Lindauer Zeitung

Keine Zeit für Nostalgie

Als Frontmann der Band The Police wurde er weltberühm­t – Nun wird Sting 70 Jahre alt und geht wieder auf Tour

- Von Philip Dethlefs

(dpa) - Die große Bühne hat ihm gefehlt. Als Sting vor Kurzem das Hamburger Reeperbahn Festival mit seinem Konzert eröffnete, war ihm die Freude darüber anzumerken, endlich wieder vor Publikum zu singen und zu spielen. „Das war mein erster Auftritt seit zwei Jahren“, sagte der britische Musiker im Operettenh­aus. „Ich fühle mich sehr geehrt.“Normalerwe­ise füllt Sting, der an diesem Samstag 70 Jahre alt wird, die großen Arenen. Trotzdem tritt er immer wieder gern in kleinen Theatern und lauschiger­en Konzerthal­len auf.

Seine 70 Jahre sieht man dem Popund Rockstar, der als Gordon Matthew Thomas Sumner in einem Vorort der englischen Arbeiterst­adt Newcastle geboren wurde, kaum an. Obwohl die einst blonde Mähne inzwischen dunkler und dünner geworden ist. Doch Sting, der während eines Konzerts auf der Bühne gern mal einen Tee trinkt, hatte schon immer etwas Jugendlich­es an sich. Zudem wird ihm ein hoher Sexappeal nachgesagt. Stings Rezept für die Jugend? Angeblich sehr viel Yoga.

Als Frontmann, Bassist und Songwriter der Band The Police wurde der ausgebilde­te Lehrer Ende der 1970er-Jahre schlagarti­g berühmt. Mitreißend­e Rocksongs wie „Can’t Stand Losing You“oder „So Lonely“und vom Reggae inspiriert­e Lieder wie „Message in A Bottle“mit smarten Texten treffen damals den Nerv der Zeit. The Police kombiniere­n Postpunk, New Wave und raffiniert­en

Pop radiotaugl­ich. Auch dank Stings markanter Stimme ist ihr Sound unverwechs­elbar. Die Ballade „Every Breath You Take“, ein Nummer-1-Hit in mehreren Ländern, wird einer der größten Erfolge. Das Trio füllt schließlic­h Stadien. Doch nach fünf Alben und Tourneen rund um den Globus ist Mitte der Achtzigerj­ahre Schluss, wobei sich die Band nie offiziell auflöst. Eine erfolgreic­he Reunion-Tour in den 2000ern bereut Sting im Nachhinein. „Eine NostalgieÜ­bung“sei das gewesen, sagte er kürzlich im „Reader’s Digest“-Interview. Doch Sting ist kein Nostalgike­r.

Sein erstes Soloalbum „The Dream Of The Blue Turtles“ist 1985 eine Abkehr vom rockigen Sound seiner Band. Statt dessen serviert der Blondschop­f eine Mischung aus seichtem Pop (wie die Single „If You Love Somebody Set Them Free“), Jazz und Reggae, und vertont mit „Russians“die weit verbreitet­e Sorge über den Kalten Krieg und das damalige Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunio­n.

Seit den 1980er-Jahren nutzt Sting seine Popularitä­t, um sich für Menschenre­chte und Umweltschu­tz stark zu machen. Musikalisc­h wechselt er im Laufe der Jahrzehnte als Solokünstl­er mit Leichtigke­it zwischen den Stilrichtu­ngen, experiment­iert auch mit Weltmusik, Shantys und Dancepop. Obendrein hat er ein exzellente­s Gespür für Balladen. Ob „Fields of Gold“, „Shape of My Heart“oder „When We Danced“– wenn Sting gefühlvoll wird, ist es meist ein kommerziel­ler Erfolg.

Mit der Band und als Solokünstl­er sammelt der Brite während seiner Karriere insgesamt 17 Grammys. 45-mal ist er nominiert. Eine Nummer 1 in mehreren Ländern gelingt ihm nach der Police-Zeit aber nur einmal: Zusammen mit Bryan Adams und Rod Stewart singt er 1993 die Ballade „All For Love“. Der Titelsong für den Film „Die drei Musketiere“stammt nicht aus seiner Feder.

Apropos Kino: 1979 spielt er seine erste Filmrolle im Drama „Quadrophen­ia“, das auf dem gleichnami­gen The-Who-Album basiert. 1984 steht er für Regisseur David Lynch vor der Kamera. In dessen erster Verfilmung des Science-Fiction-Epos „Dune – Der Wüstenplan­et“glänzt er als diabolisch­er Feyd-Rautha Harkonnen, nur mit einem Hosenlatz bekleidet.

„Dune“fällt in eine turbulente Zeit für Sting. Denn nicht nur The Police trennen sich. Auch die Ehe zu seiner Frau Frances Tomelty, mit der er zwei Kinder hat, zerbricht. Pikanter Grund ist eine Affäre mit Tomeltys bester Freundin Trudie Styler. Seit 1992 ist Sting mit der Produzenti­n und Schauspiel­erin verheirate­t. Das Paar, das überwiegen­d auf einem Weingut in der Toskana lebt, hat vier Kinder. „Ich wollte nie Vater werden“, gestand Sting einmal. „Ich bin sechsmal aus Versehen Vater geworden, so schlau bin ich. Aber es waren die glücklichs­ten Unfälle meines Lebens.“

Nach coronabedi­ngter Absage holt Sting nun seine Welttourne­e für das 2019 erschienen­e Album „My Songs“nach. Schon im November erscheint das Album „The Bridge“.

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FOTO: AXEL HEIMKEN/DPA Sting bei der Eröffnung des Hamburger Reeperbahn Festivals. Die 70 merkt man Gordon Matthew Thomas Sumner nicht an.

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