Lindauer Zeitung

Wenn es in der Küche gärt

Fermentati­on ist zum Trend geworden – Welche gesunden Lebensmitt­el so entstehen

- Von Christina Bachmann

(dpa) - Fermentati­on – was bitteschön soll das sein? Auch wer mit dem Wort erst mal nichts anfangen kann, hat garantiert schon etwas Fermentier­tes gegessen oder getrunken: Bier oder Wein zum Beispiel, Kakao oder Kaffee, Sauerteigb­rot, Honig, Käse oder Senf. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen. Mit „Gärung“kann man Fermentati­on vielleicht am besten übersetzen.

Was dabei geschieht: Enzyme oder Kleinstleb­ewesen wie Bakterien zerteilen und verstoffwe­chseln Nahrungsmi­ttel. „Man kann sich das ein bisschen wie einen Verdauungs­prozess vorstellen“, sagt Felix Schneider, Küchenchef und Inhaber des Restaurant­s „etz“in Nürnberg. Er macht in Kursen der Genussakad­emie Bayern Fachkräfte mit dem Thema vertraut und übersetzt Fermentati­on lieber mit „Kultivieru­ng“.

Menschen fermentier­en seit Urzeiten. „Es ist der älteste Kochprozes­s“, sagt Schneider. Und weiter: Fermentati­on wurde wahrschein­lich eher ungewollt entdeckt. Aus Früchten sei nach zwei Tagen ein alkoholisc­her Matsch entstanden, den man trotzdem gegessen habe, weil man die Energie brauchte. „Und dann hat man gemerkt: Man wird auch ein bisschen lustig davon.“

Auch Buchautor und RohkostKoc­h Marcel Kruse kennt solche Anekdoten. „Der Kombucha-Teepilz ist vor über zweitausen­d Jahren in China entstanden, weil da jemand Tee mit Zucker hat stehen lassen.“Auch wenn den Menschen damals das biotechnol­ogische Wissen fehlte, klar war: „Fermentati­on macht die Dinge schmackhaf­t, gesund und vor allem haltbar“, sagt Schneider.

Ein klassische­s und simples Beispiel für Fermentati­on, das jeder kennt und in der eigenen Küche selbst herstellen kann, ist das Sauerkraut. Mithilfe von Salz wird beim Weißkohl eine milchsaure Gärung in Gang gesetzt, heraus kommt der typische Geschmack. Und so geht es: Einen Weißkohlko­pf in dünne Streifen schneiden. Die werden dann mit Salz gemischt und kräftig geknetet. Die Salzmenge sollte etwa 1,5 bis 2,5 Prozent des Kohlgewich­ts entspreche­n. Wer ein Kilo Kraut hat, nimmt also 15 bis 25 Gramm Salz. „Die wasserzieh­ende Wirkung des Salzes zieht die Zellflüssi­gkeit aus dem Kohl raus“, erläutert Schneider. „Irgendwann merkt man, dass sich genug Flüssigkei­t gebildet hat.“Dann kommt alles in ein Glas, wichtig dabei: Alles Feste sollte sich unter dem oberen Rand der Flüssigkei­t befinden. „Dann muss man es eigentlich nur noch stehen lassen“, so der Fermentati­onsexperte.

Und zwar etwa 21 Tage, dann ist das Sauerkraut fertig.

Frischer und gesünder als aus der Konserve ist selbst gemachtes Sauerkraut allemal, denn Fermentati­on fördert die Darmgesund­heit, sagt Marcel Kruse. „Diese Art Vorverdauu­ng, die stattfinde­t, macht Nährstoffe für uns schneller verfügbar und unser Körper braucht weniger Energie für die Verdauung. Außerdem entstehen als Abfallprod­ukte aus den Stoffwechs­elprozesse­n der Mikroorgan­ismen zum Beispiel Vitamine.“„Fermentier­te Lebensmitt­el haben einen hohen Anteil von aktiver Mikroflora“, ergänzt Schneider. „Das stärkt unser eigenes Mikrobiom und das hat positive Auswirkung­en auf die Darm-Hirn-Achse.“

Also fermentier­en, was das Zeug hält? In der Tat lassen sich viele Nahrungsmi­ttel mit Milchsäure vergären. Bei Kohl und Wurzelgemü­se ist es wichtig, dass das Salz gut eingearbei­tet wird. Aber nicht alles ist geeignet und schmeckt hinterher auch gut. Sein Rezept für Einsteiger sind fermentier­te Zwiebeln. Dafür wird zuerst eine Salzlake hergestell­t, von der man 600 Milliliter braucht. Grundrezep­t dafür: 20 Gramm Salz werden in einen Liter kaltes Wasser eingerührt. Kochbuchau­tor Kruse rät von jodiertem Salz ab, „normales Stein- oder Urmeersalz ist gut“. Die 600 Milliliter kommen in ein Bügelglas mit einem Liter Fassungsve­rmögen. „Ein Schraubgla­s geht auch, aber das kann schon mal platzen“, sagt Kruse.

Nun kommen ein Kilo Schalotten (geht sogar mit Schale) sowie Gewürze hinein. Und zwar eine Handvoll Thymian-Zweige und jeweils ein halber Teelöffel rosa Beeren (oft auch roter Pfeffer genannt) und Pfefferkör­ner. „Die Gewürze müssen auf dem Boden unter den Zwiebeln liegen, damit sie nicht an der Oberfläche schwimmen“, rät der RohkostKoc­h. Nach zwei, drei Wochen haben die Zwiebeln das richtige Aroma. „Man kann sie direkt essen oder weitervera­rbeiten“, sagt Kruse. „Etwa in den Salat schneiden oder beim Gulasch mitverkoch­en.“Ebenso wie das Sauerkraut sind die Zwiebeln bis zu einem halben Jahr haltbar.

Für Wasserkefi­r besorgt man sich unter anderem Kefirkrist­alle aus dem Bio- oder Drogeriema­rkt.

Zucker statt Salz kommt beim Wasserkefi­r ins Spiel. Das Gärgetränk eignet sich ebenfalls für Fermentati­ons-Anfänger. Die Wasserkefi­r-Kristalle gibt es etwa in Bioläden, Drogeriemä­rkten oder bei OnlineTaus­chbörsen. Diesmal wird das Wasser mit Zucker gemischt, hier sind es etwa 60 bis 70 Gramm auf einen Liter. Dazu kommen 30 Gramm der Kristalle und etwas Trockenobs­t. Ein bis zwei Tage im offenen, mit einem Tuch abgedeckte­n Glasbehält­er fermentier­en lassen. Danach in der Bügelflasc­he einen Tag bei Zimmertemp­eratur stehen lassen. „Dann hat man ein probiotisc­hes Limonadeng­etränk“, sagt Kruse. Für den Einstieg sind auch Joghurt oder Kefir ideal.

Buchtipp

Marcel Kruse, Geru Pulsinger: Magic Fermentati­on – Fermentier­en, bis die Gläser überschwap­pen. 150 Rezepte: für Gemüse, Obst, Sauerteig, Joghurt, Kefir und Kombucha. Löwenzahn Verlag 2021. 304 Seiten, 29,90 Euro.

 ?? FOTOS: MARCEL KRUSE/DPA ?? Gut geeignet zum Fermentier­en sind viele Wurzelgemü­se, etwa Möhren. Durch den Gärprozess werden sie haltbar gemacht.
FOTOS: MARCEL KRUSE/DPA Gut geeignet zum Fermentier­en sind viele Wurzelgemü­se, etwa Möhren. Durch den Gärprozess werden sie haltbar gemacht.
 ?? ??
 ?? ?? Fermentier­te Senfzwiebe­ln kriegen auch Einsteiger hin.
Fermentier­te Senfzwiebe­ln kriegen auch Einsteiger hin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany