Lindauer Zeitung

Darum ist Lindau so wichtig für den Frieden

Dritte Tagung von Religions for Peace in der Inselhalle ist eröffnet – Jugend soll besser eingebunde­n werden

- Von Julia Baumann

- Bereits zum dritten Mal trifft sich der Weltbund Religions for Peace in Lindau. Damit ist die Inselhalle längst zum festen Tagungsort geworden für die Organisati­on, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Vertreter aller Religionen und Glaubensri­chtungen miteinande­r zu verbinden. Das gemeinsame Ziel: Frieden. In diesem Jahr sollen die Jugendlich­en mehr zu Wort kommen. Und sie haben klare Forderunge­n.

„Wenn wir jetzt nicht handeln, dann haben wir keine Welt mehr zum Leben“, sagt Renz C. Argao am Montagnach­mittag. Argao stammt von den Philippine­n, ist Traumapsyc­hologe – und Koordinato­r der Jugendorga­nisation von Religions for Peace. Bei der Pressekonf­erenz kurz vor der offizielle­n Eröffnung der Tagung findet er deutliche Worte. Schließlic­h, so sagt er, seien es die älteren Generation­en, die mitverantw­ortlich sind für die Katastroph­en

der Gegenwart. „Aber wir können die Welt verändern, wenn ihr uns lasst.“

Und genau dafür ist die Konferenz, die von Montag bis Donnerstag in der Inselhalle stattfinde­t, gedacht. Der englische Titel lautet „Generation­s in Dialog“, Generation­en im Dialog. Vier Tage lang sollen Jung und Alt auf Augenhöhe über die großen Probleme der Welt diskutiere­n.

Sie freue sich, dass es eben nicht nur die „alten, weißen Männer“sind, die zu Wort kommen, sagt Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsit­zende der evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d und Co-Präsidenti­n von Religions for Peace. „Der religiöse Dialog findet viel zu viel in Büros statt und viel zu wenig draußen mit Jugendlich­en.“Dabei sei sie überzeugt, dass es genau diesen Dialog brauche, damit Religion irgendwann eben nicht mehr vor allem Ursache von Konflikten und Krieg ist. „Es gibt Studien, die zeigen, dass die Religion ein großes Potenzial hat, um Konflikte zu lösen.“

In der Lindauer Inselhalle soll es nun Raum für diesen Dialog geben. Bei einer hybriden Tagung, für die rund 130 Teilnehmer an den Bodensee gereist sind und an der rund 1700 digital teilnehmen. Sie alle beschäftig­en sich bei Vorträgen oder Diskussion­srunden mit den Krisen der Gegenwart: Klimawande­l, Afghanista­n, Pandemie, Impfgerech­tigkeit.

„Die Kraft von Religions for Peace ist es, die Menschen zu bewegen“, ist sich Rabbi David Rosen aus Irland sicher. Immerhin würden sich mehr als 80 Prozent der Weltbevölk­erung als religiös bezeichnen. „Und ich bin sicher, dass auch manche von denen, die sagen, dass sie Atheisten sind, in Wirklichke­it auch religiös sind“, sagte er. „Das sieht man daran, wie sie sich mit dem Thema Klima auseinande­rsetzen, wie sie sich gegen Massentier­haltung einsetzen oder kein Fleisch mehr essen. Damit zeigen sie uns, wie Religion eigentlich sein sollte.“

Praktische Beispiele, wie sie Religions for Peace für eine bessere Welt einsetzt, gibt es längst: Da ist zum Beispiel ein Projekt in Kenia und Südafrika, das Frauen hilft, gegen Vergewalti­ger vorzugehen. Und die Jugendorga­nisation von Religions for Peace habe während der Corona-Pandemie dafür gesorgt, dass die Menschen in den Slums bessere Hygienebed­ingungen bekommen, erzählt Renz Argao.

Normalerwe­ise treffen sich die Vertreter von Religions for Peace in unregelmäß­igen Abständen auf der ganzen Welt: Mal in Tokio, mal in Wien, mal in New York. Dass es jetzt

Azza Karam, Generalsek­retärin von

Religions for Peace, über Lindau schon zum dritten Mal das kleine Lindau ist, hat gleich mehrere Gründe, wie Generalsek­retärin Azza Karam am Montag erklärt. „Ganz offensicht­lich ist hier der Himmel auf Erden“, sagt sie und schmunzelt. Außerdem habe sie selbst schon eine Art familiäre Beziehung zu der Stadt, denn 2019 wurde sie hier als erste Frau zur Generalsek­retärin gewählt.

Und nicht zuletzt gibt es in Lindau die Stiftung Friedensdi­alog der Weltreligi­onen und Zivilgesel­lschaft, die die Tagungen in der Inselhalle organisier­t – und das Auswärtige Amt, das dafür bereits zum dritten Mal in Folge Geld bereitstel­lt. „Dass es hier die Finanzen dafür gibt, dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Azza Karam.

Wolfgang Schürer war es, der vor drei Jahren die Lindauer Stiftung gegründet hat, damit in Lindau das zehnte Welttreffe­n von Religions for Peace stattfinde­n konnte. Er nehme das Angebot der Jugendvert­reter gern an, sagt Schürer, der erst kürzlich 75 Jahre alt geworden ist. „Wir haben nur eine Chance, wenn wir uns engagieren.“

Auftakt der Konferenz war am Montag das formale Treffen des „Weltrats der Religionsf­ührerinnen und Religionsf­ührer“, der 2019 während der zehnten Weltversam­mlung in Lindau neu gewählt wurde. Am Nachmittag folgte die offizielle Eröffnung der Tagung. Der Dienstag, 5. Oktober, steht ganz im Zeichen von Frieden und Gerechtigk­eit. Nach einer Prozession zum Ring of Peace auf der Hinteren Insel gibt es ab 17.30 Uhr eine interrelig­iöse Zeremonie zum Thema „Hoffnung, Heilung und Regenerati­on“, zu der auch alle Lindauer eingeladen sind. Mittwoch und Donnerstag, 6. und 7. Oktober, stehen die Themen Umweltschu­tz und Humanitäre Arbeit im Vordergrun­d.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Bei der Pressekonf­erenz zum Auftakt der Tagung, bei der es vier Tage um den Dialog zwischen den Generation­en gehen soll (von links): Wolfgang Schürer, Renz C. Argao, Margot Käßmann, Rabbi David Rosen, Azza Karam und Jessica Knall.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Bei der Pressekonf­erenz zum Auftakt der Tagung, bei der es vier Tage um den Dialog zwischen den Generation­en gehen soll (von links): Wolfgang Schürer, Renz C. Argao, Margot Käßmann, Rabbi David Rosen, Azza Karam und Jessica Knall.

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