerlei und Sensations­lust der Fernsehlan­dschaft absetzt, und der sich, ja tatsächlic­h, für seine Gäste wirklich interessie­rt. Nun hat er während der Pandemie seine Autobiogra­fie geschriebe­n: „Ich war ein schüchtern­es Kind vom Lande“. Aber Moment mal, schüchtern, der Backes? Auf Nachfrage von Moderator Andreas Müller und unter Gelächter präzisiert er: „Vom schüchtern­en Kind zum Alphatier.“Die Anfänge aber waren fürwahr nicht einfach.

Die deutschstä­mmige Familie siedelt in den Hitlerjahr­en von Rumänien

nach Österreich um. Als die Mutter mit ihrem sechsten Kind schwanger wird, kommt es zu Komplikati­onen, der Arzt rät von einer Geburt ab. Die Mutter muss aber nicht lange nachdenken: „Es bleibt.“„Somit war ich ein Wunschkind auf den zweiten Blick“, erzählt Backes. Nach Kriegsende folgt die nächste Entwurzelu­ng, die Eltern, beide Lehrer, ziehen mit den Kindern in ein Dorf unweit von Backnang, die Zeiten bleiben schwer. Backes erinnert sich, wie zwei seiner Brüder einmal um eine Dose Heringe rangeln. „Das war der reine Hunger. Wir waren in großer Not.“

Die Erfahrunge­n von damals prägen heute seinen Blick auf die Flüchtling­e, die nach Deutschlan­d kommen. „Man spürt eher, was es bedeutet, die Heimat zu verlassen und sie zu verlieren.“Und sich anderswo fremd zu fühlen. „Auch wir waren lange Außenseite­r.“

In dem schwäbisch­en Dorf ist er der Flüchtling, der Sohn vom Lehrer, der dieses „völlig unvorstell­bare Hochdeutsc­h spricht“. Auf dem Schulweg wird er gerne in den Bach geschubst, „keiner schien so zum Opfer zu taugen, wie ich.“Erst mit dem

Wechsel ins Gymnasium ändern sich die Zeiten. Und steigt das Selbstbewu­sstsein. Nach dem Abitur studiert er zwar Chemie und promoviert, für seinen Lebensweg entscheide­nd ist jedoch eine Hospitanz beim SDR (später SWR). Geht sein erster Fernsehbei­trag über den betrügeris­chen Verkauf von Heizdecken noch gründlich schief, erhält er für den zweiten über den Ballungsra­um Stuttgart den redaktione­llen Ritterschl­ag: „Sie können optisch denken.“

Es folgt eine Karriere als Reporter, Redaktions­leiter und Moderator. Und auch wenn das „Haifischbe­cken“SDR damals stark unter politische­m Einfluss steht, ist Backes noch heute von dem System überzeugt: „Ich bin ein schon militanter Anhänger des öffentlich­en-rechtliche­n Rundfunks.“Was nicht zuletzt an der eigenen Haltung und Herangehen­sweise liegt: „Für die Privaten bin ich zu anspruchsv­oll.“

Den Beleg dafür liefert er für viele Jahre im Nachtcafé, zur ersten Sendung 1987 unter dem Titel „Schwierige Liebe“kommen Prominente wie Dietmar Schönherr sowie Christine Kaufmann, die von ihrer Ehe mit Tony Curtis berichtet. Mit den Jahren wird es jedoch zum Markenzeic­hen der Sendung, dass vorwiegend ganz normale Menschen ihre Geschichte­n erzählen, mit deren Schicksale­n sich die Zuschauer identifizi­eren können. Einfache Leute, die sich dem Moderator anvertraue­n, der seinen Stil so beschreibt: „Sanftes Zugehen, um dann doch etwas herauszulo­cken.“

Ähnlich behutsam geht Wieland Backes auch mit seiner Krankheit um, über die er anfangs nur Familie und enge Freunde informiert.

Wegen chronische­r Kopfschmer­zen sucht er 2013 den Arzt auf, der weitere Untersuchu­ngen anordnet. Nicht wegen der Kopfschmer­zen, sondern weil er Backes einmal zufällig beim Joggen gesehen hatte und dachte: „Die Körperhalt­ung, der Bewegungsa­blauf, das könnte Parkinson sein.“Ist es dann auch. Von dem oft typischen Zittern bleibt der Patient zwar verschont, Einschränk­ungen aber spürt er. Sein Dasein will sich der 75-Jährige davon trotzdem nicht bestimmen lassen. „Man kann mit der Krankheit leben lernen“, sagt er. „Ich habe sie im Griff.“Genauso wie er immer noch sein Publikum zu fesseln vermag, das an diesem Abend herzlich und bewegt applaudier­t.

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FOTO: GRUPE Wieland Backes bei Schwäbisch Media in Ravensburg.

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