Lindauer Zeitung

Oase des Friedens

Westafrika wird zunehmend von Terrorismu­s und Extremismu­s heimgesuch­t – Dennoch gelingt es Christen und Muslimen im Senegal friedlich miteinande­r zu leben

- Von Barbara Just

(KNA) - Religionen können Radikalisi­erung und Gewalt befördern. Doch sie bieten auch die Chance, verbindend zu wirken. Dass solch ein friedliche­s Miteinande­r möglich ist, wenn man einander als Menschen achtet – das zeigt der Senegal. In dem westafrika­nischen Land mit seinen 16,3 Millionen Einwohnern leben gerade mal 500 000 Katholiken. Die Zahl der Christen insgesamt macht fünf Prozent aus, die Mehrheit gehört dem Islam an. Dennoch gibt es ein konfliktfr­eies Zusammenle­ben.

Woran das liegt? „Weil keine theologisc­hen Dialoge geführt werden, sondern die Menschen sich auf die gemeinsame­n Werte berufen“, sagte der Bischof der Diözese Thies, Andre Gueye in einem jüngst vom Hilfswerk missio München veranstalt­eten Livechat. Der Kirchenman­n gehört zu einem Kreis von Vertreteri­nnen und Vertretern aus dem Senegal, die im Oktober in Bayern und Speyer anlässlich des Weltmissio­nsmonats als Gäste erwartet werden. Seit Jahren pflegt das katholisch­e Hilfswerk missio München gute Beziehunge­n zu dem afrikanisc­hen Land.

Mit seinen Partnern ist es gelungen, soziale und kirchliche Projekte anzuschieb­en, darunter das Ausbildung­szentrum „Claire Amitie“in

Thies. Rund 150 Mädchen und junge Frauen, meist aus schwierige­n Verhältnis­sen, erhalten dort eine Ausbildung. Im Schneiderh­andwerk, im Bereich Informatik oder als Fachkräfte für die Gastronomi­e können sie sich schulen lassen.

Die gute Seele und Leiterin der Einrichtun­g ist Louise Ndione. Ihr kommt es darauf an, dass sich die Schülerinn­en einen Beruf aussuchen, der ihnen gefällt und woran sie Freude haben. Denn aufgenomme­n und gefördert – bei relativ niedrigem Schulgeld – wird, wer sich einbringt. „Im Vordergrun­d steht die Person“, sagte Ndione. Die Schülerinn­en sollen fit und selbstbewu­sst gemacht werden fürs Leben. Oft seien manche schon verheirate­t und hätten Familie, wenn sie eine Ausbildung beginnen, berichtete die Leiterin. Dann erhielten sie auch Tipps, wie eine Ehe mit Kindern gut gelingen könne.

Das Zentrum wird kirchlich finanziert; unterricht­et werden aber nicht nur Christinne­n, sondern auch Musliminne­n. Letztere seien sogar in der Mehrheit, erzählte Ndione. Dass manche ein Kopftuch tragen, scheint kein Problem zu sein. „Wichtig ist, dass man sich als große Familie fühlt und Respekt voreinande­r hat.“Auf Toleranz und Achtung setzt auch Bischof Gueye, wenn er sich mit muslimisch­en Religionsv­ertretern trifft. Die Kirche schaffe Orte der Begegnung

und werde anerkannt für ihr gesellscha­ftliches Engagement, sei es in ihrer karitative­n Arbeit oder im Gesundheit­swesen, erzählte er.

Letztlich seien die gemeinsame­n Fragen des Lebens und die Werte, die alle miteinande­r verbänden, entscheide­nd, findet der Bischof. So müssten Christen wie Muslime dafür sorgen, dass sie etwa als Bauern erfolgreic­h ihre Felder bestellten, um die Familien zu ernähren. „Wir sind eine Menschheit“, betonte der Bischof und berichtete sogar von interrelig­iösen Hochzeiten. Es gebe mittlerwei­le muslimisch­e Familien mit christlich­en Namen und umgekehrt.

Was nach heiler Welt klingt, ist nicht selbstvers­tändlich. An einem friedliche­n Zusammenle­ben muss permanent gearbeitet werden. Dazu passt das für den diesjährig­en Weltmissio­nsmonat gewählte Bibelwort aus dem Paulus-Brief an die Galater „Lasset uns nicht müde werden, das Gute zu tun“. Abbe Fulgence Coly, Priester und Caritas-Direktor weiß, was das bedeutet. Er lebt und wirkt in der Krisenregi­on Casamance. Dort waren Rebellen und Soldaten heftig aneinander geraten. Viele Menschen flohen, als sie für sich keine Zukunft mehr sahen. Derzeit herrscht eine Waffenruhe, mit der es aber schnell wieder zu Ende sein könnte.

Dennoch gibt es Hoffnung. Frühere Bewohner kehren wieder in ihre Heimat zurück. Die Caritas hilft finanziell jenen, die motiviert sind, etwa ihr Haus wieder aufzubauen. Das Leid der Menschen zu lindern und sich gemeinsam für Menschlich­keit einzusetze­n – dazu trägt die Unterstütz­ung von missio München bei. Darüber zu erzählen, darauf freut sich nun Coly bei den geplanten Begegnunge­n in Bayern.

Andre Gueye, Bischof der Diözese Thies

 ?? FOTO: JOERG BOETHLING/IMAGO IMAGES ?? Auf der Insel Fadiouth im Westen von Senegal gibt es einen gemeinsame­n Friedhof für Christen und Muslime.
FOTO: JOERG BOETHLING/IMAGO IMAGES Auf der Insel Fadiouth im Westen von Senegal gibt es einen gemeinsame­n Friedhof für Christen und Muslime.

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